Joe
Draußen ist es bereits dunkel, als ich mich mit Xavier in meinen Wagen setze und wieder aufs Revier fahre.
„Hältst du das wirklich für eine gute Idee?", höre ich ihn leise neben mir fragen, als ich die Hauptstraße runter presche und die letzte Kurve nehme, um auf dem Parkplatz meine Stammlücke zu füllen.
Ich lache abfällig, ziehe den Schlüssel aus dem Zündschloss und schnalle Xavier und mich in einer Handbewegung ab. „Als ob das jetzt noch eine Rolle spielt.", gebe ich abfällig zurück und sehe ihn mit großen Augen an. „Da gibt es deutlich wichtigere Dinge, um die wir uns sorgen sollten, findest du nicht auch?"
Er nickt und folgt mir brav in das alte Reviergebäude. Wir schleichen uns an der Anmeldung an Dori vorbei, die mir automatisch zunickt und lautlos grüßt. „Er hat keine besonders rosige Laune, Süße.", ruft sie mir noch flötend hinterher und ehe ich nachfragen kann, wen sie meint, laufe ich geradewegs in meinen Vorgesetzten rein.
Ein dumpfes Keuchen entweicht mir, während Gideon gerade so seine Brille zurück auf seine Nase schieben kann, bevor sie völlig aus seinem Gesicht und damit zu Boden fällt.
Er sieht mich an, wie einen streunenden Hund, der ihm gerade vor die Füße gekackt hat. „Was willst du denn hier?", fragt er mindestens genauso genervt, wie sein augenrollender Blick vermuten lässt. „Du hast hier nichts verloren."
„Solange ich nichts Schriftliches bekomme, kann ich an meinen Schreibtisch kommen, wann ich will." Ohne ihm Zeit für eine Antwort zu lassen, schiebe ich mich an ihm vorbei und zerre Xavier dank unserer Verbindung hinter mir her.
Sanft, aber bestimmt, schiebe ich ihn auf meinen Platz und weise ihn an dort zu bleiben.
„Ich habe fünf Meter Puffer, korrekt?"
Er nickt. „Mit etwas Mühe kann ich dir vielleicht sogar mehr geben.", fügt er hastig hinzu und schaut mit seinen blauen Augen zu mir rauf.
Ich schüttle abwehrend den Kopf. „Fünf Meter sollten für dieses Gespräch reichen."
Mit strammen Schritten stampfe ich in das Büro von Gideon, schließe hinter mir die Tür und schaue meinen Chef verbissen an. „Wir müsse reden."
„Oh nein, du willst doch nicht kündigen, oder?" Aus der hintersten Ecke kommt Ivan hervor geschlichen und streift um meine Beine. Ohne seinen Partner zu beachten, legt er eine Pfote an die Tür und wirkt einen Zauber. „Ich denke mal, dass dieses Gespräch unter sechs Augen stattfinden soll."
Meinem Nicken folgt ein tiefes Seufzen. Und weil mich meine innere Unruhe fast wahnsinnig macht, setze ich mich kurzerhand auf einen der freien Stühle vor Gideons Schreibtisch.
„Also...?" Die Sünde faltet seine Hände und stützt sein Gesicht gemütlich darauf ab, als würden wir uns über zukünftige Urlaubsplanungen unterhalten.
Ivan dagegen setzt sich kerzengrade neben mich, schnurrt leise, was meine Nerven etwas beruhigt.
„Es ist diese Verbindung.", fange ich schließlich an, zögernd, weil ich nicht sicher bin, wie ich es beschreiben soll. „Sie geht tiefer, als wir vorerst vermutet haben."
„Was meinst du damit?" Gideons Blick wird offener, neugieriger, aber auch vorsichtiger.
„Sie sind körperübergreifend." Nervös knete ich meine Finger, kann das Monster in mir leise Wimmern hören, weil die Angst tief in mir nicht von meiner Seite kommt, sondern von dem Jungen. Ich atme tief durch, bevor ich nach den richtigen Worten suche. „Wir sind nicht nur physisch . Seine Emotionen werden auf meine übertragen. Ich bin nicht mehr Herr meiner eigenen Gefühle. Wenn er lacht, dann lache ich auch. Wenn er angst hat, habe ich auch angst. Wenn er wütend wird, dann..."
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Mirage
FantasyDas Leben als Wendigo ist die reinste Hölle. Besonders, wenn man seinen Appetit nicht unter Kontrolle hat. Dies wird sich Joe in ihrem letzten Fall wieder schmerzlich bewusst gemacht, als sie abermals ihren Hunger nicht im Zaum halten kann. Als ihr...