Ertappt?

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Die nächsten beiden Tage vergingen, ohne dass etwas passierte. Aber dann, am dritten Tag, beorderte mich der Direktor plötzlich in sein Büro. Ich ahnte natürlich, worum es gehen würde und hatte ein ganz mulmiges Gefühl, als ich das Büro betrat. Anstatt mich auf den Vorfall anzusprechen, drehten sich die Fragen des Direktors jedoch nur darum, wie es mir geht, ob die Arbeit Spaß macht und ob ich mit Frau Evers zurecht komme. Er wusste ja, dass ich mit Herrn Laudin so meine Probleme hatte. Ich war erleichtert.

Doch dann fragte mich der Direktor, wie gut ich Anastasija kennen würde. Sofort bekam ich einen Klos im Hals und konnte kaum antworten. Ich sagte schließlich, dass wir uns bisher kaum kennengelernt hatten, weil wir ja immer in unterschiedlichen Abteilungen arbeiten. Und ich erzählte sogar, dass ich nicht das Gefühl hatte, dass sie mich gut leiden konnte. Vor allem wegen dem Vorfall damals beim Frühstück.

"Das Gefühl habe ich nicht.", meinte der Direktor zu mir.

Ich schaute ihn fragend an.

"Du weißt, was sie getan hat?"

"Ja.", antwortete ich und schaute verschämt zu Boden.

"Was genau hat sie denn getan?", hakte der Direktor nach.

"Ich... ich... ich weiß es nicht genau.", stotterte ich mit hochrotem Kopf.

"Ich dachte, du weißt, was sie getan hat?"

"Nein, also... ich..." Ich wusste nicht, was ich antworten sollte. Schließlich hatte ich ja nicht genau gesehen, was Anastasija getan hat.

"Ja, was denn nun, Paula?", fragte der Direktor sichtlich genervt.

"Ja, also ich weiß es nicht ganz genau."

"Aha. Und was weißt du ganz genau?"

"Ich... ähm... also ich kann nur sagen, wonach es aussah.", versuchte ich mich herauszureden. Auf keinen Fall wollte ich Anastasija noch mehr in Schwierigkeiten bringen.

"Und wonach sah es aus?", wollte es der Direktor natürlich genauer wissen.
"Ähm... Also es sah so aus... ähm... es sah so aus, als wenn sie Herrn Sperling einen geblsnn hätte."

"Einen WAS?"

"Geblasen.", sagte ich kleinlaut, während mein Kopf wie eine Tomate glühte. Wusste der Direktor überhaupt, was das heißt?

"Jetzt nochmal im ganzen Satz und bitte deutlich!", forderte der Direktor, "Was genau hat Anastasija deiner Ansicht nach getan, Paula?"

Ich schaute den Direktor an und nahm all meinen Mut zusammen. Es war sowieso zu spät. Ich hatte es ausgesprochen und nun konnte ich auch dazu stehen. Also sagte ich laut und deutlich: "Ich denke, Anastasija hat Herrn Sperling einen geblasen, als ich in das Zimmer gekommen bin."

Der Direktor sah mich an. Dann schaute er auf seinen Schreibtisch und schrieb irgendetwas auf das Blatt, das vor ihm lag.

Dann schaute er wieder zu mir auf und fragte: "Und du wolltest da mitmachen?"

"Iiiiccchhh?", fragte ich entsetzt zurück, "Oh Gott, niemals! Das würde ich nie tun!"

"Aha.", entgegnete der Direktor und schaute mich nachdenklich an, "das habe ich etwas anders gehört."

"Was? Nein! Das kann nicht sein.", wies ich diese Behauptung empört zurück. "Wer sagt denn sowas?"

"Spielt keine Rolle.", sagte der Direktor nur und musterte mich noch immer, so als könne er an meiner Gestik ablesen, ob ich die Wahrheit sagen würde oder nicht.

Ich war völlig außer mir und schwörte noch mehrere Male, dass ich nie vorgehabt hätte, so etwas zu tun. Ich redete und redete, bis ich plötzlich bemerkte, dass mich der Direktor nur noch ansah und darauf zu warten schien, dass ich endlich aufhörte. Und das Schlimmste: er wirkte nicht so, als würde er mir auch nur ein Wort glauben.


Paula - Sklavin in AusbildungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt