Stiller Beobachter

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Sein Herz klopfte wild in seiner Brust. Jake war nur ein Katzensprung von Shiwon entfernt, die sich gerade mit Jessy unterhielt. Seufzend lehnte er sich an die Hauswand und spannt seinen Regenschirm auf. Eigentlich sollte er gar nicht draußen sein. Alan hatte ihm untersagt, nach draußen zu gehen, aber die Sehnsucht, Shiwon zu sehen, war einfach zu groß. Sein ganzer Körper kribbelte, sobald er sie nur ansah.

Mh? Was zum? Warum hat denn jetzt Shiwon die Zigarette in der Hand? Jake knirschte mit den Zähnen. Scheiße, Jessica, bring sie doch nicht auf dumme Gedanken. Ist ja schon Mist, dass du rauchst, während sie im Auto sitzt.

Als Shiwon die Zigarette kurz darauf wieder abgab, war Jake erleichtert. Für sie schien Rauchen wohl nichts zu sein und das war gut so – es war mehr als ungesund. Er hasste den Gestank von kaltem Rauch, der ihn immer an seinen Ziehvater erinnerte, den er stets leugnete. Sie waren damals wie Hund und Katz. Mit Adleraugen beobachtete er, wie Shiwon ein Lächeln entwich. Jake prägte sich dieses Bild gut ein. Wer wusste schon, wann er sie das nächste Mal lächeln sehen würde? Ihnen stand eine schwere Zeit bevor, der sie nicht ausweichen konnten. Mit einem eleganten Griff zog er sein Handy hervor und öffnete den Chat mit Jessica:

Jake: Jessica, ich stehe draußen und beobachte euch. Ich habe sonst keine Ruhe. Hast du schon herausgefunden, wo sie wohnt? Oder den Grund erfahren, warum sie es uns verschweigt?

Jessica las die Nachricht, antwortete jedoch nicht. Jake schloss daraus, dass sie es wohl bislang nicht in Erfahrung gebracht hatte. Shiwon war aber auch manchmal ein ziemlicher Dickkopf – das hatte er schon am eigenen Leib erfahren. Gleichzeitig mochte er diese Seite an ihr. Diese unabhängige, starke Seite. Diese Frau ließ sich nichts sagen oder gefallen. Sie war ganz und gar nicht auf den Kopf gefallen. Dass er nicht schlau aus ihr wurde, machte sie nur interessanter für ihn.

Als er wieder zum Wagen blickte, bemerkte er, dass die beiden wohl über etwas zu diskutieren begonnen hatten. Es konnte nur um das Thema gehen, warum sie gestern Shiwon ununterbrochen angerufen hatten: dieser blöde Mistkerl, der sie alle bedrohte. Wenige Sekunden später stieg Shiwon aus dem Wagen in das kalte Nass. Alles in ihm schrie danach, zu ihr zu laufen und den Schirm über sie zu halten. Schließlich würde dieser Regen bald ihre Kleidung durchtränken. Im schlimmsten Fall würde sie sich noch erkälten.

Sein Herz schlug immer stärker, je näher Shiwon kam. Als sie gerade an ihm vorbeilief, konnte er sich nicht mehr halten. Er stieß sich von der Wand ab und erreichte mit großen Schritten seine eine und einzige Liebe auf diesem Planeten. Er schützte sie vor dem Regen, obwohl ihm klar war, dass er wie der größte Stalker überhaupt wirken musste. Zu seiner Überraschung drehte sich Shiwon jedoch nicht um. Hatte sie denn gar keine Angst?

An der Tür des Polizeireviers angekommen, beugte er sich vor und hielt ihr die Tür auf. Dabei stieg ihm der sinnliche Duft von Jasmin und einem Hauch Vanille in die Nase. Das Verlangen, sie einfach zu umarmen, wurde immer größer. Ein gehauchtes „Danke" versetzte ihm den letzten Stoß. Mitten im Türrahmen blieb er stehen, das sanfte Echo von Shiwons Stimme hallte in seinen Ohren wider. Eine Person real zu erleben war etwas ganz anderes, als mit ihr am Handy zu reden. Nach wenigen Sekunden begann sein Hirn wieder zu arbeiten. Er betrat den Empfangsraum und hielt mit etwas Abstand hinter Shiwon. Erst jetzt konnte er sie ein wenig besser betrachten.
Shiwon reichte Jake gerade mal bis zur Brust. Ihr langes, schwarzes Haar reichte ihr bis zum Hintern und war durch den Wind ein wenig zerzaust. Ein Verlangen, ihr durchs Haar zu streichen, kam in ihm auf. Sein Blick schweifte kurz über ihren Körper, bis Shiwon sich umdrehte und sie sich in die Augen blickten. Wie versteinert starrte er in diese moosgrünen Augen.

Verdammt. Sie muss echt denken, ich bin der übelste Perversling! Warum schaltet mein Hirn nur aus, wenn ich sie ansehe? Liegt es vielleicht daran, dass wir uns das erste Mal so richtig sehen?

Hastig lief er zur Doppeltür, die ins Großraumbüro führte. Dort angekommen, setzte er sich an seinen Schreibtisch. Er war sicher, dass seine Wangen rot waren. Nur gut, dass er seine Kapuze so weit wie möglich ins Gesicht gezogen hatte. Das Geräusch einer Tür ließ ihn aufhorchen. Alan, der gerade an seinem Tisch vorbeilief, legte einen kleinen Zettel auf den Tisch, bevor er das Büro verließ.

Es geht los, Jake. Mach also keine Dummheiten.

Das war das Zeichen, dass es nun losging. Zum Glück hatte Alan nicht bemerkt, dass er draußen war, sonst hätte er ihm mit Sicherheit eine Standpauke gehalten.

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Hey! Dieses kurze Kapitel ist entstanden, als ich eine kleine Pause brauchte vom Überarbeiten des nächsten Kapitels. Ihr glaubt gar nicht, wie unzufrieden ich teilweise war, mit dem, was ich geschrieben hatte. Jetzt aber bin ich endlich zufrieden und wollte euch das hier nicht vorenthalten. Ihr bekommt das nächste Kapitel in 2 Tagen, da das hier ja eher ein Zwischenkapitel ist :) Ich hoffe, wir sehen uns auch beim nächsten Kapitel!

Duskwood: Das dunkle HerzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt