Bonus 5

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Enthält Spoiler zu "Peter Pan loves me"

Neverland, ein Monat nach Henrys Aufenthalt dort

Tami POV

„Es fühlt sich an wie damals", sage ich, während Peter und ich Hand in Hand durch den Dschungel laufen.
„Was meinst du genau?", fragt er nach und lässt mit Magie ein paar tief hängende Äste aus unserem Weg gleiten. Ein paar Wassertropfen vom vergangenen Regen lösen sich aus den Blättern und lassen sich wie kleine Glasperlen in seinen und meinen Haaren nieder.
„Als ich in meinen Träumen hierher kam, zeigtest du mir irgendwann diese schönen Orte. Wir haben ständig kleine Ausflüge auf der Insel gemacht. Du wolltest mich wohl beeindrucken", ein Lächeln nimmt auf meinen Lippen Platz.
„Beeindrucken trifft es nicht", korrigiert er mich, „Ich wollte dich glücklich sehen."

Er bleibt stehen und gibt mir einen zarten Kuss. Obwohl unser Kampf um unsere weitere Existenz, gegen Henrys Familie, schon wieder eine Zeit zurück liegt, habe ich noch immer nicht realisiert, dass wir es geschafft haben. Wir sind tatsächlich frei und wohlbehalten.

„Manchmal fasse ich es nicht, dass das real ist", hauche ich und nehme Peters Gesicht in meine Hände. Seine grünen Augen blicken tief in die meinen.
„Kannst du etwa meine Gedanken lesen?", grinst er und seine Stimme klingt rau. Dann küssen wir uns erneut. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir diese innige Phase jemals verlassen werden.

„Komm, wir gehen weiter", fordert Peter mich nach einer Weile auf und wir beide kommen langsam wieder zu Atem. Noch etwas neben der Spur nicke ich und lasse mich von ihm durch den Dschungel führen.

Wir gelangen an eine sehr hohe Felswand. Hier stehen die Bäume nicht mehr so dicht, sodass ich stellenweise den blauen Himmel über uns sehen kann.
„Bereit?", fragt mich der Herr Neverlands, doch noch ehe ich fragen kann wofür, schiebt er seinen einen Arm unter meine Kniekehlen und den anderen an meinen Rücken und hebt mich hoch.
„He, ich kann selbst laufen", protestiere ich, während Peter Pan schon zu fliegen beginnt.
„Ich habe dich gerne nah bei mir", flüstert er in mein Ohr und eine angenehme Gänsehaut zieht über meinen Nacken.

Immer höher steigen wir hinauf, bis wir schließlich die Felswand überwinden und auf eine wunderschöne Bucht hinunter blicken. Das Wasser ist kristallklar und ein sanfter Wasserfall rauscht wie in Zeitlupe in die Tiefe. Die Felsen im Wasser spiegeln einen regenbogenfarbenen Schein wieder. Und überall tummeln sich Meerjungfrauen.

„Das war die ganze Zeit hier und du zeigst es mir erst jetzt?", frage ich entsetzt und kann meinen Blick nicht von der Meerjungfrauen-Lagune lösen.
„Das Beste kommt immer zum Schluss", lächelt Peter und steuert einen der Felsen an. Neugierig schauen die Meerjungfrauen zu uns hoch und als sie Peter erkennen, winken ein paar von ihnen. Etwas schüchtern winke ich zurück. Sanft landen wir auf einer kleinen Felseninsel und rasch kommen einige Meerjungfrauen herbei geschwommen. Ihre Fischschwänze leuchten in einem geheimnisvollen Blau.

„Du hast uns lange nicht mehr besucht, Peter", sagt eine blonde Meerjungfrau zur Begrüßung. Elegant schwingt sie sich auf einen der Felsen, sodass sie nun neben uns sitzt. Um nicht auf sie herab sehen zu müssen, lassen auch Peter Pan und ich uns nieder.
„Ich war ziemlich beschäftigt", verlegen streicht mein Freund sich durch die Haare.
„Wir haben dich vermisst", antwortet die Blonde.
„Wen hast du denn da bei dir?", fragt eine andere Meerjungfrau. Sie liegt im Wasser und hat nur ihre Arme auf den Steinen abgestützt.
„Ich bin Tami", stelle ich mich selbst vor und lächele zögerlich.
„Was macht sie hier?", will die erste Meerjungfrau wissen und klingt beinahe empört. Moment mal, denken die etwa Peter gehöre zu ihnen?
„Sie ist meine Gefährtin", der Herr Neverlands nimmt meine Hand und lächelt.
„Hast du uns etwa nicht mehr gern?", fragt die vorige, dunkelhaarige Meerjungfrau und schiebt die Unterlippe vor. Was soll das?

