11. Kapitel

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"Ich hoffe, du hast nichts gegen ein Doppelzimmer?", fragt Leo und zieht grinsend seine Augenbrauen in die Höhe. Wie bitte?! Doch bevor ich irgendetwas einwenden kann, hat er schon den Zimmerschlüssel von der Rezeptionstheke genommen und zieht mich hinter sich her zum Treppenhaus.
"Moment mal!", rufe ich als wir die ersten Stufen hinaufgehen. "Das kannst du nicht machen! Hey! Ich habe ein Mitspracherecht, verdammt nochmal!" Doch ich bekomme nur ein Lachen als Antwort. "Das ist nicht fair!"
Schließlich stehen wir dann vor unserem gemeinsamen Zimmer. Eww, wie das schon klingt. Als wären wir ein altes verheiratetes Ehepaar. "Leo, lass mich los.", fordere ich ihn auf. Er öffnet die Zimmertür und zerrt mich mit sich in den Raum hinein, erst dann lockert er den Griff um meinen Oberarm. "Ist das dein Ernst? Hast du Angst vor dem Alleinsein oder was?" Leo wirft seinen Rucksack aufs Bett und dreht sich mit verschränkten Armen zu mir um. "Nein. Aber du vielleicht." Ich lache auf. "Sehr wtzig. Um das nicht zu vergwssen: Ich bin allein von Zuhause abgehauen, du brauchtest eine Begleitperson - mich. Alleine hast du dich wohl nicht getraut." "Ist dir nicht mal der Gedanke gekommen, dass ich vielleicht auch niemals abghauen wäre, wenn ich dich nicht kennengelernt hätte? Vielleicht sind wir jetzt nur auf dem Weg nach Hamburg, weil ich dich beschützen möchte. Weil ich dir gegenüber ein Pflichtgefühl habe." "Stop!", unterbreche ich ihn. "Sag jetzt nicht, meine Eltern haben dich beauftragt meinen Bodyguard zu spielen!" Leo beginnt zu lachen. "Glaubst du echt, dann würden die noch zur Polizei gehen und eine Großfahndung nach dir starten?" Ich seufze auf. Stimmt ja. Ich bin eine von der Polizei Gesuchte. Ich setze mich erschöpft aufs Bett. Ein Doppelbett um genau zu sein - wer hätte das jetzt gedacht?
"Also das Bett gehört mir. Du kannst auf dem Boden schlafen.", sage ich mit einem zuckersüßen Lächeln als hätte ich gerade angeboten ihm 10.000 Euro zu schenken. Ich lege mich ausgestreckt auf das Bett, damit er möglichst keine Gelegnheit hat, sich darauf zu platzieren. Seinen Rucksack werfe ich einfach auf den Boden.
"Das kannst du vergessen.", grinst Leo. Dann beginnt er plötzlich, seine Jacke auszuziehen und daraufhin sein T-Shirt. "Was wird das?", frage ich, statt wegzugucken, weil ich meinen Blick einfach nicht von ihm lösen kann. "Ich ziehe mich um. Solltest du vielleicht auch tun. Oder willst du in Straßenklamotten schlafen... gemeinsam mit mir?", sagt er und kommt auf mich zu. Ich glaube, das sollte wohl verführerisch klingen. Und soll ich ehrlich sein? Das tut es auch. Ich starre auf seine Lippen, wie hypnotisiert.
Als er direkt vor mir steht, seine Schienbeine berühren schon meine, die vom Bett herunterbaumeln während ich immer noch liege, redet er mit einem Grinsen weiter: "Willst du wissen, was ich denke, Alice?" Ich bin unfähig zu antworten. "Ich glaube, du stehst auf mich." Erst realisiere ich nicht, was er sagt, doch dann stehe ich ruckartig auf, um mich gegen seine Aussage zu wehren.
"Was? Wie kommst du jetzt darauf?!" Ich suche eine Fluchtmöglichkeit, um den Raum zu verlassen. Das Badezimmer!
Leo lacht nur. "Ich denke ich mache nächstes Mal ein Foto, wenn du mich wieder so anstarrst." Ich habe ihn angestarrt? Ich habe ihn gar nicht angestarrt! Was bildet der sich eigentlich ein?! Ich muss weg von hier! Schnell krame ich ein paar Klamotten aus meinem Rucksack hervor und verschwinde damit im Badezimmer. "Bild dir ja nichts ein!", rufe ich ihm noch zu, bevor die Tür hinter mir ins Schloss fällt.

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Ich steige aus der Dusche und greife nach meinem Handtuch, das ich mir um den Körper wickele. Dann stelle ich mich vor das Waschbecken und lasse eiskaltes Wasser über mein Gesicht laufen um mich zu entspannen. Ich schließe die Augen und seufze. Als ich sie wieder öffne sehe ich plötzlich ein Gesicht hinter mir im Spiegel und schreie auf.
Kurz darauf werde ich von hinten umarmt und ein raues Lachen ertönt. Erschrocken drehe ich mich in der Umarmung um, immer noch an das Waschbecken gedrückt. "Leo! Du hast mich erschreckt!", versuche ich ihn anzubrüllen aber irgendwie muss ich dabei grinsen. Während er mich weiter auslacht, schlage ich ihn auf die Brust. Seine Hände liegen auf meinen Hüften. "Wie kommst du überhaupt hier rein? Ich habe doch..." "Dir ist wohl in deiner Eile entgangen, dass das Schloss kaputt ist. Du bist schließlich so schnell vor mir weggelaufen, um nicht zugeben zu müssen, dass du auf mich stehst.", grinst Leo bösartig. Aaargh! Ich hasse ihn!
Ich schlage ihn erneut gegen die Brust, diesmal heftiger. "Hey, womit habe ich das verdient?", lacht er gespielt beleidigt. "Ich habe nicht dafür gesorgt, dass wir in ein Zimmer mit einem defekten Badezimmerschloss kommen." "Lass mich los", erwidere ich daraufhin, nachdem ich ihn noch mehrmals geschlagen habe und wende meinen Kopf zur Seite, um mein Lachen zu verbergen. "Und dafür, dass du eindeutig auf mich stehst kann ich auch nichts." Okay. Jetzt reicht's aber. Ich befreie mich aus seinem Griff und flüchte zum anderen Ende des Badezimmers. "Komm mir nicht zu Nahe. Ich habe nur ein Handtuch an." Hätte ich das vielleicht lieber nicht sagen sollen? Denn Leo kommt auf einmal mit einem Riesengrinsen auf mich zu, bleibt dann aber an dem Stuhl neben mir stehen, schnappt sich meine Klamotten und verschwindet wieder im Schlafzimmer, bevor ich überhaupt reagieren kann.
Nein! Nein!! Bitte nicht! Jetzt stehe ich hier tatsächlich nur in Handtuch und muss zuerst zu Leo rausgehen, um mich wieder ankleiden zu können. Ich schlage mir mehrmals mit der flachen Hand gegen den Kopf. Wieso bin ich nicht früher hinter seine Absichten gekommen?
Dann gehe ich genervt zur Tür und schiebe meinen Kopf durch den Spalt. "Kann ich bitte meine Sachen wiederhaben? Das ist nicht witzig." "Nein.", bekomme ich als Antwort vom Bett aus. Leo liegt gechillt neben einem Berg von Klamotten (meinen Klamotten!) und tippt auf seinem Handy rum. "Komm und hol sie dir."
Ich verdrehe die Augen und gehe zögerlich auf ihn zu, weil ich noch misstrauisch bin. Damit ich nicht über ihn steigen muss, um an meine Klamotten zu gelangen, gehe ich auf die andere Seite des Bettes und klettere darauf. Als ich fast nach meinem T-Shirt greifen kann, zieht Leo die Klamotten plötzlich weg und lacht mich aus, als ich auf meinem Bauch lande. "Ich hasse dich.", stöhne ich genervt in die Bettdecke.
Wie gut, dass wir uns erst in dem Hotel auf einer Raststätte befinden und wir hier nur eine Nacht verbringen müssen. In Hamburg werde ich mir ein Einzelzimmer nehmen.
"Oh nein. Ist das kleine Mädchen nicht an ihre Sachen rangekomen? Brauchst du eine Runde Mitleid?", lacht er. Das Lachen klingt rau und sexy, aber darauf kann ich mich jetzt echt nicht konzentrieren.
Ich springe von der einen Sekunde auf die andere auf ihn und erwische endlich meine Sachen. Als ich mich gerade umdrehen und wieder im Badezimmer verschwinden will, werde ich von Leo festgehalten, indem er die Arme um mich schließt. "Aha. Plötzlich so stürmisch? Ich habe mich immer gefragt wie es sein würde wenn du dich an mich ranmachst." Er grinst. Sein Gesicht befindet sich nur wenige Zentimeter vor meinem und ich kann seinen Atem spüren. "Ich versuche mich gar nicht an dich ranzumachen. Hör endlich mal damit auf, dich als unwiderstehlich Sex-Gott darzustellen. Und jetzt nimm deine Griffel von mir.", fauche ich. Leos Grinsen wird größer. "Oh. Ein böses Kätzchen in meinen Armen. Das heißt du gibst zu, dass du im Zusammenhang mit mir schon mal an den Begriff Sex-Gott gedacht hast?" Er zieht die Augenbrauen fragend in die Höhe. "Hattest du auch noch andere Fantasien?"
Jetzt reicht es aber. Ich schlage wütend um mich und versuche mich aus seinem starken Griff zu befreien, aber ich scheitere. Seufzend verdrehe ich schließlich die Augen und mir bleibt nichts anderes übrig als auf ihm liegen zu bleiben. "Du bist unfair."
Irgendwie wird mir plötzlich schlagartig bewusst, dass er kein T-Shirt trägt. Mein Kopf schnellt nach oben und das ganze Ich-versuche-mich-aus-seinem-Griff-zu-befreien geht wieder von vorne los. Doch Leo hat wohl anderes im Sinn, denn er dreht mich plötzlich um, sodass ich unter ihm liege.
"Leo", jammere ich. "Ich trage immer noch nichts abgesehen von dem Handtuch. Wann checkst du's endlich? Lass mich doch wenigstens Unterwäsche anziehen. Und gib mir ein Messer, dann wird es ein fairer Kampf." "Soll ich dir vielleicht dabei helfen, deine Unterwäsche anzuziehen?", fragt Leo daraufhin in einem Flüsterton und beugt seinen Kopf noch näher zu meinem. Ich würde niemals zugeben, dass er mich nervös macht, aber genau das ist gerade der Fall. Ich atme überhaupt nicht mehr. Ganz ehrlich - ich wundere mich, warum ich noch nicht tot und erstickt bin. "Ist das ein Ja?", deutet er mein Schweigen und beginnt langsam, mein zusammengeknotetes Handtuch zu öffnen.

Zu Kopf gestiegen (ON HOLD)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt