𝐲𝐞𝐤|eins

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Ich sehe es einfach nicht ein, für einen Keks 4 Euro hinzublättern.

Wenn ich ihn selbst gebacken hätte, wäre er gesünder - und ganz bestimmt nicht so teuer.

Wer weiß schon, wie viel Zucker in diesem kleinen Ding steckt?

Aber der Hunger treibt mich, und die Zeit läuft gegen mich. Also kaufe ich ihn trotzdem.

Als ich bezahle, bereue ich es sofort. Vier Euro für einen Keks? Mein hart verdientes Geld gegen eine handtellergroße Versuchung eintauschen - das tut weh.

Schnell schnappe ich mir die kleine Papiertüte und verlasse das Subway. Noch zehn Minuten bis zum Kursbeginn und die Fahrt dauert genauso lange.

Ich hetze zum Auto, das zum Glück direkt neben dem Laden geparkt ist. Der Keks landet auf der Rückbank, ich starte den Motor und los geht's.

Seit drei Wochen habe ich meinen Führerschein und bin heilfroh, nicht mehr die stickige U-Bahn nehmen zu müssen. Der Gedanke an die engen, überfüllten Waggons und die Menschenmassen, die dich förmlich an die Wand drücken...

Ich erinnere mich noch lebhaft an diesen einen Tag. Ich stand hinter einem Mann, der immer näher rückte, bis ein anderer Passagier eingreifen musste. Warum habe ich damals nichts gesagt? Vielleicht, weil ich gerade mal 15 war und viel zu verängstigt.

Der Motor brummt, und ich fahre los, achte penibel auf die Geschwindigkeit - schließlich habe ich zu viel Geld und Zeit in meinen Führerschein investiert, um ihn gleich wieder zu verlieren.

„WO BIST DU?", schreit Ayla ins Handy. Eine Begrüßung à la Ayla - charmant wie immer.

„Bin unterwegs", antworte ich, während ich an der roten Ampel stehe, meine Finger nervös auf das Lenkrad trommelnd.

„Bin unterwegs", äfft sie mich nach.

Ich muss grinsen. Es bringt mich jedes Mal zum Lachen, wenn sie versucht, meine Stimme zu imitieren.

Die Ampel springt auf Grün, und ich beschleunige. Doch bevor ich abbiegen kann, sehe ich aus dem Augenwinkel nur noch einen Schatten - und dann kracht es.

Ich bremse abrupt, mein Kopf schlägt gegen das Lenkrad, und ein stechender Schmerz durchzuckt meine Stirn. Panik schießt durch meinen Körper. Blute ich? Was ist passiert?

Ein Moment der Verwirrung, dann sehe ich es: Ein schwarzes Auto ist direkt in meines gefahren. Die getönten Scheiben lassen mich nichts erkennen.

„Rojin... Rojin", höre ich Ayla aus dem Handy rufen, aber ihre Stimme klingt wie aus weiter Ferne, dumpf und verzerrt.

Ohne nachzudenken, lege ich auf. Warum habe ich das getan? Großer Fehler.

Langsam steige ich aus dem Auto, halte mir die pochende Stirn. Das schwarze Auto hat inzwischen angehalten, und ein Mann steigt aus.

„Es war rot! Bist du blind?", fauche ich wütend. Wie kann er einfach über Rot fahren, als gehöre ihm die Straße?

Ich werfe einen schnellen Blick auf mein Auto. Zum Glück - nichts Ernstes. Erleichtert atme ich tief durch.

„Geht's dir gut?", fragt der Typ mit überraschend ruhiger Stimme.

Geht's mir gut? Mein Tag hätte nicht schlimmer beginnen können, und jetzt das.

„Wenn ich blind wäre, würde ich dann in deine leeren Augen starren?" Seine Frechheit setzt dem Ganzen die Krone auf.

Er ist groß, viel zu groß - bestimmt 1,95. Und viel zu selbstsicher.

„Du bist über Rot gefahren!", beharrt er, als könnte er die Realität einfach umdrehen.

Ich öffne den Mund für eine Erwiderung, doch dann sehe ich die Ampel. Grün. Sie ist jetzt grün - nicht vorher.

Plötzlich trifft mich die Erkenntnis. Habe ich das Rot übersehen, als ich aufs Handy geschaut habe?

Hitze steigt mir ins Gesicht. Peinlich. Ich will am liebsten im Boden versinken.

„Bist du verletzt?", fragt er erneut, diesmal ernsthaft besorgt.

„Können wir das bitte einfach vergessen?", antworte ich hastig. „Nichts ist kaputt, also lassen wir es gut sein."

Er schaut mich an, und ich kann seinen Blick förmlich auf meiner Haut spüren. „Den Unfall kann ich vergessen. Aber dich vielleicht nicht."

Verwirrt und etwas überrumpelt, steige ich wieder ins Auto und fahre weiter zur Uni. Ayla wartet schon auf dem Parkplatz.

Kaum steige ich aus, schnipst sie mir auf die Stirn, dann zieht sie mich in eine enge Umarmung.

„Du hast mir Angst gemacht!" Ihr verärgerter Blick ist einfach zu niedlich. Ich kann nicht anders, als zu grinsen.

Arm in Arm gehen wir zum Uni-Gebäude. „Was jetzt? Den Kurs können wir sowieso vergessen." Also setzen wir uns auf die Treppenstufen vor dem Eingang und teilen den Keks.

„Was ist eigentlich passiert?", fragt sie neugierig, während sie ein Stück Keks in den Mund schiebt.

„Ich bin aus Versehen über Rot gefahren und in ein Auto gekracht."

Ayla verschluckt sich fast vor Schreck.

Ich beiße gedankenverloren in den Keks und denke daran, wie gut jetzt ein Glas Milch wäre.

„Und?", fragt sie forschend.

„Es war ein Mann." Ein ziemlich attraktiver, um ehrlich zu sein.

Während ich den letzten Krümel esse, spüre ich seine Präsenz immer noch. Diese seltsame Vertrautheit... Woher kommt sie?

Man sagt, man sieht sich im Leben immer zweimal. Und insgeheim hoffe ich, dass wir uns tatsächlich wieder begegnen.

Kein Mann hat sich je so sehr für mich interessiert - nicht auf diese Weise.

Und dieses Gefühl... Ich kenne es. Aber woher?

Worte im WindWo Geschichten leben. Entdecke jetzt