Felix POV
Das Hinunterstürzen des Getränks ging viel zu schnell vorbei. Ich denke, ich sollte mir noch einen Drink genehmigen. Doch der Wirt bedient gerade Gäste an einem anderen Tisch, weshalb ich warten muss. Erschöpft lasse ich meinen Kopf in meine Hände sinken. Die Theke unter meinen Armen ist klebrig und speckig von den über Jahre hinweg verschütteten Getränken. Die Reise von Neverland hierher, die Lügen Mister Carpenter gegenüber und das Gespräch mit Mabel, das letztendlich eine Trennung war, haben mich wirklich ausgelaugt. Mabel hält mich für einen Verrückten, bestenfalls nur für einen Lügner, doch in beiden Fällen wird sie nichts mehr mit mir zu tun haben wollen.
Wenn ich ehrlich zu mir selber bin, sehne ich mich nach Neverland. Nach der Freiheit, die ich dort habe, den sorgenfreien Gedanken, dem weiten Meer, den riesigen Bäumen, dem kühlen Regen. Peter Pan wollte mir dort ein Zuhause geben und ich habe es abgelehnt. Abgelehnt, für dieses dreckige, gottverdammte Loch, das sich Leben nennen will!Mein Kopf taucht wieder zwischen meinen Händen auf und ich betrachte aus müden Augen die kleine Person hinter dem Tresen, die mir den Rücken zugedreht hat. Dennoch erkenne ich sie sofort.
„Hey Rufio", sage ich und meine Stimme klingt kratzig. Der kleine Junge mit dem Lockenkopf wird auf mich aufmerksam und stellt sich dann von seiner Seite der Theke aus zu mir. Offenbar ist der Boden dort etwas erhöht, denn ansonsten hätte er sicher nicht über den Rand gucken können.
„Hallo Felix", begrüßt er mich erfreut, „Suchst du wieder deine Mutter?"
Meine Mutter... Ich bin wirklich ein schlechter Sohn, dass ich sie immer wieder vergesse. Doch ich fühle mich gerade zu kaputt, als dass mich dieser Gedanke wirklich interessieren würde.
„Nein", ich schüttele begleitet von einem leichten Grinsen den Kopf, „Aber gib mir doch nochmal was von dem hier." Ich deute auf das leere Tongefäß vor mir.
„Ich glaube nicht, dass ich das tun sollte, Felix", Rufio überlegt.
„Warum denn nicht?", ich presse die Zähne aufeinander und bringe mich nur mit Mühe dazu mich wieder zu entspannen. Wie an dem Abend bevor ich nach Neverland kam, habe ich den Wunsch meine Gedanken zu ertränken und Rufio ist gerade dabei sich dem in den Weg zu stellen.
„Es scheint dir nicht gut zu gehen", unsicher schaut Rufio mich aus seinen braunen Elise-Augen an. Ich will nicht! Ich will jetzt nicht an meine tote Schwester denken!
„Gib mir ein Getränk, Rufio. Es ist dein Job!", wütend knallt meine Faust auf die Theke. Alle Vorsicht, die man in dieser Kneipe haben sollte, ist schon lange vergessen. Eine schwere Hand legt sich auf meine Schulter. Ich drehe meinen Kopf nach hinten, um der Person ins Gesicht zu sehen, dabei rutscht meine Kapuze herunter. Die Männer, die neben mir am Tresen stehen, haben sich interessiert zu uns gewandt. Als hofften sie auf eine Prügelei oder so was, was sie bestimmt auch tun.
„Ich denke, du gehst jetzt besser, Felix", brummt der Wirt, denn er ist es, der hinter mir steht, und deutet Richtung Ausgang. Ein Blick zu den Männern neben mir, wieder ein Blick zum Wirt und ich verlasse eiligen Schrittes den Pub. Draußen trete ich wütend gegen die Tür, es gibt ein lautes Geräusch. Feige verdrücke ich mich um die nächste Hausecke, aus Angst, dass der Wirt kommt. Dort prügele ich gegen die nächstbeste steinerne Hauswand bis meine Hände anfangen zu bluten. Ich glaube, ich bin ziemlich erbärmlich. Nicht mal fähig, mit meinen Gefühlen angemessen umzugehen.
„Felix?", krächzt es plötzlich ein Stück hinter mir. Mein erster Impuls ist, mich zu fragen, warum mich denn keiner in Ruhe lassen kann, als ich die Stimme erkenne. Das kann nicht sein. Dennoch ist es eigentlich klar, dass sie hier ist. Da, wo sie immer ist.
„Nein, Mutter", ich will mich abwenden und doch kann ich nicht anders als hin zu sehen. Die Frau am Ende der Gasse, die sich als Sackgasse herausstellt, kauert auf dem Boden. Matsch hängt in ihrem Kleid und in ihren Haaren und sie schaut mich aus großen Augen an, die in mir aber keinen Beschützerinstinkt, sondern puren Ekel hervorrufen. Schwach sieht sie aus, nicht wie die Person, die mich schlägt und anspuckt. Sie ähnelt eher einer Fremden als meiner Mutter und dennoch finde ich sie genauso abstoßend.
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Felix - The second shadow of Peter Pan
Fantasy„Du traust dich nicht, es dir einzugestehen", erkennt Pan mit zusammengezogenen Augenbrauen und lässt mich nun nicht mehr aus den Augen, „Doch das solltest du. Nur wer ehrlich zu sich selbst ist, kann sein größtes Potenzial erreichen." Noch immer we...