Kapitel 12

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pov.akaashi
Kaum war ich in unserem Zimmer angekommen hörte ich Bokuto im Badezimmer fluchen. Ich ging zur Tür um besser verstehen zu können, was er da vor sich hin nuschelte, doch ich hörte nur Wörter wie 'Ouch' und 'Fuck'. Ich klopfte an die Tür und fragte:"Bokuto ist alles in Ordnung? Darf ich reinkommen?" Als ich keine Antwort von ihm bekam, versuchte ich die Tür zu öffnen und sie war tatsächlich nicht abgeschlossen. Das Bild was sich mir bot war gleichermaßen amüsierend, wie besorgniserregend. Mit Kratzern übersät und einer Schürfwunde an der Augenbraue stand der Größere vor mir und guckte mich schief an. "Was ist passiert?", wollte ich dann wissen und lehnte mich an den Türrahmen. "Ich bin irgendwie gestolpert und in den scheiß Dornenbusch gefallen", gab er dann zu und versuchte sich eine kleine Dorne bei seiner Augenbraue zu entfernen. Ich versuchte mein Lachen zu unterdrücken und meinte dann:"Setz dich, ich mach das schon." Bokuto setzte sich ohne zu diskutieren auf den Klodeckel und ich desinfizierte die Pinzette nochmal sowie meine Hände und machte mich dann daran, den Dorn zu entfernen. Stille breitete sich zwischen uns aus und während ich Bokuto verarztete hatte er die gesamte Zeit die Augen geschlossen. Es schien fast so, als würde er es genießen. Ohne darüber nachzudenken strich ich vorsichtig über seine Wange, bevor ich ihm mitteilte, dass ich fertig war. Ich wollte gerade das Badezimmer verlassen, als Bokuto mich am Handgelenk packte und wieder zu sich zog. Alles ging so schnell und auf einmal hatte Bokuto seine Arme um mich gelegt und umarmte mich. "Danke Akaashi. Du hättest das nicht machen müssen, vor allem, weil ich vorhin so ein Arschloch zu dir gewesen bin. Tut mir leid", nuschelte er gegen meine Brust, da er immer noch auf dem Klodeckel saß. Ich entschied mich, die Umarmung zu erwidern, doch kaum hatte ich seine Schulter berührt, zuckte er heftig zusammen und löste sich wieder von mir. "Alles okay? Bist du auch auf die Schulter gefallen, vielleicht sollten wir mal nachgucken", schlug ich vor. "Nein, alles gut. Mir geht's gut, wir brauchen uns gar nichts angucken", versuchte Bokuto es zu überspielen, doch das Zittern in seiner Stimme war nicht unbemerkt geblieben. 
Schon wieder war er so komisch wie die ganze Woche schon und auf einmal hatte ich so ein ungutes Gefühl im Bauch. "Kannst du mir bitte erzählen, was los mit dir ist, ich möchte dir doch nur helfen", sagte ich dann, doch es brachte nichts. "Nein. Du kannst mir nicht helfen, keiner kann das. Ich brauche niemanden", fauchte Bokuto mich an. Er schien direkt zu merken wie er gerade wieder reagiert hatte und sah mich hilflos an. Ich nutzte meinen Moment, kniete mich vor ihn und nahm seine Hände in meine. "Ich bin mir sicher, dass es unfassbar schwer für dich sein muss, dich zu öffnen. Aber ich möchte dir wirklich helfen und für dich da sein. Ich mache mir echt große Sorgen um dich Bokuto, weil du mein bester Freund bist und mir mittlerweile echt wichtig bist. Ich möchte dich nicht noch länger leiden sehen", redete ich auf ihn ein und es schien zu helfen, denn er fing an zu zögern und spielte nervös mit den Ärmeln seines Pullovers. "Es ist schlimm", flüsterte er dann und hielt dabei den Blick auf seine Hände gesenkt. "Ich komme schon damit klar, vertrau mir", sagte ich dann, doch Bokuto schien immer noch mit sich zu kämpfen. Ich hätte zugegebenermaßen nicht damit gerechnet, doch Bokuto zog sich tatsächlich nach kurzem Überlegen den Pullover über den Kopf und offenbarte mir dadurch alles. Das Bild, was sich mir bot, war schrecklich und ich wusste nicht, was ich dazu sagen sollte. Blutergüsse verteilten sich über seinen Oberkörper und schienen sich weiter über seinem Rücken zu erstrecken. Ich stand auf, um mir ebenfalls seinen Rücken anzusehen und in diesem Moment wurde mir eins klar. Er offenbarte sich hier und jetzt vollkommen vor mir. Es waren nicht nur die blauen Flecken, sondern auch etliche Narben, die seinen Rücken übersäten. Er hätte mir auch einfach nur erzählen können von dem, was im Restaurant passiert ist, doch stattdessen hatte er beschlossen, seine gesamte Vergangenheit und sein Trauma mit mir zu teilen. 

pov.bokuto
Ich haderte sehr lange mit mir, bis ich mich dazu entschied, meinen Pullover auszuziehen. Ich wusste nicht, wie Akaashi damit umgehen würde, doch seine Worte gaben mir das Gefühl, dass genau jetzt der richtige Moment war, ihm alles zu erzählen. Mich ihm endlich anvertrauen. Er gab mir das Gefühl, gesehen und wertgeschätzt zu werden und ich musste zugeben, dass es ein unfassbar schönes Gefühl war. Ein Gefühl, das ich noch nie zuvor gefühlt hatte. Die blauen Flecken taten auch jetzt, nach ein paar Tagen, immer noch extrem weh, doch es war kein neues Gefühl. Akaashi war mittlerweile aufgestanden und hinter mich getreten. Als seine eisige, kalte Hand meinen Rücken berührte, zuckte ich kurz zusammen. Doch ich entspannte mich schnell wieder, als er sanft über die blauen Flecken und Narben strich. Mich so vor Akaashi zu offenbaren, war mir unangenehm, denn ich wollte ihm eigentlich nicht zeigen, wie schwach und verletzlich ich war. Ich hasste diese Seite an mir und dennoch brach sie immer wieder durch. In letzter Zeit sogar noch viel öfter. "Wer...wie ist das passiert?", fragte er ganz leise. 

TW
"Mein Vater war nie sehr liebevoll und naja er hat gerne seinen Gürtel genutzt um mich zu bestrafen. Uns mein altes Team hat mich zum Abschied definitiv nicht umarmt und dafür gesorgt, dass ich sie für immer in meine Haut eingebrannt hatte. Ich war froh, dass nur wenige von ihnen rauchten. Aber wie du sehen kannst war auch das wiedersehen nicht Friede, Freude, Eierkuchen", erklärte ich dann monotoner, als erwartet. Ich hatte mit niemandem mehr darüber geredet, seitdem mir von allen Seiten eingeredet wurde, ich hätte es verdient oder es wäre nur halb so wild gewesen. Nicht der Rede wert eben. Also blieb mir nichts andere übrig und ich schluckte meine Gefühle runter, bevor ich einfach akzeptierte was passiert ist. So war es einfacher gewesen. "Und das alles nur..." "Ja", unterbrach ich Akaashis Frage, weil ich genau wusste worauf er hinaus wollte. Wie widerlich du bist...niemand wird dich jemals lieben. Hallten auf einmal Sanjiros und Ichiros Worte in meinem Kopf wieder. "Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll", gab Akaashi dann zu. "Ist schon okay, ich weiß selbst, wie hässlich und widerlich ich aussehe", meinte ich dann nur und wollte gerade meinen Pullover wieder anziehen, als Akaashi mich davon abhielt. Er stand wieder vor mir und sah mich mit einem Blick an, der mich nur schwer meine Tränen zurückhalten ließ. Wut und Traurigkeit mischten sich mit so viel Mitgefühl und ich brauchte einen Moment, um zu verstehen, warum er mich so ansah. "Bitte sag sowas nie wieder, du bist weder widerlich noch hässlich. Egal wer versucht hat, dir so etwas einzureden, bitte schenke ihnen keinen Glauben, diese Personen sind die einzigen, die widerlich sind", redete Akaashi auf mich ein und wischte mir eine Träne von der Wange. Überrascht fasste ich an die selbe Stelle. Ich hatte nicht einmal gemerkt, dass ich zu weinen begonnen hatte. Doch Akaashis Worte hatten etwas in mir ausgelöst, was ich selbst noch nicht verstand. Sie hatten ein Gefühl geweckt, dass ich so unfassbar lange nicht mehr gefühlt hatte. Er war der Erste, der mir das Gefühl gab, dass ich jemandem überhaupt irgendetwas bedeutet. Das Gefühl, dass ich nicht mehr alleine war mit dem, was ich all die Jahre mit mir herumtragen musste.
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Loving you, loving me?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt