Felix POV
Ein paar Minuten des Wartens später biegt Mabel um eine Straßenecke. Die letzten Meter gehe ich ihr entgegen und schließe sie dann in meine Arme. Ich atme den Geruch von Holz aus der Werkstatt ein, der immer an ihr klebt und mich beruhigt. So riecht für mich Zuhause. Ich glaube, ich könnte ewig so, mit Mabel in den Armen, stehen bleiben und ich würde es für immer genießen, doch irgendwann löst sich Mabel von mir.
„Komm mit", sagt sie, nimmt mich bei der Hand und zieht mich ein paar Gassen weiter. Auf dem Weg schweigen wir. Dann bleibt Mabel vor einem Loch in einer Hauswand stehen und wir gehen gebückt hindurch. Beim Betreten erkenne ich, dass es kein Wohnhaus ist, sondern eher so etwas wie ein leer stehender Schuppen in Übergröße. Andernorts hätte man hier bestimmt Fuhrwerke hinein gestellt, doch dafür sind die Gassen hier viel zu schmal. Seltsam, dass jemand trotzdem so etwas gebaut hat. Naja, wer weiß wozu es demjenigen mal von Nutzen war, jetzt ist der Ort jedenfalls völlig verlassen.
Mabel und ich lassen uns auf ein paar Balken in der Ecke des dunklen Raumes nieder. Nur ein wenig Licht vom Mond fällt durch ein kleines Fenster in Deckennähe. Ich schließe kurz die Augen und stelle mir vor, dass eine brennende Kerze erscheint, bis mir wieder einfällt, dass das hier nicht Neverland ist und Vorstellungskraft hier gar nichts bewirkt. Ich komme mir dumm vor. Mir bleibt allerdings keine Zeit in meinen Gedanken zu versinken, denn da nimmt Mabel zum ersten Mal seitdem wir los gegangen sind richtig Kontakt zu mir auf.
„Willst du mir irgendwas sagen, Felix?", fragt sie und in ihren braunen Augen liegt Schmerz. Der Schmerz von Verrat. Ich war einfach weg, ohne irgendwelche Andeutungen. Wie hätte ich ihr auch etwas sagen können, nachdem der Schmied tot und ich verletzt war? Aber das weiß Mabel nicht.
„Deinem Vater habe ich erzählt, dass ich meinen eigenen Vater besucht habe", sage ich tonlos und kann sie beim Sprechen nicht anschauen, „Ich habe gesagt, er hätte nicht herkommen können und dass ich mich schnell entscheiden musste, um ihn zu sehen. Dass ich deshalb nichts gesagt habe."
Mabel schweigt für eine Weile, dann schüttelt sie den Kopf und ich spüre ihren Blick auf mir als sie fragt: „Und was erzählst du mir?"
Daraufhin bin ich der, der schweigt. Mir fällt auf, dass wir den Abend mit sehr viel Schweigen verbringen. Ich weiß nicht, ob das gut ist oder schlecht. Wahrscheinlich eher schlecht, aber andererseits kann ich vielleicht nicht so viel kaputt machen, wenn ich schweige.
„Du würdest mir nicht glauben", sage ich schließlich, denn das ist ja die Wahrheit und ich will ehrlich zu Mabel sein.
„Probier es aus", fordert sie mich auf, verschränkt die Arme über dem Wolltuch, das ihre Schultern wärmt und lehnt sich mit dem Rücken gegen die Wand. Abwartend schaut sie mich an, ihrem aufmerksamen Blick entgeht keine Regung.
„Dann hältst du mich für verrückt", lehne ich wieder ab.
„Ich werde dich zumindest ausreden lassen", gesteht Mabel mir zu, ihr Gesichtsausdruck verändert sich dabei nicht.
„Wie soll ich sagen...", ringe ich um Worte. Sie wird mir das doch niemals abkaufen, selbst wenn ich die Wahrheit erzähle. So ernst habe ich mir das Wiedersehen mit ihr irgendwie nicht vorgestellt. Ich war naiv.
„Sag es einfach gerade heraus", langsam wird Mabel ungeduldig, „Hast du ein anderes Mädchen kennengelernt oder was?"
„Oh Gott, Mabel, nein!", ich nehme sie bei den Händen und schaue sie nun endlich an, „Niemals könnte ich dich betrügen!"
„Was dann?", fragt sie und zieht ihre Hände aus meinen, „Denkst du nicht ich habe eine Erklärung verdient, Felix? Weißt du eigentlich was für eine Angst ich hatte? Ich dachte du liegst tot in irgendeiner dieser Gossen, weil du dich viel zu sehr um deine Mutter bemühst!"
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Felix - The second shadow of Peter Pan
Fantasy„Du traust dich nicht, es dir einzugestehen", erkennt Pan mit zusammengezogenen Augenbrauen und lässt mich nun nicht mehr aus den Augen, „Doch das solltest du. Nur wer ehrlich zu sich selbst ist, kann sein größtes Potenzial erreichen." Noch immer we...