Kapitel 30

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Mabel POV

Nachdenklich rupfe ich an dem Stück Brot herum, dass ich in den Händen halte. Ich sitze an die Reling gelehnt an Deck, beobachte die Piraten bei der Arbeit und lasse mich von der Sonne wärmen. Nachdem ich mich gestern noch eine Weile mit Hook größtenteils über Belangloses unterhalten habe, bin ich zu meinem Nachtlager zurückgekehrt und konnte tatsächlich noch etwas Schlaf finden. Jetzt geistern mir wieder viele Fragen durch den Kopf. Was wird passieren, wenn die Piraten Peter Pan getötet haben? Wird Felix unverletzt bleiben? Und wenn ja, wird es für uns möglich sein hier eine gemeinsame Zukunft aufzubauen? Und wenn nicht, wie sieht dann mein Leben hier aus? Werde ich bei den Piraten bleiben?

Verärgert beiße ich ein Stück von dem trockenen Brot ab und kaue angestrengt. Es nervt mich, dass ich auf all diese Fragen keine Antwort habe und sie wohl auch erst finden werde, wenn die Situation tatsächlich eintritt. Was zum Glück nicht mehr lange dauern dürfte. Hook meinte vorhin zu mir, dass der Angriff zu Beginn der Nacht starten soll. Dann bemerkt Pan uns vielleicht zu spät auf seiner Insel. Die einzige Chance die wir diesbezüglich haben, denn schließlich hat Pan mir selbst gesagt, dass er genau weiß wann wer wo auf seiner Insel ist.

Durch Beobachtungen der letzten Wochen glauben die Piraten eine Ahnung zu haben wo sich das Lager von Pan und seinem Handlanger befindet. Doch das wird wahrscheinlich ohnehin zweitrangig sein, denn Pan wird sich in seiner Selbstherrlichkeit mit Sicherheit nicht die Blöße geben vor dem Kampf davon zu laufen. Ich grinse bei dem Gedanken daran wie ihm bewusst wird, dass er keine Chance mehr hat. Ich stehe auf und schlendere das Schiff entlang, während ich das Brot aufesse. Heute wird sich alles für mich zum Guten wenden.

Mein Blick fällt auf die grausame Insel, die selbst von hier aus eine eigenartige Präsenz hat. Nebelschwaden ziehen über ihren Dschungel hinweg und scheinen Geheimnisse und Wahrheiten zu verschleiern. Die Insel ist tatsächlich genau so wie Pan selbst: trügerisch und gefährlich. Und heute wird er besiegt. Ob sich die Insel dann von einer anderen Seite zeigt? Vielleicht werde ich sie selbst verändern, denn schließlich muss ich sowieso bei ihr bleiben.

Ich schlucke trocken und versuche nicht daran zu denken wie sehr meine Eltern mich vermissen müssen. Auf ewig werden sie sich fragen, was mit mir passiert ist und nie eine Antwort erhalten. Denn ich lebe jetzt hier. Muss hier leben, wenn ich leben will. Und vielleicht, ganz vielleicht, finde ich eine Lösung für mein Problem. Wenn ich erst Neverland seine Geheimnisse entlocke, stoße ich vielleicht auf etwas, das alle anderen übersehen haben. Dann würde ich den Fluch der Quelle überwinden und nach Hause zurückkehren. Und dafür soll Peter Pan sterben. Ob Felix es muss bleibt abzuwarten.

„Na, in Gedanken versunken Miss Mabel?", fragt eine dunkle Stimme und ich hebe den Blick. Ich war gedanklich so abwesend, dass ich garnicht gemerkt habe, dass ich mittlerweile bis zum Steuerrad gegangen bin, an dem Hook steht.

„Ja", sage ich mit einem Lächeln.

„Und woran hast du gedacht?"

„Ich habe an heute Nacht gedacht", mein Lächeln wird verkrampfter, „Und daran, dass Peter Pan bezahlen soll. Mit seinem Leben."

Der Kapitän lacht, „Also ganz gewöhnliche Gedanken an einem so herrlichen Tag." Dann wird er wieder ernst, „Aber ja, auch ich kann es kaum erwarten. Es ist unbedingt notwendig, dass ich freien Zugang zur Insel habe."

„Warum eigentlich?", ich lehne mich gegen die Reling und verschränke die Arme.

„Sagen wir es so", Hooks Miene wird nun wieder verschlossener, „Ich brauche Informationen."

Ich nicke, denn ich habe verstanden, dass ich nicht weiter nachfragen sollte. Verbündete sollte man besser nicht verärgern. Schweigend verbringen wir ein paar Augenblicke miteinander.

Felix - The second shadow of Peter PanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt