Ein wenig skeptisch nahm ich Sebastians Angebot an. Was blieb mir auch anderes übrig? Durch meine Nervosität konnte ich die halbe Nacht nicht schlafen. Die Konsequenzen machten sich an diesem Morgen bemerkbar.
„Verschlafen?", fragte er mich, als könnte er meine Gedanken lesen und führte mich einen langen Gang entlang, der nur spärlich beleuchtet war.
„Oder irre ich mich und du gibst einfach nicht viel auf Schule oder auf einen guten ersten Eindruck?", fuhr er fort.
„Du redest gerne, was?".
Wir bogen um die Ecke und ich erblickte eine riesige, imposante Treppe.
„Wieso kommst du im 5. Jahr nach Hogwarts?", antwortete er mit einer Gegenfrage.
Sofort fluteten die schlimmsten Erinnerungen meine Gedanken. Ich sah meine Eltern erneut vor meinem inneren Auge sterben, als wäre es gerade mal einen Tag her gewesen und musste schlucken. Meine Hände fingen an zittrig zu werden und in diesen Moment war ich einfach nur dankbar, dass Sebastian vorausging und somit nichts bemerkte. Nach nur ein paar Sekunden schaffte ich es, mein schneller klopfendes Herz wieder zu beruhigen und mir nichts anmerken zu lassen.
„Was geht dich das an?".
„Ich habe gehört, wie Sharp und Black sich über dich unterhalten haben. Sie sagten irgendwas über alte Magie", überging er meine unfreundliche Antwort, als hätte ich sie nie ausgesprochen.
Alte Magie? Davon hatte ich noch nie etwas gehört. Allerdings kannte ich Professor Sharp bereits. Mit ihm verband mich ein ziemlich seltsames Ereignis, das ich mir noch immer nicht erklären konnte.
„Keine Ahnung, was du meinst", erwiderte ich ehrlich.
Sebastian warf mir einen Blick über die Schulter zu, den ich absolut nicht deuten konnte. Dann lächelte er mich an.
„Wir sind da."
Mit der rechten Hand deutete er auf eine ziemlich alt aussehende Holztür.
„Dein erster Kurs. Black wird nicht erfreut sein. Er hasst Verspätungen", erklärte er grinsend, als würde gerade das ihm Freude bereiten.
„Warte!".
Gerade, als er den Türknopf drehen wollte, hielt ich ihn am Arm zurück.
„Black macht diesen Kurs?".
„Ja. Aber nur Verteidigung gegen die dunklen Künste. Er hat dieses Schuljahr großen Wert darauf gelegt, es selbst zu unterrichten. Das war eigentlich ziemlich seltsam. Es kam wie aus dem nichts. Normalerweise unterrichten die Schulleiter nicht selber."
Sebastian legte den Kopf schief.
„Ist das ein Problem?".
Ein ungutes Gefühl machte sich in mir breit und mein Blick wanderte von Sebastians dunklen Augen zurück zur Tür.
„Nein", sagte ich mit fester Stimme, „Kein Problem. Lass uns reingehen."
Nach einem starken Klopfen, als wäre er geradezu wild darauf, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, öffnete Sebastian die Tür.
„Hallo Professor", unterbrach er den am Pult stehenden Professor Black, der anscheinend gerade mitten in einer Kurseinführung war.
„Ahh, Mr. Sallow. Freut mich, dass Sie uns beehren", knurrte er sarkastisch.
„Die Freude ist ganz auf meiner Seite", antwortete dieser fröhlich.
Ich zog es vor, im Hintergrund zu bleiben und versteckte mich hinter Sebastian. Er legte jedoch eine Hand auf meine linke Schulter und schob mich nach vorne.
„Neue Schülerin. In meiner endlosen Güte und Großzügigkeit dachte ich, ich nehme es auf mich, diesem verlorenen Neuling den Weg zu zeigen. Sie entschuldigen also, Professor?"
Einige Schüler kicherten. Vollidiot! Mit einmal veränderte sich Professor Blacks Gesichtsausdruck. Er legte den Stapel Blätter ab, den er zuvor in den Händen gehalten hatte und kam auf uns zu.
„Du hast mich nur als Ausrede benutzt", fauchte ich meinen Begleiter leise an, solange der Schulleiter uns noch nicht erreicht hatte.
„Jeder muss hier sehen, wie er zurecht kommt, Emilia", zwinkerte er mir zu und klopfte mir kurz auf die Schulter, um dann wieder seine Hand runterzunehmen.
„Miss Evans?", wollte Professor Black wissen und näherte sich mir neugierig.
Ich nickte. Die Art, wie er mich ansah war seltsam, ich konnte es nicht beschreiben. Es war, als würden seine pechschwarzen Augen sich in meine Seele bohren und ich fing an, mich mehr als unwohl zu fühlen. Für mich verging eine Ewigkeit und obwohl Sebastian mir eben noch Freundlichkeit vorgegaukelt hatte, um einen Vorwand zu haben, war ich im Moment ziemlich dankbar, dass er nicht von meiner Seite wich. Nicht alleine dem Schulleiter gegenüber zu stehen gab mir ein Gefühl von Sicherheit.
„Nun gut", beendete dieser schließlich sein eigenes Schweigen und fuhr wieder herum, um zu seinem ursprünglichen Platz zurückzugehen.
„Das war seltsam", flüsterte Sebastian mir zu.
„Ja. Seltsam", murmelte ich.
„Brauchen Sie beide eine Einladung? SETZEN!".
Sofort folgten wir Professor Blacks Anweisung und ließen uns auf zwei freie Stühle fallen.
„Und für die Zukunft, Miss Evans, ich schätze es gar nicht, wenn man zu spät kommt. Ich drücke ein Auge zu, weil Sie neu auf dieser Schule sind. Aber das wird nicht noch einmal passieren, das können Sie mir glauben", maßregelte er mich.
„Ja, Professor."
„Und Sie, Mr. Sallow..."
Erwartungsvoll richtete Sebastian sich auf.
„Wo soll ich da anfangen?".
„Das kann ich Ihnen leider auch nicht sagen, Professor", konterte er.
Erneut fingen Einige an zu kichern. Anscheinend sah er sich als eine Art Klassenclown. Solche Leute gingen mir auf die Nerven. Ich warf ihm einen kurzen Blick zu. Sebastian saß lässig da, schon seine Haltung strahlte etwas Provozierendes aus. Seelenruhig wartete er auf das weitere Geschehen, als wäre er sich nicht der geringsten Schuld bewusst.
„Das klären wir ein anderes Mal", knurrte Black und wandte sich wieder dem Blätterstapel zu.
„So einfach bin ich ihn eigentlich nie los", wandte sich Sebastian an mich, „Er scheint mit den Gedanken woanders zu sein."
„Hast du keine Angst, dass er dich rauswerfen könnte?".
Ein kleiner Schatten huschte über sein Gesicht und er sah mich an.
„Bei mir ist das nicht so einfach mit dem Rausfliegen", meinte er nur und wir beließen es dabei.
Die weitere Stunde verlief ziemlich monoton. Black erzählte von irgendwelchen organisatorischen Dingen und ich begann, abzuschalten.
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Sebastian Sallow: Souls don't meet by accident
RomantizmSebastian Sallow und Emilia Evans können verschiedener nicht sein. Durch gemeinsame Erlebnisse entwickelt sich jedoch eine unerwartete Freundschaft. Für beide ist schnell klar, dass sie, trotz der Unterschiede (oder vielleicht auch gerade deshalb) e...