Verhör

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Tief grub sich Merle in ihre Bettdeckte, schnaubte leise, als sie an die Geschehnisse des vorangegangenen Abends dachte. Sie musste unbedingt mit Luca sprechen, sich etwas einfallen lassen, um ihren Verdacht zu entkräften. Sie schluckte, rieb sich die müden Augen, als sie urplötzlich zusammenzuckte, das schrille Surren ihrer Klingel ertönte. Vollends verwirrt starrte sie auf ihren Wecker – 07:42 Uhr- Was? Hastig schob sie sich aus dem Bett, warf sich ihren hellgrauen Morgenmantel über. Nicht jeder musste ihre bunt karierte Boxershorts, ihr ausgeleiertes Tanktop zu Gesicht bekommen, und steuerte die Wohnungstür an, welche sie zögerlich öffnetet. Mit einem Mal blieb ihr die Luft weg, der Klos in ihrem Hals allgegenwärtig. "Merle Falk?", ertönte eine tiefe Stimme. Dicht vor ihr zwei Männer in Uniform, welche sie erwartungsvoll ansahen. Merle nickte knapp, nicht fähig auch nur ein Wort über ihre Lippen zu bringen. Der ältere Polizeibeamte lächelte, deutete in die Wohnung: "Dürfen wir hereinkommen?". "Ja...ähm...natürlich", fand Merle ihre Stimme wieder, trat zur Seite und gewährte den beiden Männern Einlass in ihre Wohnung. "...Was kann ich für Sie tun?" fuhr sie fort, während sich der jüngere Beamte mit kurzem blonden Haar aufmerksam umsah, ohne ein Wort in ihrem Schlafzimmer verschwand. Was? "Moment, was...." "...Bitte, Frau Falk", ergriff der Ältere der Beiden beschwichtigend das Wort, ehe er dicht an sie herantrat, ihr bewusst den Weg zum Schlafzimmer versperrte "...Ich habe es, Harald". Ihr Gegenüber nickte, lächelte entschuldigend: "Ihr Smartphone ist beschlagnahmt Frau Falk. Wir haben Grund zur Annahme, dass das Gerät ermittlungsrelevante Informationen enthält, welche für uns von großer Bedeutung sind." "Was?" "Auf der Wache werden wir Ihnen alles erklären. Bitte...ziehen Sie sich etwas an."

„Blackmail", ergriff der ihr gegenübersitzende Mann mittleren Alters das Wort, sah sie erwartungsvoll an. „Ist Ihnen diese App ein Begriff?". Merle schluckte, biss sich zögerlich auf die Unterlippe. Was sollte sie tun? Was sollte sie sagen? Sie wollte nicht lügen und doch wollte sie Eyk keinesfalls mit einer unbedachten Antwort ans Messer liefern. Tief atmete sie durch, dachte an seine Worte. Selbst der beste Programmierer der Polizei würde die App nicht zu ihm zurückverfolgen können. Hoffentlich behielt er recht. „Ich kenne sie aus den Nachrichten". Argwöhnisch hob der braunhaarige Polizist eine seiner buschigen Augenbraue, schob ihr ihr Smartphone unter die Nase, tippte mit dem Zeigefinger auf die App: „Nicht zufällig von ihrem Smartphone?" „Was?", fragte sie, sah ihn mit großen Augen an, ehe sie verwirrt auf das Display starrte: „Was? Nein, ich verstehe nicht...es ist eine Nachrichtenapp." "Haben Sie Verbindungen zu Valentin Rupprecht?". Merle schüttelte den Kopf, ihr Blick gezeichnet von Unverständnis: "Nein". Ihr Gegenüber atmete tief durch, wirkte nachdenklich, ehe er fortfuhr: "Haben Sie in den letzen Wochen seltsame Nachrichten erhalten, Frau Falk? Etwas, was sie nicht zuordnen konnten?" "Nein...", log sie, hielt jedoch inne, zögerte. Sie würden ihr nicht glauben, wenn sie es gänzlich leugnen würde. Eine glaubwürdige Aussage musste her und sie hatte eine Idee: "...oder...ich bin mir nicht sicher. Ich war auf einer Internetseite unterwegs, als eine seltsame Nachricht erschien..." "Was stand in dieser Nachricht", hakte der Ermittler interessiert nach, während Merle ihre zittrigen Finger durch ihre wirren Locken streifen ließ, zaghaft den Kopf schüttelte: "Ich...ich weiß es nicht", gab sie zu, hob die Schultern: "Ich habe nicht darauf geachtet..." "Eine seltsame Nachricht erscheint und sie klicken sie einfach weg?". "Nunja...auf diesen Seiten sind seltsame Popup-Nachrichten nicht unbedingt eine Besonderheit", gab sie zu, auf ihren Lippen ein bewusstes verlegenes Lächeln. Was zur Hölle tat sie da? "Ich verstehe nicht". Merle schluckte fest, atmete tief durch. Es war falsch, dermaßen falsch und doch log sie dem Polizeibeamten ungeniert ins Gesicht. Eine Lüge, welche weitere Fragen mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit im Keim ersticken würde: "Es war eine Pornoseite".

Peinlich berührt sah der Ermittler sie an, schwieg, bis er sich räusperte: "Oh...ähm...", entfuhr es ihm, während Merle den Blick senkte, bewusst auf ihre Füße starrte, auf ihre weißen Sneaker.

„Frau Falk, bitte...versuchen Sie sich zu erinnern. Diese Person ist gefährlich. Wir wissen nicht, wozu er fähig ist. Es wird nicht nur wegen Betrug, wegen Cyberkriminalität ermittelt, sondern auch wegen Entführung. WAS?!

„Merle", stieß Amy erleichtert aus, als sie auf sie zutrat, sie fest in die Arme schloss. Die einzige Person, welcher sie sich anvertrauen wollte, sich anvertrauen konnte. Fragend warf sie einen Blick auf das Polizeigebäude hinter Merle: „Was ist los? Ich habe fast einen Herzinfarkt bekommen, als plötzlich dieser Polizist am Telefon war." Merle schluckte, verdrängte mühevoll die aufkeimenden Tränen: „Ich ...ich konnte nicht. Sie haben mein Handy beschlagnahmt." „Was? Hast....hast du es ihnen nun doch gesagt?" Merle schüttelte beinahe beschämt den Kopf. Hätte sie doch die Wahrheit sagen sollen? „Es war Luca...sie muss es gesehen haben. Er...Sie sagen er wird wegen Entführung gesucht". „Was?", riss Amy die Augen urplötzlich auf, packte sie am Arm und zerrte sie den Gehweg entlang, weg von der Polizeiwache. „...und du hast nichts gesagt? Merle.... Spinnst du?" „Das...ich glaube das nicht". Amy schnaubte, funkelte Merle regelrecht an: „Wie sollst du auch rational denken? Du hast diesen Psychopathen verdammt nochmal gevögelt!" „Amy...", mahnte Merle mit Nachdruck, ehe sie den Kopf schüttelte: „Nenn ihn nicht so...Das ist Bullshit". Tief atmete ihre Freundin durch, schloss für einen Augenblick die Augen, bis sie mit merklich ruhigeren Stimme zu sprechen begann: „Merle, woher willst du das wissen." „Ich weiß es einfach!" Doch was machte sie so sicher? Was, wenn sie falsch lag. Er wirklich ein gefährlicher Krimineller war – ein Psychopath.


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