Kapitel 10: Das Geheimnis im Schatten

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Einige Tage nach dem Vorfall mit der Taschenlampe war Klara erneut in ihrem Zimmer eingeschlossen. Die Atmosphäre im Haus war düster, die Spannungen zwischen ihren Eltern schienen unerträglich zu werden. Während sie auf ihrem Bett saß, ihr Blick leer an die Decke gerichtet, wanderte ihr Blick zufällig zu einem alten, verstaubten Regal in der Ecke des Zimmers. Es war voll mit Büchern und alten Kisten, die sie seit Jahren nicht mehr angerührt hatte.

Aus einem Impuls heraus stand sie auf und begann, in den Kisten zu wühlen. Sie brauchte etwas, das sie ablenkte, etwas, das ihr half, die bedrückende Realität für einen Moment zu vergessen. Unter einem Stapel alter Schulbücher fand sie schließlich eine kleine Holzkiste, die fest verschlossen war. Sie erinnerte sich nicht daran, sie jemals gesehen zu haben.

Neugierig zog sie die Kiste heraus und setzte sich mit ihr aufs Bett. Die Kiste war schwer, als ob sie etwas Bedeutungsvolles enthielt, und als sie den Deckel öffnete, entdeckte sie darin alte Briefe und ein Tagebuch, das mit einem verblassten Lederriemen zusammengebunden war. Es war das Tagebuch ihrer Mutter.

Klaras Finger zitterten, als sie die erste Seite aufschlug. Die ersten Einträge schienen harmlos – ihre Mutter schrieb über alltägliche Dinge, über ihre Beziehung zu Klaras Vater und die Geburt von Klara. Doch als Klara weiterlas, wurde der Ton des Tagebuchs düsterer. Es war, als ob ihre Mutter nach und nach in eine Spirale aus Angst und Verzweiflung geriet.

Ein Eintrag, der besonders hervorstach, ließ Klaras Herz schneller schlagen:

„Ich weiß nicht mehr, wie lange ich das noch aushalte. Es ist, als ob er nicht mehr der Mann ist, den ich einmal kannte. Seine Wut wird mit jedem Tag schlimmer. Ich habe Angst um Klara. Ich habe Angst um mich."

Klara starrte die Worte an, unfähig zu begreifen, was sie da las. Ihre Mutter hatte all die Jahre gelitten, genauso wie sie selbst. Aber warum hatte sie nichts gesagt? Warum hatte sie sich nicht gewehrt?

Weiter hinten im Tagebuch fand Klara eine Andeutung eines Familiengeheimnisses, das sie noch mehr erschütterte. Es stellte sich heraus, dass Klaras Vater selbst eine grausame Kindheit durchlebt hatte. Seine Gewalt war nicht neu; er hatte sie von seinem eigenen Vater geerbt. Es war ein Kreislauf, der niemals durchbrochen worden war.

Klara legte das Tagebuch mit zitternden Händen beiseite. Sie fühlte sich, als ob sie plötzlich die ganze Last ihrer Familie auf ihren Schultern trug. Aber gleichzeitig wusste sie, dass sie etwas tun musste. Sie durfte nicht denselben Weg wie ihre Mutter gehen. Sie musste aus diesem Haus entkommen – und Jonas war ihre einzige Hoffnung.

Wenn die Schatten schweigen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt