𝐇𝐚𝐧𝐧𝐚
Es war der 17. August 2020, als ich vom Schluchzen meiner Mutter geweckt wurde. Es war nicht das vertraute Geräusch des Weckers oder die ersten Sonnenstrahlen, die mich aus dem Schlaf holten – es war das durchdringende, herzzerreißende Weinen, das durch die Wände meines Zimmers drang. Zuerst dachte ich, ich hätte es mir eingebildet, doch als ich genauer hinhörte, wusste ich, dass etwas Schreckliches passiert sein musste.
Langsam schob ich die Decke von mir und setzte meine Füße auf den kühlen Holzboden. Jeder Schritt in Richtung Tür verstärkte das beklemmende Gefühl in meiner Brust. Als ich die Treppe hinunterging, hörte ich das Weinen deutlicher. Es war Montagmorgen, und eigentlich hätte ich zur Schule gehen sollen. In zehn Tagen würde ich vierzehn Jahre alt werden. Doch plötzlich schienen all diese Dinge so unbedeutend.
Im Wohnzimmer blieb ich wie erstarrt stehen. Meine Eltern saßen auf dem Boden, ihre Gesichter in den Händen vergraben. Sie wirkten völlig aufgelöst, wie Menschen, denen gerade der Boden unter den Füßen weggezogen worden war. Mein Vater hielt meine Mutter fest, während sie in seinen Armen zusammenbrach. Dieses Bild, diese Szene – es war, als hätte jemand die Zeit angehalten und mir einen Blick in eine Welt des puren Schmerzes gewährt.
„Mama? Papa?" Meine Stimme zitterte, als ich den Raum betrat. Sie klang fremd, fast hohl.
Meine Mutter hob langsam den Kopf, und der Ausdruck in ihren Augen ließ mich innerlich zusammenbrechen. „Hanna..." flüsterte sie, ihre Stimme war kaum hörbar, voller Verzweiflung.
„Was ist passiert?" fragte ich, obwohl ich tief in mir die Antwort bereits erahnte. Eine dunkle, grausame Gewissheit breitete sich in mir aus.
Mein Vater holte tief Luft, als ob es ihm schwerfiel, die Worte zu finden. „Paul ist tot," sagte er schließlich, seine Stimme kaum mehr als ein Flüstern. „Er wurde letzte Nacht... verprügelt. Die Verletzungen waren zu schlimm."
Für einen Moment stand die Welt still. Alles um mich herum verschwamm, und ich fühlte mich, als würde ich in ein endloses, schwarzes Loch fallen. „Nein..." flüsterte ich, unfähig zu begreifen, was ich gerade gehört hatte. „Das kann nicht sein..."
Doch die Augen meiner Eltern bestätigten die schreckliche Wahrheit. Paul war fort. Der Mensch, der mir am meisten bedeutete, war nicht mehr da. Meine Knie gaben nach, und ich sank auf den Boden. Die Tränen kamen unaufhaltsam, während mein Verstand versuchte, das Unfassbare zu begreifen.
Zwei Tage zuvor hatten Paul und ich unser letztes Gespräch geführt – einen Streit, belanglos und doch voller unausgesprochener Gefühle. Worte, die wir nicht wirklich so meinten, die nun aber für immer unausgesprochen bleiben würden. Ich hatte nie die Chance gehabt, mich zu entschuldigen, nie gesagt, wie sehr ich ihn liebte. Jetzt war es zu spät, und dieser Gedanke lastete schwer auf mir.
Die Tage nach Pauls Tod vergingen wie in einem trüben Nebel. Ich ging nicht zur Schule, konnte mich kaum bewegen oder denken. Alles drehte sich nur noch um den Verlust, den Schmerz, die unendliche Traurigkeit. Am 19. August flogen wir nach Barcelona, um die Beerdigung vorzubereiten. Die Stadt, die mir sonst so lebendig und voller Leben erschienen war, wirkte nun wie in einen grauen Schleier gehüllt.
Am 23. August, fand die Beerdigung statt. Ich stand am Grab, umgeben von Menschen, die Paul genauso geliebt hatten wie ich. Doch keiner von ihnen konnte den Schmerz lindern, der in mir brannte. Als ich ans Rednerpult trat, fühlte ich mich wie eine Fremde in meinem eigenen Körper. Die Worte, die ich sprach, kamen nicht aus meinem Kopf, sondern aus einer tiefen, verletzten Stelle in mir.
„Paul...",begann ich, meine Stimme zitterte, doch ich zwang mich, weiterzusprechen. „Ich weiß nicht, ob ich die richtigen Worte finden kann. Aber ich möchte, dass du weißt, wie sehr ich dich liebe. Du warst nicht nur mein großer Bruder, sondern auch mein bester Freund, mein Beschützer, mein Held."
Ich machte eine Pause, um die Tränen wegzublinzeln, die mir unaufhaltsam über die Wangen liefen. „Du hast mir so viel beigebracht, Paul. Du hast mir gezeigt, was es bedeutet, mutig zu sein, für die Menschen einzustehen, die man liebt, und nie aufzugeben, egal wie schwer es wird. Ich habe so oft zu dir aufgeschaut und mir gewünscht, dass ich eines Tages so stark sein könnte wie du."
Meine Stimme brach, und ich musste einen Moment innehalten, um die Welle der Traurigkeit zu überwinden, die über mir zusammenschlug. „Es tut mir so leid, dass wir uns gestritten haben. Ich wünschte, ich könnte die Zeit zurückdrehen und dir sagen, wie sehr du mir bedeutest. Aber ich weiß, dass du das tief in dir immer gewusst hast. Du warst immer da für mich, Paul, in guten und in schlechten Zeiten. Und ich werde dich nie vergessen."
Ich sah zu dem schlichten, aber wunderschönen Sarg hinüber, in dem Paul nun lag, und ein schmerzhaftes Lächeln legte sich auf meine Lippen. „Ich werde immer an dich denken, wenn ich die Sterne sehe, weil du mir einmal gesagt hast, dass die Menschen, die wir lieben, nie wirklich verschwinden. Sie leuchten in den Sternen weiter, und ihre Liebe begleitet uns auf Schritt und Tritt. Du wirst immer der hellste Stern am Himmel sein, Paul – und besonders über Barcelona, wo du nun für immer leuchten wirst."
Die Stille, die auf meine Worte folgte, war von einer schweren, ehrfürchtigen Traurigkeit erfüllt. „Du wirst immer einen Platz in meinem Herzen haben, Paul. Ich verspreche dir, dass ich stark sein werde – für dich, für uns. Ich hoffe, dass du nun an einem Ort bist, an dem du Frieden findest. Und ich hoffe, dass du weißt, dass ich dich mehr geliebt habe, als Worte es je ausdrücken könnten."
Ich senkte den Kopf und schloss die Augen, als ob ich auf diesem Weg den letzten, stillen Moment mit Paul teilen könnte. „Leb wohl, großer Bruder. Ich werde dich nie vergessen."
Als ich vom Rednerpult zurücktrat, spürte ich die Tränen auf meinen Wangen und die Last in meinem Herzen. Doch gleichzeitig war da auch ein Funken Trost – der Gedanke, dass Paul in den Sternen weiterlebte, und dass seine Liebe mich immer begleiten würde, egal, wohin ich ging.
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𝐬𝐭𝐞𝐫𝐧𝐞 𝐮̈𝐛𝐞𝐫 𝐁𝐚𝐫𝐜𝐞𝐥𝐨𝐧𝐚✵|| Pablo Gavi ff
FanficHanna-Rosa López ist mit ihren 17 Jahren eine außergewöhnliche junge Frau. Nach ihrem vorgezogenen Abitur plant sie ein Medizinstudium, doch bevor sie sich in die Welt der Wissenschaft stürzt, verbringt sie den Sommer in Barcelona bei ihrer Großmutt...