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Langsam schreite ich die nicht enden wollenden Betten ab, in jedem von ihnen liegt jemand. Verwundet, verbunden, verbrannt, alles. Es ist wie ein Museum der Grausamkeit, die sich Menschen antun können. Nur, dass es hier keine Menschen waren, sondern irgendwelche Schwanzlutscher aus den Tiefen des Alls.

Verbundene Gesichter, wo nur noch vor Schock aufgerissene Augen aus dem Verband hervorstarren. Und dann sehe ich ihn.

Seine Haut ist fast schwarz, gesprenkelt mit roten, gelben und orangenen Verbrennungen. Knallrote, aufgequollene Augen, schmerzverzerrte und erstarrte Gesichtszüge, verbrannte Haare, geeiterte Wunden, Stoffreste des Fliegeranzugs, die sich mit der Haut verschmolzen haben müssen. Und dann noch das schmerzerfüllte Röcheln und Keuchen, dass von dieser Gestalt ausgeht.

Würde ich diesen Mann nicht kennen, würde ich sagen, dass das ein Dämon aus der Hölle sein muss. Aber ich kenne diesen Mann.

Mein Herz bleibt stehen. Augenblick sackt mein Kreislauf zusammen, ich falle fast um, halte mich aber wie in Trance noch am Bettrahmen fest.

„Fuck." ist das einzige, was ich noch über meine Lippen bekomme, bevor sich Warlock begleitet von einem Geräusch, als würde sich Fleisch von ihm abschälen, regt. Ich starre einfach nur fassungslos auf den verkohlten Körper, der da vor mir liegt. Es erinnert mich zu stark an die Bilder von Menschen aus Chernobyl, die von der Strahlung wortwörtlich zerstört wurden. Schwarze Haut, Verbrennungen, Wunden, und ein elendig langer, und unglaublich schmerzvoller Tod.

Mir wird schlecht. Ich habe schon vieles gesehen, tote Menschen, explodierende Menschen, Menschen, die sich selbst umbringen, Menschen, die geköpft werden, aber nie habe ich so etwas grausames direkt vor mir gehabt. Verdammte scheiße, was haben sie mit dir gemacht?

Verstört drehe ich mich langsam um, halte direkt auf den Ausgang zu. Ich muss hier raus, meine Schritte beschleunigen sich, und dann stehe ich plötzlich draußen auf dem Gang. Erstmal runterkommen, Titan, Luft holen. Das war alles normal da drinnen.
Nein, war es nicht, das ist mir doch selber klar, aber was soll ich sonst machen? Ich will diesen Anblick vergessen, Warlock als den Kerl in Erinnerung behalten, als den ich diesen Mann immer gekannt hatte.

Ein durchschnittlicher, schwarzhaariger, wenn auch oft grimmig dreinstarrender Kerl, der aber trotzdem ein großes Herz besaß. Und was ist nur aus ihm geworden? Ein lebendes Fossil, eine lebende Leiche.
Verkohlt und fast unerkennbar. Was ein beschissenes Ende für so einen Mann wie Warlock.

Ich seufze lautlos, schlucke den Schock und Schmerz runter und mache mich dann auf den Weg wieder zu meinen Kameraden zu stoßen. Was anderes kann ich auch nicht machen. Was würde mir sonst übrig bleiben? Ich muss nach vorne schauen, nicht zurück, und vor mir liegt nur eins: der Krieg, die nächste Schlacht, und am Ende von alldem mein Tod.

Die Frage ist nicht ob, sondern wann mich der Tod besucht, um mich einzufordern. So etwas wie Gewissheit gibt es als Kampfpilot und als Soldat generell nicht. Jederzeit kann man sterben. Jederzeit kann einen das eine Geschoss treffen. Jeder muss damit auf eigene Weise seinen Frieden finden. Ich?
Ich werde nie meinen vollständigen Frieden damit finden.

