Kapitel 28 - Wahre Träume

3 2 0
                                    

Schatten gähnte und streckte sich ausgiebig. Er war sich nicht ganz sicher, was ihn geweckt hatte, der Geruch nach Essen oder das Licht der Morgendämmerung, welches durch die durchsichtigen Wände an der Scheunendecke zu ihm hereinfielen. Klar war aber, dass Laub sich wieder früher aus dem Nest geschält hatte und etwas für sie gejagt hatte. Schatten hatte da ungute Gefühl, dass er sich schuldig fühlte, wegen dem, was Wolke zugestoßen war. Er warf einen Blick auf seine Schwester. Ihre Atmung ging gleichmäßiger, aber sie sah noch immer eher wie ein Haufen Fell, wie eine Katze aus.
-Laub trägt ja Schuld an ihrem Zustand- rief Schatten sich ins Gedächtnis. -Aber er hat erzählt, dass er ihr immer wieder etwas zu essen gebracht hat, wenn Mala und Stern unterwegs waren.-

Zweifel borgten sich wie Dornstacheln in seine Gedanken und er tappte zum Scheuneneingang, vor welchem Laub saß und mit gespitzten Ohren die Umgebung absuchte. „Gab es irgendwelche Hinweise?", wollte Schatten gähnend wissen und Laun schüttelte den Kopf. „Ich bin wie du gesagt hast die Grenzen der Felder abgegangen, die an die Scheune Grenzen, aber da war nur der alte Geruch von ihnen, als sie und verlassen hatten." Er zuckte beunruhigt mit den Ohren. „Ist Wolke schon wach?"
Als Antwort schüttelte Schatten träge den Kopf. „Gehst du nochmal Wasser für sie holen? Ich wecke sie auf und dann können wir gemeinsam essen." Sofort nickte Laub und sprang auf, dann trottete er los zum Bach.

Schatten wandte sich ab. Er war sich nicht sicher, wie lange es anhielt, dass Laub so fleißig war und auf ihn hörte. Seinen jüngeren Bruder. Bislang hielt seine Dankbarkeit und sein Schuldgefühl noch an, aber wenn es schwächer wurde... Schatten verspürte eine gewisse Angst, bei der sich ihm der Pelz sträubte, dass Laub in alte Muster verfallen würde. In Muster, die Mala ihnen allen einreden wollte, vor alle, aber den stärksten. Flamme eines Sterns, Laub das vom Baum fällt und Kralle einer Maus.

-Das hat er nun davon!- fauchte Schatten innerlich und lief eilig zu Wolke. -Alle ihre Jungen haben sie verlassen und verraten, alle außer Flamme.-
Bei dem Gedanken an seine Schwester sträubte er unwillkürlich das Fell, doch als er bei Wolke ankam und sich neben ihr niederließ versuchte er seinen Ärger zu verdrängen. -Jetzt geht es um sie, sie muss wieder gesund werden und sie kann keine weitere Aufregung gebrauchen.-
Schatten fuhr mit seiner Zunge wieder durch ihr Fell, wie er es gestern schon ewiglange getan hatte, und trotzdem klebte noch Dreck in ihrem Fell. Wenigstens war jetzt ihr Kopfbereich und ihr Hals frei von Dreck und Staub und sie hatte frisches Nestmaterial, welches sie auch zwingend nötig gehabt hatte.

Während sich Wolke unter seinen sanften Zungenstrichen regte schweiften Schattens Gedanken weit weg von der Scheune, hinauf in die Berge in die Höhle des ErdClans. -Wie geht es Maus? Wird sie mir verzeihen könne, dass ich sie verlassen habe? So kurz vor einem Moment, der ihr so viel Bedeutet hatte... Wie geht es Himmelspfote? Jagt sie besser? Was ist mit Dämmerpfote? Vermisst er mich? Ist Orangepfote froh, dass ich weg bin? Wie geht es Hüpfpfote? Macht sich Wolkenadler Vorwür...-
Sein Gedankengang wurde jäh unterbrochen als er spürte, wie Wolke sich unter seinen Zungenstrichen anspannte und laut gähnte. „Schatten?", hauchte sie vorsichtig und dieser nickte, bevor er schnell hinzufügte: „Ja, du bist in Sicherheit. Laub kommt und bringt dir Wasser."
„Ich hatte einen verrückten Traum", schnurrte Wolke schläfrig und lehnte sich an ihn. „Ich hab geträumt, du wärst weggegangen und Nacht auch... und dann warst du wieder da und Mala und Stern sind gegangen... Hast du erzählt." Sie stieß ein lauteres, ungläubiges schnurren aus, aber auch dieses klang brüchig. „Kannst du das glauben? Mäusehirnig!" Schatten wusste nicht, was er miauen sollte, doch Wolke schien sein Schweigen Antwort genug.

„Was?" Sie löste sich von ihm und rückte etwas weg, woraufhin sie gefährlich hin und her schwankte und fast zurück in ihr Moosnest gefallen wäre. „Das war..." Sie erstarrte und schnappte nach Luft. Panik ergriff Schatten, was sollte er machen? Er riss die Augen auf und war mit einem Schritt bei Wolke, während sich ihr Pelz sträubte. „Wolke?", jaulte er ängstlich. „Wolke?"
Die Kätzin sank langsam zurück in ihr Moosnest, die Augen weit aufgerissen und noch immer stark hechelnd. Zutiefst beunruhigt legte Schatten ihr eine Pfote auf die Seite, welche sich schnell hob und senkte. Es schien eine Ewigkeit zu vergehen, bevor Wolkes Atmung sich beruhigte und ihre Augen zufielen.

In diesem Moment tauchte Laub im Eingang auf und hechtete mit nassen Mooss zwischen den Zähnen zu ihm. „Schatten?", miaute er und seine Stimme brach vor Angst, als er Wolke anblickte. „Ist sie..?" Schnell schüttelte der dunkelblau-schwarze Kater den Kopf. „Nein, nein", murmelte er leise. „Leg ihr das Moos vor die Nase, dann kann sie gleich etwas trinken, wenn sie aufwacht."
Nervös trat Schatten von einer Pfote auf die andere und miaute dann kläglich: „Ich weiß nicht, was wir noch tun können... am besten... wir essen etwas und gucken uns danach wieder nach Mala und Flamme um."
Laub nickte langsam, bevor er Schatten eine der Mäuse zuschob, von insgesamt drei, die er am Morgen gefangen hatte, und sich selbst eine nahm, bevor er sich neben seinem Bruder niederließ und zögerlich zu Essen begann.
Schatten brauchte länger, bevor er einen Bissen nahm, denn ihm war Übel vor Sorge um Wolke, doch schließlich schaffte er, sich zu überreden, doch einige Bissen zunehmen.

Er bekam nicht die ganze Maus runter und schob sie nach der Hälfte weg. Er hatte das Gefühl, dass seine Übelkeit nur noch zugenommen hatte und so tappte er mit Hängenden Kopf zu Wolke. „Ach Wolke", flüsterte er und leckte ihr vorsichtig über die Ohren, in einem erneuten Versuch, sie aufzuwecken.
Erst regte sich die hellbraune Kätzin nicht, dann, nachdem Schatten ihr ein zweites Mal über die Ohren geleckt hatte, stöhnte sie und drehte sich auf den Rücken, bevor sie die Augen einen Spaltbreit öffnete.
„Schatten...", murmelte sie und kurz hatte der Kater Angst, dass sie sich wieder nicht an das Geschehene erinnern konnte, doch Wolke verdrehte die Augen und raunte: „Doch... ich... kann mich Erinnern... habt ihr... Wasser?"
„Ja", miaute Schatten eilig und erleichtert. Wolke würde wegen der Nachrichten nicht noch einmal zusammenbrechen. Sie erinnerte sich noch. „Dort." Schatten deutete auf das nasse Moos, von dem Wolke sich weggedreht hatte und die Kätzin stöhnte vor Erschöpfung nochmal auf, als sie sich zurückdrehte und am Moos zu lecken begann. „Danke", flüsterte sie irgendwann heiser.
„Dank nicht mir", miaute Schatten schnell und deutete auf Laub. „Er hat es geholt."

Wolke musterte Laub aus zusammengekniffenen Augen, dann wendete sie den Kopf ab. „Ist die Maus da für mich?" „Ja", schnurrte Schatten erleichtert, dass sie wieder Hunger hatte. „Ich bringe sie dir."

Dunkelheit der Schatten, dunkelblauer, fast schwarzer Kater mit matten, grünen Augen
Laub das vom Baum fällt, braun-roter Katzer mit gelben Augen
Mond hinter einer Wolke, hellbraune Kätzin mit grauen Augen

Schattens Opfer / Verlorene Sterne / Band 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt