Herr Kohrs

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Ich flüchtete, so schnell ich konnte. Zum Glück gab es im Hotel viele Wege und viele Kammern, die vom Personal und für die Hotelutensilien genutzt wurden. In irgend einer von diesen Kammern kauerte ich mich in eine Ecke und ließ meinen Tränen freien Lauf.

Erst nachdem ich den Schock einigermaßen verarbeitet hatte und nicht mehr weinen musste, wollte ich vorsichtig zurück in Richtung des Wäschelagers gehen. Als ich meine Kammer verließ, begegnete ich Herrn Kohrs, unserem netten Hausmeister.

"Was ist denn mit dir passiert?", fragte er mich umgehend.

Ich wusste zwar nicht, was er meinte. Aber da ich zwei Ohrfeigen bekommen hatte, angespuckt wurde und wie ein Wasserfall geweint hatte, musste ich furchtbar aussehen.

"Ich... ich...", stotterte ich.

"Nun beruhig dich erst Mal.", sagte Herr Kohrs fürsorglich und legte direkt seinen Arm um meine Schulter. "Komm, wir gehen mal in meine Werkstatt."

Ich brachte kein Wort heraus und war auch nicht wirklich in der Lage, viel zu denken. Also ging ich, ohne mir viele Gedanken darüber zu machen, mit ihm mit.

In der Werkstatt angekommen, setzte ich mich auf einen Stuhl, den Herr Kohrs mir anbot. Dann brachte er mir einen Schnaps.

"Trink!", sagte er, "Du scheinst ihn zu brauchen."

"Aber das darf ich doch gar nicht."

"Papperlapapp. Was man darf und was man braucht, ist nicht immer dasselbe. Und jetzt trink!"

Ich trank den Schnaps in einem Zug aus, der wie Cognac oder so etwas schmeckte. Es war ekelhaft, aber irgendwie auch gut. Ich spürte, wie sich das Getränk den Weg von meinem Mund in meinen Magen bahnte. In mir wurde es warm. Ein schönes Gefühl.

"Noch einen?", fragte Herr Kohrs mit einem Lächeln im Gesicht.

"Nein, nein, lieber nicht."

"Naa, einer geht noch...", murmelte er und schenkte mir noch einmal nach.

Mehr aus Höflichkeit trank ich auch diesen. Aber schon kurz darauf merkte ich, dass ich einen kleinen Schwips bekam. Es war Zeit zu gehen.

"Vielen Dank, Herr Kohrs. Das hat mir geholfen."

"Moment. Du kannst gerne noch bleiben.", versuchte er mich aufzuhalten, "Du kannst mir immer erzählen, was dich bedrückt."

"Das ist lieb von ihnen. Aber lieber nicht. Vielleicht ein anderes Mal.", antwortete ich. Ich wollte nicht noch mehr Probleme bekommen. Und schon gar nicht wollte ich den netten alten Herrn Kohrs damit reinziehen.

Ich verließ die Werkstatt, um mich wieder an die Arbeit zu machen. Sonst würde ich heute nie fertig werden.


Paula - Sklavin in AusbildungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt