Tenth Satisfaction: Versteckspiele

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Die Untersuchung von dem Arzt war entgegen meinen Erwartungen relativ schnell über die Bühne gegangen.
Kühlen, ruhig stellen und Hochlagern. Dass war das, was er gesagt hatte. Dann hatte er mich noch darüber belehrt, dass ich aufpassen musste und selbst nach einer Abheilung nicht gleich zu viel herum springen sollte, da im Nachhinein wohl noch chronische Schäden entstehen konnten. So richtig hatte ich das nicht verstanden.
Auch Kyousuke, der die ganze Zeit neben mir gesessen hatte, hatte als nur genickt.
Ich fragte mich ja, woher Martha den Arzt kannte. Vermutlich war er ein Bekannter von ihr, der wohl öfters aushalf.
Seufzend lag ich hier nun auf dem Bett. Der Arzt hatte meinem Fußgelenk einen Verband verpasst, der wohl helfen sollte, meinen Fuß zu stabilisieren. Außerdem hatte er ein paar Beutel mit einer Flüssigkeit dagelassen, die beim Kühlen halfen.
Mehrere Wochen Bettruhe waren für mich vorgesehen und allein der Gedanke daran, ließ mich aufstöhnen.
Ich würde mich zu Tode langweilen!
„Jetzt weißt du zumindest, wie ich mich während meiner Erkältung gefühlt habe, Ryoko-chan."
Kyousuke hatte recht. Das wusste ich nun. Dennoch...
„Nur, dass deine Erkältung nicht lange ging. Ich darf jetzt hier... keine Ahnung, wie viele Wochen dumm herum liegen, du Schlaumeier."
Kyousuke stupste mir mit seinem rechten Zeigefinger auf die Nase, was mich blinzeln ließ.
„Das überstehst du schon. Die anderen und ich halten dich schon davon ab, vor lauter Langeweile zu sterben." er lachte kurz und mir stieg die Hitze ins Gesicht.
„M-Mit was denn, bitte?", antwortete ich und versuchte dabei gewohnt grantig zu klingen. Ich drehte meinen Kopf zur Seite.

Martha, die das Zimmer verlassen hatte, kam mit einem großen Teller wieder, auf dem Sandwiches lagen.
Endlich etwas zu essen!
„Hier. Bedient euch, ihr zwei.", sagte sie freundlich.
„Danke.", kam es von mir und Kyousuke mal wieder Synchron, was Martha zum Lachen brachte.
Sie verließ das Zimmer wieder und ich griff nach einem der Sandwiches.
Im selben Moment, wie Kyousuke es auch tat, so dass sich unsere Hände berührten.
Ich sah ihn an, so wie er mich ansah.
Minutenlang. Ich konnte wahrnehmen, wie er schluckte. Beinahe in Zeitlupe und auch ich schluckte.
„Nimm du es!"
Wieder Synchron.
„Nein, du!"
Ich musste fast lachen. Das war ja schon beinahe wie in einem dieser Schnulzfilme.
Wieder sahen wir uns an.
Auch Kyousuke grinste verlegen.
Vorsichtig legte er eine Hand an meine Wange und ich schluckte erneut.
Mein Herz klopfte laut gegen meine Brust.
„K-Kyou-" Weiter kam ich jedoch nicht, weil Kyousuke mir das Sandwich in den Mund gesteckt hatte. „Hier, iss."
Etwas perplex biss ich ab und hielt den Rest von dem belegten Brot in meiner Hand.
„I-Idiot!"
„Was denn? Wenn du es nicht freiwillig nimmst, muss ich dich eben füttern."
Ich schnaubte nur, nahm ein anderes Sandwich und stopfte es ihm ebenso in den Mund.
„Jetzt hältst du wenigstens mal die Backen!"

„Stören wir gerade?"
Crow hatte die Tür geöffnet und schielte durch den Türspalt. Hinter ihm konnte ich Jack und Yuusei erkennen.
Ich schüttelte den Kopf. „Nö. Kommt ruhig rein."
Die romantische Stimmung sah sich nun eh die Radieschen von unten an.
Crow öffnete die Tür richtig und trat mit den anderen herein.
Jack sah zu uns, während er im Stehen aus einer Packung Cup-Ramen futterte und glückseliger wirkte, als ich ihn je gesehen hatte. Dass er überhaupt mitgekommen war, lag wohl nur daran, dass er gerade im siebten Himmel zu schweben schien. Ich war mir nicht einmal sicher ob er uns überhaupt wirklich ansah. Vermutlich hatte Crow ihn einfach mitgezogen.
„Wie verlief die Untersuchung? Ist es arg schlimm?", fragte Yuusei neutral.
Kyousuke, der gerade heruntergeschluckt hatte, sah zu ihm. „Es ist zum Glück keine allzu schwere Verstauchung, aber die Bänder wurden schon etwas überdehnt, keine Ahnung."
„Ich kann selbst reden!", gab ich schmollend von mir.
Yuusei sah von Kyousuke zu mir. Er konnte sich selber wohl ein Lächeln nicht verkneifen und auch Crow grinste. „Zumindest scheint die große Klappe zurück zu sein. Haben uns schon Sorgen gemacht, nach dem, was gestern passiert ist."
Er wandte sich an Jack. „Nicht wahr?"
Jack jedoch reagierte nicht.
„Vergiss es, Crow. Der ist gerade mit der Liebe seines Lebens vereint.", sagte Kyousuke.
„Halt die Klappe, Crow.", hatte ich noch entgegnet, musste dann aber lachen. „Der Liebe seines Lebens?"
„Ja. Wir sind uns schon alle sicher, dass Jack irgendwann mal eine Packung Cup-Ramen heiratet."
Crow grinste und stieß dabei Jack seinen Ellenbogen in die Rippen, wodurch ein Teil der Suppe über den Packungsrand schwappte und diese Jack beinahe aus den Händen fiel.
Jacks Blick veränderte sich von einer Sekunde zur nächsten von verträumt zu tödlich.
„Crow..."
Das Funkeln in seinen Augen war eindeutig und Crow trat lieber einige Schritte weit weg aus Jacks Nähe. Yuusei griff sich kurz an den Kopf. „Leute, können wir das jetzt vielleicht sein lassen?"

Jack funkelte Crow noch eine Weile an, aber aß dann friedlich den Rest, der noch übrig geblieben war, während Crow sich langsam wieder etwas näher traute.
Yuusei sah zu Kyousuke. „Ich wollte nur wissen, was wir jetzt machen, so lange Ryoko ausfällt. Sollen wir erst einmal warten?"
„Redet nicht immer von mir, als wäre ich nicht da.", murmelte ich mit halb vollem Mund und schluckte den Rest von meinem Sandwich herunter. Seufzend starrte ich zur Zimmerdecke. „Von mir aus könnt ihr ruhig ohne mich weiter machen. An mir soll's nicht scheitern ... Immerhin habt ihr vorher ja auch alles ohne mich gemacht, bevor ich dazugestoßen bin..."
„Vergiss es!" Kyousukes eindeutige Stimme ließ mich zusammenfahren. „Ohne dich machen wir gar nichts! Immerhin sind wir ein Team! Und du bist auch Mitglied dieses Teams, Ryoko-chan!"
Er hatte seine Hände an meine Schultern gelegt.
„Aber... Aber wer weiß, wie lange ich noch nutzlos bin? In der Zeit könntet ihr schon zehn weitere Duel Gangs platt machen.", entgegnete ich stur.
Kyousuke sah mir ernst in die Augen. „Sag nie wieder, dass du nutzlos bist. Wir machen weiter, wenn du wieder gesund bist. Ende der Diskussion!"
Geschlagen von der Endgültigkeit in seiner Stimme, nickte ich nur.
Jetzt fühlte ich mich schon wieder schlecht.
„Du bist wirklich nicht nutzlos für uns, Ryoko.", hörte ich Yuusei sagen. „Tut mir Leid, wenn es eben so rüber kam, als wärst du ein Klotz am Bein. Das bist du nicht. Wenn Kiryuu sagt, wir warten, dann tun wir das auch. Ich wollte nur seine Meinung hören."
Ich drehte meinen Kopf in Yuuseis Richtung und versuchte zu lächeln. „Danke, Yuusei-kun..."
„Yuusei hat recht und Kiryuu auch. Wir machen nichts ohne dich. Also guck jetzt nicht so. Du brauchst dich wirklich nicht schlecht zu fühlen.", hörte ich auch Crow sagen.
Jack blickte nur flüchtig zu mir. „Ich hab auch kein Problem damit, zu warten."
„Gut. Dann ist ja alles klar...", sagte Kyousuke und legte kumpelhaft einen Arm um mich, was mich gefühlt wieder erröten ließ. „Ich lass doch keinen meiner Freunde einfach zurück. Merk dir das mal, Ryoko-chan."

Zeit konnte oft schneller vergehen, als man glaubt. Trotz, dass ich Anfangs echt vermutet hatte, ich würde mich zu Tode langweilen, so tat ich es am Ende doch nicht.
Kyousuke wich kaum eine Sekunde von meiner Seite und tat wirklich alles, damit es mir nicht zu öde wurde.
Jack schielte auffällig oft in mein Zimmer, wenn er nicht gerade von Crow mit herein geschleift, meist noch in Begleitung von Yuusei.
Martha sah jeden Tag nach mir und brachte mir und Kyousuke etwas zu Essen und nach ein paar Wochen durfte ich auch vorsichtig wieder versuchen, zu laufen.
Auch mit den anderen Kindern, die hier noch lebten, freundete ich mich nach und nach an. Viele waren noch sehr jung. Großteils sogar jünger als ich.
Zum ersten Mal seit etlichen Jahren, hatte ich das Gefühl, wieder eine Familie zu haben. Ein Zuhause. Ich verschwendete keinen Gedanken daran, dass dieses idyllische Leben eines Tages ein Ende haben würde.

Ich spielte gerade Verstecken mit ein paar der jüngeren Kinder.
Mit dem Gesicht zur Wand stehend, zählte ich langsam von zehn hinunter.
Meinem Fuß ging es schon viel besser, aber ich musste immer noch darauf achten, nicht zu fest aufzutreten.
„Drei, Zwei, Eins... Bereit oder nicht, ich komme euch jetzt holen!", rief ich durch den leeren Flur und drehte mich um.
Vorsichtig sah mich um. Noch konnte ich nirgends eine auffällige Haarspritze oder etwas anderes verräterisches finden.
Ich lauschte, in der Hoffnung vielleicht ein unterdrücktes Kichern wahrzunehmen, aber nichts. Die kleinen Racker waren wirklich clever.
Ich lief weiter, sah hinter jeder Kommode nach, in jedem Schrank.
Das erste Kind, ein kleines Mädchen, fand ich schließlich hinter der Treppe im Keller versteckt.
Die Kleine schmollte kurz. „Och, menno! Mein Versteck war gut!"
„Aber nicht gut genug.", gab ich leicht grinsend zurück und wuschelte der Kleinen durch ihre blonden Haare.
Ich ging mit ihr weiter nach oben, wo ich einen, der kleinen Jungs laut nörgeln hören konnte und folgte dem Gemecker.
Es führte mich in das Wohnzimmer und schnell erkannte ich den Grund.
„Mou! Onii-chan, du bist voll gemein!"
Kyousuke stand da und hatte sich den Kleinen geschnappt. Unschuldig grinsend sah er zu mir. „Du hast doch nichts dagegen, wenn ich mitspiele, oder?"
Ich sah zu dem Jungen und dann wieder zu Kyousuke. „Du hättest ja auch vorher mal fragen können, anstatt dich einfach einzumischen.", erwiderte ich mit hochgezogener Augenbraue.
Der Kleine rannte sofort zu mir. „Onee-chan! Kiryuu-Onii-chan ist unfair!"
Ich wuschelte ihm über den Kopf. „Der ist nicht unfair. Der ist einfach nur blöd.", antwortete ich trocken.
Kyousuke kratzte sich verlegen am Hinterkopf. „Sorry. Dachte, es wäre okay, wenn ich einfach mitmache. Hab gerade nichts zu tun und du weißt ja: Ich hasse Langeweile. Also darf ich? Bitte."
Ein Seufzen entfuhr meinen Lippen. Ich sollte nicht in diese Augen sehen. Wirklich nicht. Und gerade schaffte er es tatsächlich einen solchen Welpenblick aufzusetzen, dass ich nicht nein sagen konnte. Konnte ich so oder so nicht, aber SO erst recht nicht.
„Von mir aus. Wenn die Kids nichts dagegen haben. Aber hör auf mich SO anzusehen!", antwortete ich verlegen. Bestimmt sah ich wieder aus, wie eine Tomate.
Mein Herz machte gerade wieder einen Salto Mortale nach dem anderen und die Schmetterlinge in meinem Bauch schienen als neues Hobby Bungee-Jumping zu haben.

Kyousuke strahlte. Sein Lächeln ließ mein Herz erst recht schneller schlagen.
Gemeinsam mit ihm führte ich meine Suche fort.
Die drei anderen Kinder hatten sich weniger gute Verstecke gesucht, wie wir schnell feststellten.
Hinter der Küchentür zu stehen, war nicht unbedingt optimal und Kyousuke durfte das arme Mädchen trösten, dass nun eine Beule an der Stirn hatte und ihm die Ohren voll heulte.
Beim nächsten Mal würde es sich sicher ein anderes, sicheres Versteck suchen.
Ein anderes Kind hatte sich unter meinem Bett im Krankenzimmer versteckt und das Letzte hatte eine ganz besondere Versteckstrategie, die mich und Kyousuke zum Lachen brachte.
Der kleine Junge lief die ganze Zeit hinter Jack her. Zugegeben, bei Jacks Größe konnte man sich wirklich sehr gut hinter ihm verstecken. Bemerkenswert war aber auch, dass Jack seinen kleinen Verfolger die ganze Zeit nicht bemerkt hatte.
Erst dann, als wir uns den Kleinen schnappte,
„Kiryuu, Ryoko, was treibt ihr hier eigentlich?", fragte er und sah mit hochgezogener Augenbraue erst zu mir, dann zu Kyousuke und dann zu dem kleinen Jungen.
„Verstecken spielen. Hast du Lust, mit zu machen?"
Jack bedachte Kyousuke mit einem Blick, als wäre dieser verrückt geworden.
„Seh' ich so aus? Ich bin keine keine Zehn mehr."
„Och. Dabei macht das Spaß. Ist mal was anderes, als sich immer nur zu duellieren.", sagte ich.
Jack wandte sich mir zu. Er schien ernsthaft zu überlegen.
„Ich bin schlecht im verstecken.", sagte er schließlich, was Kyousuke grinsen ließ. „DAS glaub ich dir aufs Wort."
Ich sah kurz zu dem kleinen Jungen, der sich meine Hand geschnappt hatte und drehte dann meinen Kopf wieder in Jacks Richtung.
Ein leichtes Grinsen umspielte meine Lippen und ich boxte ihm sanft gegen seinen Arm. „Na dann... darfst du eben mal der sein, der sucht."
Für einen Moment wirkte Jacks Gesichtsfarbe leicht rosa und ehe er reagieren konnte, hatte ich mir schon Kyousuke geschnappt. „Nicht vergessen, Jack! Mit dem Kopf zur Wand und bis zehn laaangsam runterzählen!", rief ich noch.
„Das weiß ich! Ich bin doch nicht blöd!", hörte ich seine Stimme noch hinter uns und ging einen Gang entlang, wo ich Kyousukes Arm losließ.
Kyousuke grinste wieder. „Seit wann seid du und Jack plötzlich so dicke?"
„Sind wir doch gar nicht.", gab ich trocken zurück.
„Stehst du etwa plötzlich auf ihn?" Kyousuke knuffte mich in die Seite und ich starrte ihn an. „A-Aber sonst geht's dir noch gut!?"
Ich steh nicht auf Jack! Ich steh auf dich, du Vollhonk!
Zumindest hätte ich das am liebsten gesagt. Aber ich tat es nicht. Ich traute mich einfach nicht, es Kyousuke zu sagen.
Für einen Moment hatte ich das Gefühl, eine Spur von Eifersucht in Kyousukes Gesicht entdeckt zu haben, aber vermutlich irrte ich mich.
„Ich bin dann eben mal weg. Verstecken und so.", antwortete ich schnell und ließ Kyousuke mit dem Kind zurück.
Vorsichtig schlich ich mich weiter und betrat die Küche. Allerdings versteckte ich mich nicht hinter der Tür, sondern fand mein Versteck in einem der unteren Schränke von der Theke. Direkt unter der Spüle. Neben meinem Kopf war das Abflussrohr, das leise gluckerte, links von mir ein Beutel Kartoffeln.

Ich vernahm Schritte draußen und grinste in mich hinein. Jack würde mich sicher nie finden.
Zumindest war ich mir relativ sicher, dass er erst einmal nach offensichtlicheren Verstecken suchen würde.
Ich kauerte mich etwas mehr zusammen und lehnte mich gegen die Wand. Klein zu sein hatte durchaus wirklich viele Vorteile.
Ein plötzliches Geräusch ließ mich jedoch aufzucken.
Es waren keine Schritte von außerhalb der Küche, sondern kam direkt aus der Küche und klang wie splitterndes Glas.
Was war hier los? Hatte eines der Kinder, die draußen spielten, es fertig gebracht, einen Fußball durch das Küchenfenster zu schießen?
Ein weiteres Geräusch ertönte. Dieses Mal ein eher dumpfes, als wäre jemand von etwas heruntergesprungen.
Ich hörte eine Stimme leise fluchen. Vorsichtig öffnete ich einen Spalt von der Schranktür und erstarrte. Es war das Mädchen von Team Zombie!
Diese kleine Mistkröte war einfach eingebrochen?!
Mir schwante nichts gutes. Ich beobachtete die Kleine und entschied mich, ihr unauffällig zu folgen. Ein Angriff aus dem Hinterhalt wäre bei dieser Rotzgöre das Beste.
Natürlich blieb dieses kleine Ekelpaket nicht lange unbemerkt und meine inneren Alarmglocken schlugen an, als ich Marthas Stimme vernahm.
„Wer bist du denn? Was machst du hier?", hörte ich sie fragen, gerade als ich aus der Küche heraus geschlichen war.
„Ich wollte nur ein paar Freunde meines großen Bruders besuchen, die hier leben.", hörte ich das kleine Biest mit zuckersüßer Unschuldsstimme sagen. Ich schielte um die Ecke und schluckte. Diese kleine Göre hielt doch tatsächlich ein Butterfly-Messer hinter ihrem Rücken versteckt.
Verdammt! Ich musste Martha irgendwie warnen.
„Freunde von deinem großen Bruder?"
„Ja, so ein Kerl mit schwarzen Haaren, ein großer blonder, dann so ein etwas kleinerer mit orangenen Haaren und dann..", begann das kleine Miststück.
„Ach, du meinst Yuusei, Jack und Crow. Ich kann dich ja zu ihnen bringen. Wer hat dich eigentlich herein gelassen?"
„Uhm, eines der Kinder hier. Verzeihen Sie, dass ich so unangemeldet hier bin. Ich weiß, das macht man eigentlich nicht, aber es ist echt wichtig."
„Wichtig?"
Martha drehte sich um. „Nun ja. Ich bring dich erst einmal zu Ihnen."
Ich entschied mich zu handeln und sprang mehr oder weniger aus meiner Ecke hervor. „Martha-san, passen Sie auf!"
Martha zuckte zusammen und sah zu mir. „R-Ryoko-chan?"
Das Mädchen zuckte auch auf und fuhr mit dem Messer in der Hand zu mir herum.
„Du!"
Martha bemerkte nun auch das Messer, aber ich stürzte mich schon einfach auf das Mädchen und versuchte ihr die Waffe aus der Hand zu reichen.
„Ryoko-chan, was tust du da!", stammelte Martha und fiel beinahe auf ihren Hintern vor lauter Schreck.
Der Lärm hatte auch die anderen hellhörig gemacht und Yuusei, so wie Crow kamen angelaufen.
„Was ist hier los?"
Yuusei rannte sofort zu Martha. „Martha, alles in Ordnung?" Er sah zu mir. „Ryoko!"
Ich rollte immer noch mit meiner Gegnerin auf dem Boden herum und hatte es geschafft, ihre Handgelenke zu greifen.

Das hielt sie jedoch nicht davon ab, zu versuchen, mir mit dem Messer ernsthafte Verletzungen zuzufügen.
Auch Jack, der Kyousuke im Schlepptau hatte, kam schließlich an. „Was zum..."
„Ryoko-chan!" Kyousuke wollte uns natürlich gleich auseinander bringen, was aber unmöglich war.
„Bleibt wo ihr seid!", fauchte ich. Aktuell lag ich unten. Das Mädchen war stark, keine Frage. Immer wieder stach sie zu, aber ich rollte mich halb weg und trat meiner Gegnerin mit meinem rechten Knie in den Unterleib, was diese aufkeuchen ließ. Ich stürzte mich erneut auf sie und versuchte das Messer zu greifen.
Ein scharfer Schmerz breitete sich in meiner rechten Wange aus, als sie mich damit erwischte. Blut tropfte auf den Boden, aber ich gab nicht auf.
Ich zog an ihren zerzausten, schwarzen Haaren, was sie aufschreien ließ und sie zog auch an meinen Haaren.
„Ich mach dich fertig, du Schlampe! Dich und deine Freunde! Dafür, was ihr meinem großen Bruder und unserer Gang angetan habt!", fauchte sie.
„Ach ja!? Ihr wart es doch, die mich wie irre Freaks lebendig begraben wolltet!"
Das Messer verfehlte nur knapp meinen Hals und ich ließ ihre Haare los und verpasste ihr einen Schlag mitten ins Gesicht, als ich die Gelegenheit dazu ergreifen konnte. Und dann noch einen.
„Niemand bedroht meine Freunde!"
Meine Gegnerin keuchte und ließ das Messer vor Schreck aus der Hand fallen, deren Gelenk ich wieder umklammert hatte.
Immer wieder schlug ich zu, während ich auf ihr hockte, bis sie schon aus Mund und Nase blutete.
„Niemand! Niemand! Niemand!", fauchte ich dabei immer wieder, bis jemand meinen Arm festhielt.
Ich zuckte auf. Es war Kyousuke. „Das reicht jetzt!" Er sah mir in die Augen und zog mich zu sich. „Du hast gewonnen... Jetzt lass sie. Das wird ihr eine Lehre gewesen sein."
„K-Kyousuke-kun..."
Ich fühlte mein Herzklopfen und langsam wurde mir bewusst, was ich getan hatte. Ich starrte über Kyousukes Schulter zu Martha, die ihre Hände vor ihrem Mund hielt, zu Yuusei, Jack und Crow, die alle einen Gesichtsausdruck zwischen baff und verstört zuzuweisen hatten und ein paar kleineren Kindern, die laut zu weinen begonnen hatte.
Dann sah ich zu dem Mädchen, welches immer noch bewusstlos am Boden lag.
Doch ich spürte in diesem Moment keinerlei Mitleid. Dieses Biest hatte vorgehabt, Kyousuke weh zu tun! Und all meinen anderen Freunden! Und sie hätte auch Martha weh getan.
Allerdings bereute ich mein Verhalten vor den Anderen. Zumindest, dass ich gerade eine Seite von mir gezeigt hatte, die ich an mir selber eigentlich verabscheute. Denn diese Seite war genau das, was ich auch meinem Erzeuger hasste.
Kyousuke ließ mich langsam los und legte seine Hände an meine Schultern. „Das war wirklich mutig, dass du Martha helfen wolltest.", sagte er, aber sein Blick wirkte ausgesprochen ernst. Er stand auf. Ich bemerkte das Messer neben mir, klappte es unauffällig zusammen und verstaute es unbemerkt in meiner Hosentasche.
Martha trat zögerlich zu mir. „D-Danke, dass du mir geholfen hast, Ryoko-chan.", sagte sie und versuchte freundlich, wie immer, zu lächeln. Aber ihre Stimme zitterte. Sie sah zu dem Mädchen, ging zu ihm und hob es auf. „Ich bring das Mädchen ins Krankenzimmer.", sagte sie und lief los.

„Jetzt verstehe ich langsam, warum es immer heißt, nichts ist schlimmer, als eine wütende Frau.", hörte ich Crow scherzend sagen.
Yuusei hatte Martha nachgesehen und sah wieder zu mir. Ich wusste nicht, was er gerade dachte und wollte es auch gar nicht wissen. Ich wollte von Niemandem gerade wissen, was derjenige dachte. Vorsichtig stand ich auf.
Kyousuke hielt mich jedoch fest. „Du bist verletzt.", sagte er und fuhr mit seinem Daumen über meine rechte Wange, die noch immer blutete.
„Ist nur ein Kratzer.", antwortete ich kraftlos und monoton.
Dennoch fühlte ich, wie ich errötete.
„Lass mich das mal ansehen." Er ging mit mir ins Wohnzimmer und setzte sich mit mir dort auf eine Couch.
Kurz sah er zu Jack. „Habt ihr hier irgendwo Watte und Desinfiziermittel?"
„K-Kann sein.", antwortete dieser, als hätte er nicht damit gerechnet, angesprochen zu werden und verschwand aus dem Wohnzimmer.
Kyousuke sah mich weiter an.
„Bist du ... Bist du jetzt böse auf mich?", fragte ich nuschelnd.
Mein schlechtes Gewissen meldete sich nun doch immer stärker.
Kyousuke schüttelte den Kopf. „Nein. Wie könnte ich auch? Du hast nur versucht Martha und auch uns zu beschützen. Wer weiß, was passiert wäre, wenn du nicht bemerkt hättest, dass dieses verrückte Weib hier irgendwie reingekommen ist, um sich zu rächen."
„Schon.. Aber ich... ich... was ich getan hab, war auch nicht in Ordnung."
Ich konnte Kyousuke nur schwer in die Augen sehen.
Er umarmte mich einfach sanft. Verlegen kuschelte ich meinen Kopf an seine Brust und fühlte, wie er mir durch die Haare strich.
„Ich will nicht, dass irgendjemand dir weh tut...", murmelte ich halblaut. Ob er es gehört hatte, wusste ich nicht. Ich bemerkte nur aus den Augenwinkeln heraus, dass Jack wieder da war und wohl schon eine ganze Weile im Türrahmen stand. Er zuckte auf, als er sah, dass ich ihn bemerkt hatte und lief zu Kyousuke und mir.
Kyousuke drückte er schnell die gewünschten Sachen in die Hand und verschwand wieder wortlos.
Kyousuke sah ihm ein wenig baff nach und dann zu mir.
Ich richtete mich wieder etwas auf, während Kyousuke etwas von dem Mittel auf eines der Wattebällchen tropfen ließ und dieses mit einer Pinzette nutze, um meine Wange zu betupfen.
Mit vermutlich hochrotem Gesicht, ließ ich ihn machen.
Autsch. Der Schmerz, durch das Desinfiziermittel war ganz schön widerlich. Es brannte und stank so fürchterlich nach Schnaps, dass mir fast schlecht wurde.
Aber ich nahm das in Kauf. Von Kyousuke so behandelt zu werden, war total süß.

Verlegen blinzelte ich, als er mir noch ein Pflaster auf meine Wange drückte.
„So." Er lächelte minimal was auch mich lächeln ließ.
„Und nun?"
Kyousuke antwortete nicht gleich. Sein Blick war auf den Kalender fixiert, der an der Wand hing.
Ich folgte seinem Blick.
Der 31. Oktober war mit einem dieser roten Plastikdinger versehen, die zeigten, welchen Tag man hatte.
„Heute ist der 31. Oktober, und?", murmelte ich mit fragender Stimme.
Kyousuke sah wieder zu mir und kratzte sich verlegen am Hinterkopf. „Ich hab morgen Geburtstag."
Mir klappte die Kinnlade auf. „Eh... Morgen? Am 1. November?"
Ich hatte nie gefragt, wann Kyousuke Geburtstag hatte. Ich wünschte mir in jenem Moment, ich hätte es mal getan. Schon am nächsten Tag hatte der Kerl Geburtstag und ich hatte nicht einmal ein Geschenk für ihn.
Das hieß, ich musste mir schnell etwas einfallen lassen.
Kyousuke streckte sich leicht. „Ja. Morgen. Oh, tut mir Leid... Ich.. Ich hab dir das noch nie gesagt oder? Wann hast du eigentlich Geburtstag, Ryoko-chan?"
Immer noch etwas geschockt nickte ich. „J-Ja..." Ich fühlte, wie ich wieder rot wurde. „Uhm. Am 10. November."
Kyousuke grinste und zerwuschelte meine Haare. „Cool. Nur neun Tage nach mir."
Ich lächelte nur verlegen. Irgendwie hatte mir diese plötzliche Information die Sprache verschlagen.

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