13. Kapitel

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Einige Stunden später befinden wir uns in Hamburg. Der Himmel ist inzwischen nachtschwarz, doch Leo wollte nicht Rast machen, ehe wir weit genug von unserem letzten Aufenthaltsort entfernt waren. Wir halten im Innenhof eines Hotels, das nahe am Fluss gelegen ist.
Als wir zum Empfang gelangen, werden wir informiert, dass (mal wieder) so gut wie alle Zimmer belegt sind. Aber zumindest beinhaltet das letzte frei Zimmer hier zwei Einzelbetten. Über das Schicksal erfreut, betrete ich das Zimmer nach Leo. Es ist lange nicht so schön wie das im Hotel Joyce in Berlin, jedoch ist es groß und bietet somit ausreichend Freiraum. Und diesen werde ich hier dringend benötigen. Von der langen Fahrt bin ich ziemlich erschöpft, und werfe daher meinen Rucksack in eine Ecke neben dem Bett, das links im Zimmer steht, und werfe mich daraufhin auf die Matratze. "Bist du etwa müde?", werde ich von der anderen Person im Raum gefragt. "Du nicht?", erwidere ich und vergrabe mein Kopf in dem weichen Kissen. Endlich. Dieses Gefühl, liegen und endlich ausruhen zu dürfen nachdem man stundenlang wach sein musste.. es fühlt sich unglaublich an. Noch dazu der kalte Fahrtwind und die leichten Schneeflocken, die nahezu die ganze Fahrt über fielen. Glücklicherweise ist das Wetter in Hamburg besser. Kein Schnee, keine Kälte - sondern eher Frühlingswetter. Das Blühen der Blumen kann man sogar im Dunkeln erkennen, die Bäume grünen bereits. Doch darüber kann ich mir auch morgen Gedanken machen, denn jetzt will ich schlafen!
"Ich dachte, wir wollten uns nach der Ankunft noch zu zweit etwas vergnügen.. du weißt schon, so als Belohnung." Ich verdrehe die Augen und werfe Leo einen bösen Blick zu. "Belohnung wofür?" "Ich habe dich den ganzen Weg hierher gefahren, glaubst du, ich habe dafür keine Belohnung verdient?" Er schnieft theatralisch, kommt zu meinem Bett rüber und geht vor mir in die Hocke. "Du bist endlich weit weg von deiner Familie. Die dich bei einem Allergieanfall auf Erdbeereis alleine lässt.", er zwinkert mir kurz zu, "Und ich soll etwa leer ausgehen?" Er sieht mich mit einem gespielt traurigen Blick an. "Du wolltest auch abhauen - und du hast dein Ziel erreicht. Was willst du mehr?", erwidere ich darauf. "Dich."
Ich setze mich auf, jetzt sichtlich verwirrt. "Was?" "Ich will dich." Ich weiche ein Stück zurück und sehe ihn genervt an. "Leo, verzieh dich. Ich bin echt müde und jetzt einfach nicht für deine Scherze aufgelegt." Doch er ignoriert meine Aussage und verschränkt nur seine Arme, um diese dann auf meinem Bett zu platzieren. "Komm schon", bettelt er während er zu mir aufblickt. "Nur ein Kuss." "Nein!", erwidere ich energisch und greife nach meinem Kopfkissen, um ihn damit zu schlagen. Doch er wehrt es mit einem Arm ab und nimmt es mir daraufhin aus der Hand als wäre es ein Leichtes für ihn, obwohl ich mit ganzer Kraft zugeschlagen habe. "Du willst es doch auch", sagt er mit rauer Stimme, nachdem er das Kissen einfach hinter sich auf dem Boden abgelegt hat. Ich verdrehe die Augen erneut. "Aus welchem Grund sollte ich dich wollen?", frage ich angreifend. "Sieh mich an, das reicht schon.", antwortet er mit einem dämlichen Grinsen im Gesicht.
In diesem Moment stelle ich mir eine für die Menschheitsgeschichte SEHR BEDEUTENDE Frage: Wie viel Einbildung kann ein Mensch haben?!
Ich springe aus dem Bett und breche in schallendes Gelächter aus. "Ja genau", bekomme ich nach einiger Zeit heraus, in der Leo mich nur mit leicht verwirrtem Ausdruck gemustert hat. "Das tue ich und ich würde dich am liebsten in einen Keller sperren. Oder sonst wie loswerden, ohne dass du wiederkommen könntest."
Ich glaube, das war ziemlich angreifend, und doch steht Leo mit einem Grinsen im Gesicht auf. Wieso grinst er?! "Du willst mich also in einen Keller sperren? Das ist ja überaus interessant.. Was willst du denn dort mit mir anstellen, wenn du mich erst eingesperrt hast? Du hast mich dann ja schließlich ganz für dich allein. Das ist es doch, was du willst, oder?"
Oh Mann, wie kann man eine Aussage nur so extrem falsch verstehen? "Ich will nichts mit dir anstellen", kläre ich auf. "Ich will dich dort einsperren und dann verschwinde ich, um dich ja nie wieder zu Gesicht bekommen zu müssen." "Das würdest du nicht tun." Er kommt einen Schritt auf mich zu. "Du würdest es nicht übers Herz bringen, mich alleine zu lassen." "Ach ja?", verspotte ich ihn. "Wir können es ja ausprobieren." Leo blickt mir in die Augen. Er sagt gar nichts mehr, sondern blickt mir einfach nur in die Augen.
Plötzlich kommt er auf mich zu und hebt mich hoch, während er "Wir können etwas anderes ausprobieren" murmelt. Er wirft mich über seine Schulter und ich beginne lauthals loszuschreien. "Lass mich runter!" Ich versuche, ihn zu treten und zu boxen, während er einfach nur lacht. Er lacht mich aus - was fällt ihm eigentlich ein?!
Leo lacht mich aus, während ich einfach weiterschreie (ich musste nur einmal kurz Luft holen), und irgendwann lässt er mich schließlich runter.
Er drängt mich gegen eine Wand und hält meine Handgelenke fest. "Du bist so süß, wenn du wütend bist", lächelt er.
Ich versuche ihn gegen die Schulter zu schlagen und mich aus seinem Griff zu befreien, doch er lässt es nicht zu. Während sein Gesicht sich meinem nähert, werfe ich ihm vor: "Leo, das kannst du nicht tun. Das ist Belästigung und ist strafbar." "Nur wenn es nicht mit gegenseitiger Einwilligung geschieht." Ich sehe ihm mahnend in die Augen. "Wenn du mich jetzt küssen würdest..." "Ja, das will ich gerade tun." "Das ist gegen meinen Willen! Du kannst hier nicht einfach meine Bewegungsfreiheit einschränken und dann etwas tun, von dem du glaubst, dass ich es auch will!" "Ich glaube es nicht nur, ich weiß es. Ich kann es in deinen Augen sehen." Sein Gesicht kommt noch näher. Seine grünen Augen stören meine Konzentration. Trotzdem rede ich unbeirrt weiter. "Ach, du kannst jetzt auch in meinen Augen lesen? Jetzt kann nicht nur ich das, sondern auch du?" Ich verdrehe die Augen und versuche mit aller Kraft, mich nicht von ihm beeinflussen zu lassen. Von seiner Nähe. Von seinem Atem auf meiner Haut. "Genau", wispert er und seine Lippen nähern sich meinem Hals.
In dem Moment klopft es an der Tür.
Na endlich! Wo war diese Person vor 5 Minuten? Wieso ist sie erst jetzt da? Jetzt wird Leo gezwungen sein, die Tür zu öffnen.
Doch er tut das Gegenteil. Seine Lippen treffen einen Punkt in meiner Halsbeuge, der meine Augen schließen lässt. "Leo, du musst die Tür öffnen", befehle ich widerstrebend. Doch er macht einfach weiter und beginnt, seine Lippen an meinem Hals zu bewegen. Erneut mache ich den Versuch, ihn von mir wegzuschieben.
Gleichzeitig ertönt eine Stimme von draußen. "Seien Sie leiser! Hier versuchen einige zu schlafen!", ertönt eine wütende männliche Stimme.
War mein Schreien etwa so laut, dass es andere Leute geweckt hat?
Leo küsst immer noch meinen Hals weiter entlang, bis die Stimme von draußen weiterredet: "Machen Sie die verdammte Tür auf!" Erneut wird heftig geklopft.
Leo entfernt sich von mir, lässt meine Handgelenke schließlich los. Seine Wut lässt seine Hand gegen die Wand schmettern. Sein Blick zeigt, dass er ganz und gar nicht damit einverstanden ist, unterbrochen zu werden.
Die Zeit, die er braucht im zur Tür zu gehen, nutze ich um in mein Bett zu gelangen, das Kissen aufzuheben und mich unter der Decke zu verstecken.
Erleichtert atme ich aus, während Leo beginnt, eine lautstarke Diskussion mit dem Mann vor der Tür zu führen.
Doch davon bekomme ich nicht viel mit, denn ich schließe meine Augen und versuche, den Moment gerade zu vergessen.
Und schließlich gewinnt die Müdigkeit Oberhand.

Zu Kopf gestiegen (ON HOLD)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt