7. Kapitel

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Joe

Zurück in meiner Wohnung angekommen, ist es aufgeräumter, als ich es heute Morgen verlassen habe. Was ist nur in meiner kurzen Abwesenheit passiert?

Ein Blick in meinen Kühlschrank verrät mir, dass jemand bereits die menschlichen Einkäufe erledigt hat. Die unteren Fächer sind gefüllt mit frischem Obst und Gemüse, selbst ein Päckchen Milch ist in dem Türfach zu finden. Und auf meiner Arbeitsplatte liegen gut ein halbes Dutzend Pakete mit Nudeln, Reis und Saucen in Gläsern.

Etwas verdutzt wende ich mich an Xavier, der bloß mit den Schultern zuckt. „Wenn du das nicht warst, wer dann?", frage ich in den Raum und suche aus reiner Neugierde die restlichen Räume ab. Bis auf die menschliche Nahrung hat sich allerdings nichts geändert.

Das große Bett in meinem Schlafzimmer sieht unberührt aus, das Wohnzimmer wirkt etwas staubbefreiter als sonst. Aber es gibt keine weiteren offensichtlichen Veränderungen.

„Na dann, fühl dich wie zu Hause." Ich mache eine ausladende Geste mit dem Arm und lasse mich im gleichen Atemzug auf meine Couch fallen.

Xavier überlegt nicht lange und ich kann ihn dabei beobachten, wie er erst seine Jacke ablegt und dieser schlanke Junge in einem schwarzen Hemd und Jeans etwas verloren vor mir steht, bis ich ihm den freien Platz neben mir anbiete.

„Tut mir leid, dass du wegen mir nicht arbeiten darfst." Er sieht mich dabei nicht an, knetet nervös seine Finger bis ich meine Hand auf seine lege und mein Blick sich entspannt.

„Die paar Tage mehr, machen den Braten jetzt auch nicht mehr fett. Und wer weiß, vielleicht tut mir dieser Zwangsurlaub sogar ganz gut." Ich sehe mich in meinem eigenen Wohnzimmer um, suche etwas, ohne es zu finden und komme zu dem Entschluss: „Wer weiß. Vielleicht lerne ich ja sogar neue Dinge kennen."

„Dann bist du mir wirklich nicht böse?" Es erstaunt mich, wie vorsichtig dieser Junge sich vortastet. Es ihm tatsächlich wichtig ist, was ich von ihm halte.

Ich ziehe ein Bein hoch, um es anzuwinkeln, positioniere mich im Schneidersitz und wende mich so zu Xavier. „Wir sind ja jetzt unter uns." Unsere Blicke treffen sich und ein seltsam warmes Gefühl durchfährt meinen Körper, als mich diese blauen Augen ansehen. Erwartungsvoll und irgendwie voller Hoffnung. „Wusstest du, was du tust, beziehungsweise welche Konsequenzen es haben wird, als du den Bindungszauber gewirkt hat?"

Getroffen senkt er den Blick, weicht damit meinem aus und nickt kaum sichtbar mit dem Kopf. Wieder knetet er seine Finger, weiß nicht, wohin mit seiner Aufregung, seiner Angst, seinen Gedanken.

Erneut lege ich dieses Mal beide Hände auf seine, suche seinen Blick, versuche keine Wertung in meine Worte zu stecken: „Ich möchte bloß wissen, warum du es getan hast. Ich wünsche mir, dass wenigstens eine Person in meinem Umfeld ehrlich zu mir ist und meine aktuelle Menschlichkeit nicht mit Schwäche verwechselt."

„Du bist nicht schwach, Joe." Seine Stimme ist so leise, dass ich selbst in der Stille meiner Wohnung genau hinhören muss, um ihn zu verstehen.

Er hebt den Kopf und sieht mich direkt an. Und mir fällt sofort dieser seltsame Glanz in seinen Augen auf. Der gleiche Glanz, als er in dem Gartenhaus seine Hand um meinen Hals gelegt hatte und mich würgte. Neugierde spiegelt sich in seinen bisher so sanften Gesichtszügen wieder.

Aber da ist noch etwas.

Etwas, dass ich nicht deuten kann.

„Was hat dir Avery genau über mich erzählt, bevor ihr unser Büro betreten habt?"

Ein Lächeln zupft an seinem Mundwinkel und ich kann genau erkennen, dass er kurz davor ist, seine Augen zu verdrehen. „Nicht viel. Bloß, was du bist und, was du die letzten Tage durchgemach hast..."

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