9. Kapitel

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Avery

Es ist bereits später Nachmittag als ich mich mit dem Wandler Casimir in meinen Wagen setze und aus der Parklücke fahre.

Dass mir Gideon ausgerechnet die pelzige Flohschleuder an die Seite gegeben hat, mag mir im ersten Moment nicht gepasst haben, aber ich bin trotzdem guter Hoffnung, dass sich der Hüne von einem Mann mit seinen Fähigkeiten als nützlich erweisen wird.

Unruhig fummelt er an dem Saum seines Pullovers und schaut gebannt auf die Straße. „Ich mag dich nicht.", sagt er mit einem Seitenblick zu mir und weicht aus, bevor unsere Blicke sich treffen können.

„Ich weiß.", antworte ich gedehnt. Klinge unerwartet ruhig. Ich möchte ungerne einen Streit mit Casimir Foster vom Ast brechen. Eine gezielte Verwandlung und dieses Tier von einem Mann könnte mich in der Luft zerreißen. Nicht, dass ich Angst vor ihm hätte. Aber eine gesunde Portion Respekt sollte man jedem Wandler entgegen bringen.

Das wurde mir schon als Kind beigebracht. Gestaltwandlern sollte man immer mit Anstand gegenüber treten. Umso weniger verstehe ich, warum dieser Wandler mich so zu hassen scheint. Wir hatten nie groß miteinander zu tun und ich habe ihn nie beleidigt oder dergleichen. Und trotzdem mag er mich nicht.

Versteht mich nicht falsch. Ich lege keinen allzu großen Wert auf seine Zuneigung. Es würde mich nur interessieren, was ich ihm angeblich getan habe.

„Du erinnerst dich nicht, oder?", fährt er mir in meine Gedanken, sodass sich unsere Blicke doch treffen, weil ich ihn ungläubig ansehe. „Straße.", winkt er ein und deutet vor uns. Fast wäre ich in den Gegenverkehrt gerutscht.

Ich stoße einen tiefen Seufzer aus. „Also gut, ich beiße an." Ich konzentriere meinen Blick auf die Landstraße vor uns. Nehme mir vor, mich dahingehend nicht mehr ablenken zu lassen. „Wieso magst du mich nicht?"

Aus dem Augenwinkel kann ich erkennen, wie er die Fäuste ballt und den Saum seines Pullover so völlig zerknittert.

Ich muss zugeben, dass ich den Gerüchten erst nicht glauben wollte. Dass Casimir Foster eine sensible Seele sei und sehr emotional gesteuert. Allein diese Geste lässt mich ihn in einem anderen Licht sehen. Ob es zu seinen Gunsten ist, wird sich noch herausstellen.

„Du hast wirklich keine Ahnung.", spricht er mehr zu sich selbst als zu mir und rafft seinen Pullover zurecht. „Vor nicht ganz fünf Jahren gabs einen Fall von einer illegalen Wandlerversammlung, auf die du angesetzt wurdest, weil Joe und ich aufgrund von Interessenskonflikten uns nicht einmischen durften."

In den Tiefen meines Unterbewusstseins scheint etwas zu klicken und ich erinnere mich an den Vorfall. Über zwei Dutzend junger Wandler hatte sich zusammengerauft und eine unangemeldete Party gestartet. Das ganze wäre halb so wild gewesen, wenn nicht Menschen involviert gewesen wären. Teenager, die untereinander Mutproben absolvierten und die Wandler in ihre naiven Prüfungen einbezogen.

„Menschen wurden verletzt. Kinder.", denke ich laut und mein Griff um das Lenkrad wird fester.

„Die Wandler waren im Vergleich zu den Menschen nicht viel älter. Es handelte sich um Waisen, die sich zum Feiern verabredet hatten und etwas Spaß zusammen haben wollten."

„Einer der Kinder hat seinen Arm verloren, weil er nicht glauben wollte, dass Bären so stark seien."

„Ja..." Im Augenwinkel kann ich erkennen, wie Cas den Kopf senkt und seine Stimme leiser wird. „Es sind an diesem Abend viele Fehler passiert, die mit der richtigen Aufsicht hätten verhindert werden können."

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