Und selbst wenn, ich hoffe, dass es mich direkt umhaut, sodass ich den Schmerz nicht mehr fühlen muss. Ich will nicht so enden wie Warlock. Auf der Stelle in Atome pulverisiert zu werden ist da schon eher angenehmer, aber was bleibt dann von mir übrig? Ich wäre nur ein blutiger Regen aus Asche. All mein Leben, meine Taten, meine Erinnerungen, sie wären auf einmal nichts mehr wert. Nur noch Staub und Partikel in der Luft. Kurz schießt mir der Gedanke durch den Kopf, dass ich nicht hätte Soldat werden sollen. Sterben gehört zum Job dazu, egal wie sehr man sich wünscht, es wäre nicht so.

Ich seufze leise und verharre in der Bewegung. Um mich herum herrscht wenig Betrieb. Zwei Soldaten mit Gewehren, die den Gang patrouillieren und ein paar andere Soldaten, die durch den kargen Korridor laufen.

„Macht Platz! Platz da!" Ich drehe mich um. Zwei Tragen werden den Gang langgerollt, auf ihnen zwei verruste und blutverschmierte Gestalten in Fliegermontur. Bei einem hängt noch der Helm lose im Arm. Hastig werden sie an mir vorbei in die Krankensektion geschoben.

Die nächsten Opfer dieses Kampfes. Wie viele Piloten habe ich seit jenem Tag schon sterben sehen? Wie viele verwundet und auf alle Zeiten deformiert? Es müssen Dutzende sein, vielleicht hunderte. Und jeden Tag werden es mehr.

Entmutigt wende ich mich ab und schaue auf die Uhr. In 20 Minuten beginnt das Meeting, von dem Blackhole gesprochen hat. Der Raum liegt in den unteren Ebenen, wie so oft. Das Dungeon, wie dieser Bereich mittlerweile inoffiziell genannt wird, ist voll von Besprechungsräumen. Die Hoffnung ist, dass sie so tief liegen, dass niemand mehr Geräusche von außen davon aufzeichnen kann. Ob das wirklich so klappt halte ich für fraglich, aber naja, wenn die da Oben da nen Sinn drin sehen...

Mein Job ist das Kämpfen, nicht das Design von unterirdischen Bunkeranlagen. Ich beruhige mich mit dem Gedanken, Hunderte Meter unter dem Erdboden über mir zu sein, außerhalb der Reichweite von diesen Plasmawaffen. Jedenfalls denen, denen wir bisher begegnet sind. Wer sagt denn, dass diese Hurenficker nicht noch nen Todesstern oder so in Reserve haben? Genau, niemand. Wir haben einfach keine Ahnung, über was diese Viecher wirklich verfügen.

Egal, was es am Ende ist, dass wir hochjagen werden müssen, ich werde es hochjagen. Das steht für mich schon klar fest. Es ist mein Job, und den gilt es zu erfüllen. Raketen abschießen, Aliens hinrichten, überleben. Kann doch nichts schiefgehen oder?"

Ich halte inne denke über den Gedanken nach. Von wegen, Titan. Du hast gesehen, was mit den anderen passiert, was fast mit dir passiert wäre. Fuck.

Augenblicklich schießt mir die Realisierung durch den Kopf, wie oft ich schon hätte draufgehen können. Wäre ich links, statt rechts abgedreht, wäre ich tot. Hätte ich nicht im richtigen Moment nach rechts unten gesehen, und so den Breacher gesehen, wäre ich tot. Hätte ich gezögert, als mein Flugzeug in Flammen stand, wäre ich jetzt tot. Es gibt so viel, dass entscheidet, ob man stirbt oder nicht. Instinkte, innere Impulse, dessen Ursprung wir nicht verstehen, die uns sagen „Hey Titan, wäre doch schön jetzt mal nach rechts aus dem Fenster zu gucken.", und uns so das Leben retten.

Ich bin kein religiöser Mensch, ich habe meine Probleme mit dem Glauben an einen Gott. Ich bete nicht vor jedem Einsatz, ich setze mich ins Cockpit mit dem Gedanken, dass meine Intuition und meine Reflexe mich retten werden. Wenn mans genau nimmt ist das eigentlich ziemlich naiv. Aber darum kann ich mir auch später Gedanken machen, jetzt wird's erstmal Zeit für eine Besprechung. Jetzt kann der Krieg erstmal warten.

Wenigstens für diese paar Minuten.

Six StrongWo Geschichten leben. Entdecke jetzt