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Thomas Avery klammert sich an sein Lenkrad, als würde sein Leben daran hängen. Es ist die reinste Genugtuung ihn so leiden zu sehen.
Nach all den Jahren endlich den Mut aufzubringen, ihm zu sagen, was er meiner Schwester angetan hat und was ich dafür von ihm verlange, müssen die reinste Folter für ihn sein.
Ich habe es tatsächlich genossen, zu sehen, wie seine Augen sich bei meinem Geständnis geweitet haben. Wie sein Schweiß nach Panik roch. Wie sein Herzschlag sich nicht mehr beruhigte vor Angst.
Dieser Mann hat endlich den nötigen Respekt vor mir und alles, was es brauchte, war die Offenbarung, dass er meine kleine Schwester auf dem Gewissen hat. Das er mir ein Leben für ein Leben schuldet, sollte das Mindeste sein.
Wann ich diese Schuld einfordern werde? Ich weiß es nicht. Aber die Nacht ist ja noch jung und die Welt fängt gerade erst an verrückt zu spielen.
„Bist du dir sicher, dass du den Weg kennst?" Mein Blick geht starr durch die Frontscheibe auf die leere Straße. Ich wundere mich schon gar nicht mehr darüber, warum wir die einzigen auf dieser verlassenen Spur sind.
Es ist ein offenes Geheimnis, dass gerade magische Wesen das Anwesen von Elysium meiden. Und Menschen haben im Regelfall keine Kontaktpunkte mit dieser Organisation, solange sie nicht in das Jäger-Business geboren werden.
Avery gibt ein leises Knurren von sich und biegt in eine Seitenstraße ein. Büsche und Äste kratzen über den Autolack und die Fensterscheiben des Wagens. „Ich habe zwei Drittel meines Lebens mit diesen Menschen verbracht. Wenn einer weiß, wo sie sich aufhalten, dann ja wohl ich.", gibt er grantig zurück, prescht an den Pflanzen am Straßenrand vorbei und bremst nur wenige Meter vor einem eisernen Tor. „Wir sind da..."
Ich brauche einen Augenblick, um mich zu sammeln. Ohne auf eine Anweisung zu warten, löse ich den Sicherheitsgurt, steige aus dem Wagen und stelle mich direkt vor das Tor, das von wilden Ranken umschlungen ist. Rote Rosen zieren das Gestrüpp und überdecken fast einen kleinen Kasten direkt vor mir.
Eine Gegensprechanlage.
Ich werfe Avery über meine Schulter einen kurzen Blick zu, warte seine Reaktion ab, als dieser sich aus seinem Wagen bequemt und neben mir stehen bleibt.
„Willst du lieber mit ihnen reden?", frage ich und deute auf die Anlage.
Er schüttelt den Kopf. „Selbst im Auftrag des Gesetzes werden sie nicht mehr mit mir sprechen wollen. Für sie bin ich ein Verräter. Ein Ausgestoßener."
Ich muss mir ein Schmunzeln verkneifen. Dieser Mann hat ja keine Ahnung, wie Recht er mit seiner Aussage hat. Ob ihm wenigstens im Ansatz bewusst ist, wie sehr er mit seinem Verhalten die Wesen in seiner Gegenwart verärgert?
Ich drücke den Knopf der Gegensprechanlage, bis ich ein Knacken gefolgt von einem elektronischen Rauschen vernehmen kann.
„Wer ist da?", ertönt eine nasale Männerstimme.
Ich sehe vielsagend Avery an, der nur mit den Schultern zuckt und die Augen verdreht.
„Ähm, mein Name ist Casimir Foster. Ich komme im Auftrag von Superbia und würde gerne mit Ihrem Vorgesetzten sprechen, wenn das möglich wäre."
Wieder dieses Knacken und für einen Augenblick denke ich, dass die Person am anderen Ende einfach verschwunden ist, bis es erneut knackt und eine andere Stimme zu hören ist. Dieses Mal scheint es sich um eine Frau zu handeln: „Guten Tag, Mr Foster. Normalerweise lassen wir Beamte nur nach Vereinbarung eines Termins auf unser Grundstück, aber wenn Superbia Sie persönlich geschickt hat, können wir sicher eine Ausnahme machen." Die Frau räuspert sich und anschließend kommt das Tor mit einem mürrischen Rattern in Bewegung. „Bitte folgen Sie dem Kiesweg bis zum Eingang. Dort werde ich Sie erwarten."
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Mirage
FantasyDas Leben als Wendigo ist die reinste Hölle. Besonders, wenn man seinen Appetit nicht unter Kontrolle hat. Dies wird sich Joe in ihrem letzten Fall wieder schmerzlich bewusst gemacht, als sie abermals ihren Hunger nicht im Zaum halten kann. Als ihr...