Ich laufe nervös hin und her, während Emin und Samet verzweifelt versuchen, das Baby zum Schlafen zu bringen. Das Zimmer ist erfüllt von der Unruhe, die uns alle umgibt - und den Schreien, die uns den letzten Nerv rauben.
„Bro, sie braucht Milch", ruft Samet zum dritten Mal, seine Stimme überschlägt sich vor Verzweiflung. Ich nicke nur stumm, obwohl ich selbst genauso hilflos bin. Dieses Baby - es tut mir unendlich leid. Es ist nicht nur der Verlust der Mutter, die es im Stich gelassen hat, es ist mehr als das. Sie ist einfach eine der schlimmsten Personen, die ich mir vorstellen kann. Direkt nach der Geburt hat sie sich abgewandt, das Krankenhaus verlassen, als ob dieses kleine Wesen für sie nie existiert hätte. Nun steht Emin da, allein mit einem Baby, das verzweifelt Schutz und Liebe sucht - und er hat keine Ahnung, was er tun soll.
„Woher sollen wir jetzt Brustmilch bekommen, verdammt?" Ich weiß, dass keiner von uns eine Antwort hat. Keine Freundin, keine Mutterfigur, die uns aus dieser misslichen Lage retten könnte. Es fühlt sich alles so absurd an - fast wie ein schlechter Film. Vielleicht so wie in „Plötzlich Papa". Alles ist plötzlich so ernst geworden. Die Verantwortung, die Ängste - es fühlt sich an, als hätte ich über Nacht die Rolle eines Vaters übernommen.
Ich nehme das Baby in meine Arme, seine Haut ist weich, aber sein Weinen wird nur noch lauter. Die Schreie schallen durch das Zimmer, unerbittlich, und sie reißen an unseren Nerven. Es ist, als würden die Wände um uns herum immer enger werden. Emin googelt verzweifelt, sucht fieberhaft nach irgendeiner Lösung, aber es gibt keine magische Antwort, die uns jetzt helfen könnte. Seine Frustration spiegelt sich in seinem Gesicht wider, und ich kann sehen, wie er kurz davor ist, das Handy gegen die Wand zu werfen.
Wir alle sind überfordert. Das Baby leidet, und wir wissen nicht, wie wir helfen sollen. „Elmas, bitte", flüstere ich leise, wie ein stilles Gebet. Natürlich gibt es keine Antwort. Ein Baby kann nicht antworten - und doch hoffe ich auf ein Wunder, irgendetwas, das dieses Weinen stoppt.
„Kennt irgendwer jemanden, der mit Babys umgehen kann?" fragt Emin schließlich mit erstickter Stimme. Doch es bleibt still im Raum. Samet und ich senken den Blick, und eine Welle der Unsicherheit überkommt mich. Seit wann habe ich das letzte Mal eine Frau an meiner Seite gehabt? Und noch mehr - seit wann bin ich bereit, diese Vaterrolle zu übernehmen? Aber die Antworten kenne ich. Ich kann meinen Bruder nicht im Stich lassen. Und meine letzte Beziehung liegt zwei Jahre zurück. Plötzlich denke ich an Rojin. Der Duft von Zimtschnecken steigt mir in die Nase. Sie hat gestern, oder besser gesagt heute Nacht, welche gebacken. Sie ist so viel besser im Kochen als ich - eine Perfektionistin durch und durch. Sie ist weiblich, einfühlsam, sie kann mit Kindern umgehen, und - ja, sie hat Brüste, die uns gerade in dieser Situation sehr nützlich wären.
„Nimm mal Elmas", sage ich abrupt und drücke das Baby Samet in die Arme. Dann greife ich nach meinem Handy. Auf dem Display leuchtet Rojins Name auf. Sollte ich sie wirklich anrufen? Ist das nicht eine total bescheuerte Idee?
„Was machst du da?" fragt Samet verwirrt, als ich den Anrufbutton drücke. Ich winke nur ab, während das Klingeln ertönt.
Nach ein paar Sekunden geht sie ran. „Hallo?" „Ich brauche deine Hilfe", sage ich hastig. Das Baby schreit mittlerweile so laut, dass ich Mühe habe, mich zu konzentrieren. „Wobei?" Ihre Stimme klingt unsicher, zögerlich. Ich kann ihre Skepsis fast durch das Telefon spüren.
„Können wir FaceTimen? Ich zeig's dir."
---
„Okay, okay", seufzt sie schließlich. Ein tiefes Einatmen folgt. Was bedeutet dieses ‚Okay'? Ist es ein ‚Okay, ich mache das', oder eher ein ‚Okay, ihr spinnt'?
„Einer von euch wäscht sich jetzt die Hände und steckt dann den Daumen in den Mund des Babys", sagt sie plötzlich, mit der Autorität einer Person, die genau weiß, was sie tut. Wir starren sie einen Moment lang ungläubig an, doch dann springt Emin auf und gehorcht. Er wäscht sich gründlich die Hände und steckt vorsichtig seinen Daumen in den winzigen Mund des Babys.
DU LIEST GERADE
Worte im Wind
Romance𝐖𝐨𝐫𝐭𝐞 𝐢𝐦 𝐖𝐢𝐧𝐝 --- Mit gerade einmal 22 Jahren hat die Psychologie-Studentin und Autorin 𝐑𝐨𝐣𝐢𝐧 𝐍𝐞𝐡𝐫𝐢 bereits Tausende Leser begeistert. Ihre Worte fesseln nicht nur, sie dringen tief ins Herz - ehrlich, kraftvoll und voller Lebe...