Doch noch ehe Peter oder ich reagieren können, ergreift eine dritte Meerjungfrau das Wort. Sie sitzt ein kleines Stück entfernt auf einem erhöhten Felsen. Ihre langen blonden Haare werden von einer Brise bewegt und auf dem Kopf trägt sie eine Art Muschelkrone.
„Ein neues Mädchen, Pan?", fragt sie und sieht aus irgendeinem Grund ärgerlich aus, „Was ist mit Wendy geschehen? Dasselbe wie mit Mabel?" Wütend peitscht ihre Schwanzflosse.

„Hallo Fiana", sagt Peter säuerlich und ich frage kurz darauf, „Wer ist Mabel?"
„Ach, das weißt du gar nicht?", Fiana hebt eine Augenbraue, gleitet vom Felsen hinunter und kommt zu mir geschwommen, „Ich zeige es dir."

Auffordernd streckt sie eine Hand nach mir aus. Dass ich zögere, nutzt Peter aus, um grob den Oberarm der Meerjungfrau zu packen und sie ein Stück zu sich aus dem Wasser heraus zu ziehen.
„Wenn du ihr auch nur ein Haar krümmst...", droht er und die Meerjungfrau zischt zurück, „Im Gegensatz zu dir tue ich Menschenmädchen nichts."
„Ich will es sehen", beschließe ich und mein Blick reicht aus, dass der Herr Neverlands die Meerjungfrau wieder los lässt.

„Dann komm", ich ergreife Fianas Hand und steige zu ihr ins Wasser.
„Pass bloß gut auf sie auf", grummelt Peter Pan und beobachtet mit grimmiger Miene wie wir im Wasser verschwinden.

Ich bin noch nicht oft in meinem Leben getaucht. Beim letzten Mal, als ich Unterwasser war, wäre ich beinahe ertrunken. Es war der Moment, als Rumpelstilzchen mich von Bord der Jolly Roger warf. Nur dadurch, dass ich Peter aus der Büchse der Pandora befreite, konnte ich damals überleben. Genauso wie Felix, der zuvor versuchte mich zu retten.

Die Meerjungfrau schwimmt mit mir immer tiefer, bis hinunter in eine Spalte der Lagune. Ich merke, dass meine Luft nicht mehr lange reichen wird und Fiana bemerkt meine Unruhe. Mit ihrer freien Hand zeigt sie auf den Meeresgrund und da sehe ich es: Es ist ein Grabstein.

Verwundert runzele ich die Stirn und Fiana bringt mich noch näher heran. Nur ein einziger Name ist in den Stein gemeißelt. Keine Inschrift, kein Datum. Nur „Mabel". Um den Stein herum sind schillernde Muscheln in allen möglichen Formen und Größen verteilt. Es sieht fast schon hübsch aus, wenn man darüber hinwegsieht, dass es die Ruhestätte einer Toten ist.

Nun brennt meine Lunge wirklich und ich mache mich der Meerjungfrau mit Gesten verständlich. Eilig packt sie mich fester und schwimmt mit mir zur Oberfläche.
Keuchend schnappe ich nach Luft. Erst jetzt fällt mir auf, dass die Felsspalte auch über Wasser weiter geht. Über unseren Köpfen verläuft sie so eng, dass man meinen könnte, wir wären in einer Höhle.

„Wer war Mabel?", frage ich noch immer nach Luft ringend. Fiana stützt mich, damit mein Kopf nicht unter Wasser gerät.
„Es steht mir nicht zu, dir die ganze Geschichte zu erzählen", beginnt die Meerjungfrau, „Aber du musst wissen, dass Pan und Felix Schuld an ihrem Tod sind. Hätten sie von Anfang an anders gehandelt, hätte sie nicht sterben müssen."

Grimmig wirft sie einen Blick in Richtung Lagune. Die Spalte zieht sich wie ein Gang bis dort hin. Draußen schwebt Peter und beobachtet uns. War er schon die ganze Zeit da?
Ich ziehe mich an den steinernen Wänden entlang durchs Wasser, bis ich wieder in der offenen Lagune bin. Dort angekommen hebt mein Gefährte mich aus dem Wasser.

„Ich hoffe, du bleibst uns noch so lange erhalten, dass du mich nochmal besuchen kommst, Tami", ruft Fiana mir zum Abschied nach, während Peter und ich zurück über die Felswand fliegen.

„Dir ist bewusst, dass ich Fragen habe, oder?", wieder im Dschungel angekommen stehen Peter Pan und ich uns gegenüber. Mit einer Handbewegung lässt der Herr Neverlands meine Kleidung trocken werden.
„Die meisten davon wird Felix dir beantworten müssen", sagt Peter, „Es ist seine Geschichte."

Felix - The second shadow of Peter PanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt