Aufbruch

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Ich schlug die Augen auf. Es dauerte eine Weile bis ich mich an das helle Licht gewöhnt hatte und mich umblicken konnte.
Ich lag in einem Bett aber es war nicht mein eigenes.
An den vielen Kräutern und an dem würzigen, aber doch geheimnisvollen Duft schloss ich daraus, dass ich noch bei Bertha sein musste.
Die Sonne stand schon ziemlich hoch am blauen Himmel. Einzelne Wolken wanderten in Richtung Norden.

Ich spürte immer noch diesen pochenden Schmerz auf meiner Hand. Vorsichtig schaute ich nach. Auf meiner Handfläche lagen seltsame Blätter die mit einem Tuch um meine Hand festgehalten wurden.

Langsam richtete ich mich auf. Meine Glieder schmerzten. Aus einem Fenster hörte ich laute stimmen. Ich ging auf das kleine runde Fenster zu und spähte interessiert hinaus.
Ein Soldat hielt meinen Bruder fest...
Ich schrie auf. Wie konnten sie ihn finden? Hoffnungslos musste ich mit zuschauen, wie sie ihn in Ketten legten und mitnahmen. Sie nickten dem Mann mit dem Federhut zu, der zufriedene das nicken erwiderte. Ich verfluchte die Soldaten und den Treiber.  Kleine Tränen rannten meine Wangen hinunter und tropften leise auf die Fensterbank. Mein Herz fühlte sich auf einmal so leer an. Ich verfluchte den König und seine Armee. Sofort wollte ich rausrennen und ihm helfen doch verzweifelt musste ich mir eingestehen das es keinen Sinn machte.
Ich schaute ihm gequält nach. Ich wünschte ich hätte mich verabschieden können...

Nach 10 Minuten konnte ich wieder klar denken. Ich wollte sofort nach Hause zu Mutter und sie in den Arm nehmen. Ich wusste wie sehr sie jetzt weinen würde...

Ich hörte zwei Stimmen, die leicht genervte aber doch ruhige und friedliche Stimme konnte ich sofort Bertha zuordnen, doch die andere war mir fremd. Sie klang so hass und Schmerz erfüllt das es mir ganz kalt wurde. aber trotzdem war sie so rein, entschlossen und vertraut das mir warm ums Herz wurde.
Ich folgte den Stimmen bis ich in Berthas Esszimmer war. Die alte Frau sah's auf einem Stuhl und schaute das junge Mädchen das ihr gegenüber sah's ernst an. Sie hatte ich gestern ins Haus ziehen müssen..
das Mädchen trug einen dunkelgrünen Mantel dessen Kapuze ihre Augen verdeckte. Lange braune Haare fielen ihr über die Schulter. Sie waren geschickt an manchen Stellen geflochten und hatten Federn und Perlen als schmuck. Das Gesicht war marklos und die schmalen Lippen hatten ernste Züge. Die braunhaarige trug ein schwarzes Gewand ohne Ärmel, einen braunen Gürtel mit einer Schwertscheide und einem Dolch. Neben ihrem Stuhl lehnte ein Köcher und ein langer mit mustern verzierter Bogen.

"Da bist du ja Ginny" Bertha klang ernst...zu ernst. Langsam setzte ich mich auf einen der freien Stühle. Ich vergaß für einen Moment Ben als ich in den Ausdruck von Bertha sah.

"was ist los?" Fragte ich so leise und so vorsichtig wie nur möglich. Bertha atmete schwer und ich hatte die Befürchtung sie würde jeden Moment losschimpfen.

"du musst fortgehen Ginny" ich erstarrte. Das konnte nicht stimmen ich wollte lachen doch ich wusste das es kein Scherz war.

"wieso?" Ich versuchte mich zu beherrschen aber meine Stimme zitterte und ich war wieder den Tränen nah. Bertha nahm meine verbundene Hand, das Mädchen betrachtete uns nur ausdruckslos. Sie wickelte das Tuch ab. Ich verzog das Gesicht. Es schmerzte so sehr, doch der Schmerz war wie weggeblasen als ich sah was mit meiner Hand passiert war. Der schweiß lief mir die Stirn runter und ich konnte nichts sagen.

Auf meiner Handfläche wär eine Karte eingebrannt! Dunkelrote Linien waren deutlich erkennbar aber trotzdem konnte ich die Karte nicht lesen. Viele kleine geschwungene Runen verliefen entlang der Linien.

Ich drehte meine Hand um. Ich ertrug diesen Anblick nicht. Ich bekam einen würgreitz.

"was ist das?" Fragte ich langsam und betonte jedes Wort. Bertha kratze sich am Kopf. Dann räusperte sie sich.

"Nun naja... die Karte der schwarzen Armee und das ist auch der Grund warum du fliehen musst. Du muss so schnell wie möglich Weg von hier." Ich schüttelte den Kopf. Ich konnte nicht weg, ich war hier aufgewachsen und was war mit meiner Familie? Ich konnte sie nicht einfach so im Stich lassen.

"ich werde die Karte geheim halten. Ich werde immer Handschuhe anhaben" versprach ich.

"Ginny du weist das geht nicht. Seit wann nimmt man ein Tier mit Handschuhen aus ? Und vor allem du weist wie unser Dorf ist. Entweder verbrennen sie dich oder sie liefern dich dem König aus." mir schauderte es. Unser Dorf hatte große Angst vor allem unbekannten...

"Meine Familie! Kann ich mich noch verabschieden und alles erklären ?"

"Nein! Sie dürfen da nicht mit reingezogen werden. Es ist zu gefährlich für sie."

Ich wusste das Bertha recht hatte aber ich konnte und wollte es einfach nicht zugeben!

"was nun?" Fragte ich nur.

"du verlässt sofort das Dorf. Eure Pferde sind schon gesattelt und dein Proviant ist schon gepackt."

"eure Pferde?" Das braunhaarige Mädchen erhob sich und nickte. Erst jetzt sah ich an ihrer Schulter den Verband. Er war schon leicht rot gefärbt.

Völlig verwirrt folgte ich den zwei zum Hinterausgang. Zwei große stattliche Pferde standen draußen. Einer war ein Fuchs und feuerrot, der andere ein Friese.

"woher hast du sie?" fragte ich Bertha verwundert. Ich strich dem rotem über das weiche Fell.

"ich habe sie gekauft aber keine sorge du kannst mir das Geld irgendwann zurückgeben." sie deutete auf den roten. " Das ist Feuerwind und der andere Schattenstern. Es sind ausdauernde, und schnelle Tiere. Gebt auf sie acht." sie reichte mir die Zügel von Feuerwind und lächelte leicht.
"geb gut auf dich Acht Ginny. Du ahnst ja nicht was für eine große Bedeutung du jetzt für ganz Ethádien bist." ihre Augen füllten sich mit Tränen. Ich stieg auf das Pferd. Bertha gab mir zwei lederne Handschuhe.

"und du kümmere dich gut um meine Familie." Tränen rollten mir über das Gesicht als ich an meine Familie dachte. Wie es meiner Mutter das Herz brechen würde, wenn ich nicht mehr da wär. Doch es war zum Wohle meiner Familie. Der Gedanke ,das der König uns nur weiter unterdrückte war schlimm genug um alles dafür zu geben, dass es sich änderte, auch wenn ich dafür meine Familie verlassen musste. Ich wollte meinen Bruder zurück und mich am König Rechen, dass er ihn uns weggenommen hatte...

Die RebellinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt