4. Kapitel

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Joe

Wenn dies die Höhle ist, verstehe ich nicht, worüber sich alle immer beschweren. Um mich herum ist es kuschelig, in weiter Ferne kann ich die Wälder aus meiner Kindheit riechen und wenn mich nicht alles täuscht, streichelt eine große Hand liebevoll meinen Kopf.

„Hey, Sonnenschein. Da bist du ja wieder." Cas kniet neben mir im Bett und tätschelt tatsächlich meine Haare. Streicht sanft über meinen Nacken und lässt dort seine Hand ruhen. „Wie geht's dir?"

Noch etwas unkoordiniert fasse ich mir ins Gesicht. Reibe mir die Augen und versuche meinen Blick auf meine Umgebung zu fokussieren. „Was ist denn passiert?"

Wie ungewöhnlich brüchig meine Stimme klingt. Als habe ich tagelang weder gesprochen noch Flüssigkeit zu mir genommen.

„Das hat dich ganz schön aus den Schuhen gehauen, was?"

Mein Blick huscht zum anderen Ende des Schlafzimmers. Nate hockt mit seinem Equipment auf dem Boden und untersucht scheinbar Blutproben.

Ich verstehe nicht, was hier vor sich geht und allem Anschein nach, bekomme ich jetzt auch noch höllische Kopfschmerzen. Genervt massiere ich mir die Nasenwurzel und kneife die Augen schützend vor der Helligkeit zusammen.

„Wo... wo ist Neil?", will ich wissen. Ich kann ihn weder hören noch riechen.

„Den habe ich erst mal zu Adam geschickt.", sagt Cas neben mir nüchtern. „Gideon meinte, wir sollten ihn in Sicherheitsverwahrung bringen. Aber Nate meinte, dass von ihm keine Gefahr ausginge."

„Keine Gefahr?" Ich stocke und allmählich kommen die Erinnerungen wieder.

Bilder flackern in meinem Hinterkopf auf, wie Neil sich mit seinen Fangzähnen in meinen Hals rammt. Wie er nicht aufhören kann mein Blut zu trinken. Und wie ich mein eigenes Blut probiere und feststellen muss, dass...

„Ich bin menschlich!", platzt es aus mir heraus und die Blicke der beiden Männer richten sich auf mich.

Cas festigt den Griff um meinen Nacken während Nate mir zulächelt.

Er hält eine seiner Phiolen mit Blut hoch, schwenkt sie kurz gegen das Licht, schnuppert daran und schnalzt zufrieden mit der Zunge. „Nicht menschlich!", ruft er gewonnen und wendet sich an mich. „Du musst dir keine Sorgen machen. Dein Blut mag jetzt sehr menschlich schmecken, aber es blieb ein kleiner Rest Magie in ihr. Es wird einige Zeit dauern, bis sie sich wieder vollständig aufgefüllt hat und du wirst dich so lange nicht in deine Wendigo Form verwandeln können. Aber, und das ist dir wahrscheinlich am wichtigsten, du bist kein Mensch."

Erleichtert lehne ich meinen Kopf gegen das Kopfteil des Bettes und atme erleichtert auf.

„Wie lange wird es wohl dauern, bis Joe wieder einsatzfähig ist?" Cas nimmt seine Hand aus meinem Nacken und fährt sich durch seine braunen Locken. Erst jetzt fällt mir auf wie blass er um die Nase ist und seine Augen wirkten auch gerötet.

„Ach, bloß ein paar Tage.", winkt Nate ab, als würde es sich um eine Kleinigkeit handeln. „So lange solltest du allerdings auf die Gesellschaft von einem gewissen Bluttrinker verzichten. Oh, und es wäre nicht verkehrt, wenn Cas bei dir bleiben würde. Nur zur Sicherheit."

„Ich bin also kein Mensch. Aber hilflos wie einer. Willst du mir das sagen?"

Nate schürzt die Lippen und sieht mich mitleidig an.

Sofort zeige ich mit dem Finger auf ihn. „Lass das!", drohe ich. „Die Schnute kannst du dir sparen."

Resignierend massiere ich mir erneut die Nasenwurzel, versuche meine Gedanken zu sortieren. „Was passiert jetzt mit Neil?"

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