Prolog

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Joe

Hungrig lecke ich mir das Blut von den Fingern. Dass dabei meine wahren Züge zum Vorschein kommen, interessiert mich wenig. Dafür schmeckt das Blut dieses Dschinns einfach zu gut.

„Also.", fahre ich in meinem Verhör fort und würdige dem Wesen vor mir keines Blickes. „Wo sind die Körper?" Meine Frage ist laut und deutlich. Und doch tut der Dschinn so, als habe er mich nicht gehört.

Stattdessen kniet er blutverschmiert in dem Bannkreis und popelt offensichtlich gelangweilt in der Nase. Dass seine rechte Gerichtshälfte unschön aufgeschlitzt ist, ignoriert er gekonnt. Ebenso wie die Tatsache, dass diese tiefen Kratzer von meiner Klaue stammen.

Normalerweise bin ich in meinem Verhören sehr geduldig, human, aber dieser Dschinn reizt mich bis ins Mark.

„Joe, beruhig dich.", grummelt es dunkel neben mir. Mein Partner Casimir, seines Zeichens Wandler, spielt in dieser Konstellation den guten Cop.

Ich dagegen?

Naja.

Ich spiele nicht nur den bösen Cop. Ich bin das böse Monster, vor dem sich alle zu fürchten haben. „Du weißt ganz genau, was diese menschliche verbale Grütze mit mir macht.", fahre ich ihn gereizt an.

Seine Augen funkeln mir in der Dunkelheit wie kleine Chrysolithen entgegen. Ein helles Grün mit einem Hauch von Gelb.

Cas seufzt und wendet sich an den Dschinn, dessen Blut weiter auf den erdigen Boden tropft. „Hör mal..." Er macht eine fragende Geste.

„Daniel.", stellt sich das Wesen mit Namen vor und schluckt nervös.

„Okay, Daniel. Du weißt, wer wir sind, oder?"

Daniel nickt zögernd.

„Und du weißt, was meine Kollegin Joe hier," Er deutet auf mich. „für ein Wesen ist?"

Aus dem Augenwinkel kann ich sehen, wie Daniel mich mustert. Ungeduldig beiße ich die Zähne zusammen und meine aufkeimende Wut verursacht, dass mein Geweih langsam aus meinem Kopf hervortritt und wächst.

Sofort nickt Daniel wieder. „Ja. Ja! Ich weiß, was sie ist.", ruft er hektisch und macht das erste Mal anstalten abhauen zu wollen. Doch der Bannkreis verhindert dies erfolgreich. Ein leises Zischen ist zu vernehmen, als Daniel mit dem Rücken an die Markierung kommt und sich verbrennt. „Fuck..."

In mein Gesicht schleicht sich indessen ein kleines Lächeln. Nur noch ein bisschen.

„Dann weißt du sicher auch, was mit einem Wendigo passiert, wenn ihre wahre Natur zum Vorschein kommt. Oder, Daniel?" So ruhig, wie Cas spricht, will ich nicht in der Haut des Dschinns stecken. Dem Wandler geht ebenfalls die Geduld aus. Gut.

Endlich drehe ich mich in meiner überragenden Größe zu dem Dschinn um. Mit weit aufgerissenen Augen starrt er mich an. beobachten, wie ich weiterwachse. Wie das Geweih auf meinem Kopf spitz und gefährlich wird. Wie meine Klauen an Schärfe und Tödlichkeit gewinnen. Wie meine Augen die Wärme seines Körpers, seines lebenden Fleisches wahrnehmen. Wie ich seinen Puls immer schneller in seiner Halsschlagader pochen sehen kann.

„Sag uns, wo die Körper sind und ich überleg es mir noch mal dich zu verfluchen.", flüstere ich und gehe vor dem Dschinn in die Hocke. Trotz meiner niederen Körperhaltung bin ich physisch in meiner realen Gestalt groß genug, dass ich über Daniel hinwegschauen kann. „Ein kleiner Biss und dein Gesamter Clan ist dem Tode geweiht...", hauche ich bedrohlich.

Cas zuckt unbekümmert mit den Schultern. Ihm ist es gleich, ob Daniel tot oder lebendig aus dieser Sache kommt, solange er uns verrät, wo sein Nest und die damit verschwundenen Menschen, ihre Nahrung, verscharrt sind.

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