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„Du kannst den Schlüssel auch wieder weglegen," sagt er mit einem herablassenden Blick, doch ich schüttle nur den Kopf, stur und entschlossen. Seine Worte prallen an mir ab wie Regentropfen an Glas. Keine Chance, dass ich diesen Schlüssel jetzt loslasse - vielleicht ist das ja eine von Ted Bundys Methoden.

Ich umklammere den Schlüssel fester, halte ihn vor mir wie ein Schutzschild, während er seine Aufmerksamkeit wieder auf die Straße richtet. Der Verkehr wird dichter, und in meinem Kopf schwirren die Gedanken durcheinander. Auf dem Weg zur Uni hoffe ich insgeheim, dass wir rechtzeitig ankommen. Ich will nicht auch noch mein Seminar verpassen, nachdem mein Tag so chaotisch begonnen hat.

Gerade haben wir Can abgesetzt, der Typ, der mir ins Auto gefahren ist. Eine seltsame Erleichterung durchströmt mich, als er verschwindet. Sein nerviges Gemurmel, sein endloses Summen von Liedern, die niemand hören wollte, hatten mich fast in den Wahnsinn getrieben.

„Wann hast du Feierabend?" Seine Frage klingt fast beiläufig, als wären wir alte Freunde. Ich halte inne, schaue ihn kurz an und sage kühl: „Das geht dich nichts an." Ich spüre seinen Blick auf mir ruhen, fühle, wie meine Wangen leicht brennen. Warum wirkt er nur so irritierend attraktiv und gleichzeitig abweisend wie eine verschlossene Tür?

„Wie kommst du nach Hause?" Wieder verdrehe ich die Augen. „Auch das geht dich nichts an." Wieso stellt er überhaupt so viele Fragen? Und warum... interessiert es ihn?

Er lacht leise, ein dunkles, kurzes Lachen. „Dir ist schon klar, dass du gerade in meinem Auto sitzt, oder?" Seine Worte treffen mich unvorbereitet. Verdammt. Ich sitze wirklich in seinem Auto. Ausgerechnet. Und warum fühlt sich das plötzlich so seltsam an?

Zum Glück erreichen wir den Parkplatz der Uni, und ich atme erleichtert auf. Keine Sekunde länger möchte ich mit ihm in diesem beengten Raum sitzen. Es wäre mir sonst zu peinlich. Oder vielleicht sogar gefährlich - aber nicht im herkömmlichen Sinn.

Ich steige schnell aus dem Auto, atme tief durch, als ich plötzlich von einer festen Umarmung überwältigt werde. Ayla, meine beste Freundin, drückt mich so fest an sich, dass mir fast die Luft wegbleibt. „Wie oft willst du mir eigentlich noch einen Herzinfarkt verpassen?" Ihr empörter Blick entlockt mir ein Lachen, und ich vergesse für einen Moment alles um mich herum. Ayla - immer zur Stelle, wenn ich sie brauche.

„Wie hast du mich nur so schnell gefunden?" frage ich lachend, während sie mich loslässt. Sie hat wirklich Adleraugen. Doch bevor sie antworten kann, fällt ihr Blick auf den Mann, der uns beobachtet. Ihr Gesichtsausdruck ändert sich schlagartig, als sie ihn erkennt.

„Irgendwoher kenne ich dich," murmelt sie, ihr Blick wandert zwischen ihm und mir hin und her. Und jetzt, wo sie es erwähnt, kommt mir sein Gesicht auch seltsam vertraut vor.

„Rojin und Ayla," sprudelt es plötzlich aus ihr heraus, bevor ich etwas sagen kann. Sie grinst verschmitzt, und ich kann ihre Gedanken fast hören.

Er wirkt einen Moment angespannt, als sie unsere Namen nennt, und sein Blick fängt meinen für einen Augenblick ein. Etwas Unerklärliches liegt in der Luft, als ob wir uns bereits begegnet sind - und nicht nur vor drei Wochen. Ich wende meinen Blick schnell ab und schlinge meinen Rucksack über die Schulter. Alles an dieser Situation fühlt sich so merkwürdig an.

„Was studiert ihr eigentlich?" fragt er, als wir zu dritt in Richtung Universitätsgebäude laufen. Ich weiß nicht, warum, aber irgendetwas in mir beginnt zu tauen. Es ist, als würde etwas in mir aufbrechen, etwas, das lange verborgen war.

„Biologie," sage ich knapp, während Ayla hinzufügt: „Lehramt."

„Medizin," erwidert er mit einem leichten Nicken in unsere Richtung. Es gibt einen Moment der Stille, bis Ayla plötzlich nach meiner Hand greift. „Wir haben unser Seminar völlig vergessen!" Schnell zieht sie mich mit sich, und ich bin fast erleichtert, dass wir loslaufen.

Worte im WindWo Geschichten leben. Entdecke jetzt