Letzte Nacht war ich gefangen in einem Meer aus Gedanken, unfähig zu schlafen und das Schreiben blieb mir verwehrt. Mein Plan war, bis zwei Uhr morgens an meinem Buch zu arbeiten, doch statt der ersehnten Worte, die wie ein rauschender Fluss aus mir herausfließen sollten, saß ich stundenlang vor meinem Laptop und wusste nicht, wo ich beginnen sollte.
Erst in der Mitte dieser Geschichte, spüre ich, werde ich die wahren Emotionen und Situationen erfassen können, die in mir brodeln.
Als der Morgen anbricht, erwache ich mit quälenden Magenschmerzen, die mich in ihren Bann ziehen. Mit einem flauen Gefühl im Bauch schleppe ich mich ins Badezimmer. Doch als ich in mein Zimmer zurückkehre, ist der Schmerz glücklicherweise verschwunden, als hätte die Nacht meine Ängste hinweggefegt.
Ich bin eigentlich noch erschöpft, der Schlaf lockt mich, doch die Furcht vor den wiederkehrenden Schmerzen hält mich gefangen in der Wachsamkeit.
Bauchschmerzen in der Nacht sind für mich nichts Neues – ich habe gelernt, mit ihnen zu leben. Ich greife nach meinem Buch und schlage die erste Seite auf.
„Für A., der meine Hoffnung in Fleisch war – und es immer sein wird.“
Erinnerungen fluten mich, Erinnerungen, die ich längst verbannt glaubte. Sie kehren unkontrolliert zurück, wie Geister der Vergangenheit.
„Was ist, wenn du irgendwann nicht mehr bei mir bist?“
„Dann leg dich in den Regen und wisse, dass ich auch unter dem Regen bin.“Manchmal denke ich, dieses Buch ist mein eigenes Todesurteil. Ich schreibe über eine Zeit, die ich verzweifelt aus den Tiefen meines Bewusstseins verbannen wollte.
Es ist wie ein ewiges Fragezeichen, das in meinem Kopf schwebt.
Unwillkürlich klappe ich das Buch zu und werfe es mit einem gefühlvollen Schwung auf den Boden. Kein Funken Motivation oder Kreativität brennt mehr in mir.
Seitdem „Hoffnung der Zeit“ veröffentlicht wurde und es ein unerwarteter Erfolg war, stehe ich vor der Herausforderung, die Fortsetzung zu beginnen.
Ich lasse die Gedanken los und konzentriere mich auf den Moment. Auf der Suche nach Trost stehe ich auf und gehe in die Küche, um mir einen Keks und eine Tasse Tee zu gönnen.
Dieses Mal habe ich weiche Kekse gebacken, die trotz des Chaos, das ich beim Backen angerichtet habe, erstaunlich gut schmecken. Innerlich klopfe ich mir auf die Schulter – einen Schokoladenkeks um sieben Uhr morgens zu essen, ist vielleicht nicht die beste Entscheidung, doch es kümmert mich nicht. Während ich genieße, schaue ich eine neue türkische Serie, die auch Ayla und Kenan begeistert.
Heute trage ich einen oversized, pinken Pullover, der mir bis zum Bauchnabel reicht, kombiniert mit einer meiner bequemen Mom-Jeans. Meine Haare habe ich in einem Dutt zusammengebunden und geschminkt habe ich mich nicht. Früher habe ich meine Muttermale im Gesicht immer versteckt, doch heute kann ich sie nicht anders als zu akzeptieren.
Ich verlasse das Haus eine halbe Stunde früher, da ich zur Bahnhaltestelle laufen muss. Auf dem Weg telefoniere ich mit Ayla, die sich heute mit Kenan trifft. Kenan gehört zu meinen engsten Freunden. Ich erinnere mich an unsere Abschlussfahrt, als wir in einen Club gingen – ein Abend, der mir das erste Mal eine Zunge in einem Mund zeigte, ein Anblick, der mir bis heute unangenehm bleibt.
An der Haltestelle angekommen, sehe ich auf die Anzeigetafel und stelle fest, dass die Bahn aufgrund eines Unfalls nicht fährt.
„Sollen Kenan und ich dich abholen?“, fragt Ayla. Ich höre Kenan im Hintergrund murmeln, doch seine Worte sind undeutlich.
„Nein, alles gut. Ich finde schon einen Weg“, antworte ich, obwohl mir eine Lösung einfällt, die mir nicht behagt. „Ich muss nur kurz jemanden anrufen.“
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„Ruf mich immer an.“ Ein unerwartetes Lächeln breitet sich auf meinem Gesicht aus. Nach dem Anruf taucht er nur wenige Minuten später auf und lässt mich einsteigen.
„Arda.“ Seinen Namen auszusprechen, fühlt sich gleichzeitig vertraut und befremdlich an. Arda ist der Grund, warum ich jede Nacht gebetet habe.
„Warum studierst du Medizin?“, fragt ich, während sein Blick auf die Straße gerichtet ist, doch ich spüre, dass in seinem Kopf Gedanken kreisen.
„Ist das nicht offensichtlich?“, erwidere er mit einer Stirnfalte, denn für mich ist nichts offensichtlich.
„Ich breche die Herzen der Frauen“, sagt er mit einem selbstgefälligen Lächeln. Ich verdrehe die Augen und schaue aus dem Fenster.
„Und warum studierst du Physiologie?“, frage er, auch wenn ich die Antwort bereits kenne. Es ist ein Spiel, und ich genieße es.
„Ist das nicht offensichtlich?“ Er sieht mich an, und ein kleines Grinsen schleicht sich zurück auf mein Gesicht. „Weil ich Leute wie dich therapieren will“, sagt er lachend, und wir brechen beide in schallendes Gelächter aus.
Als die Fahrt in eine angenehme Stille übergeht, steigen wir schließlich aus.
„Kannst du mich später auch nach Hause fahren?“, frage ich vorsichtig. Ich möchte nicht undankbar erscheinen, schließlich hat er mich schon oft zur Uni gefahren, obwohl das nicht nötig war.
Aber liebenswert – das ist er, wenn ich das so sagen darf. „Was immer du willst, Brauneugige.“ Brauneugige?
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Worte im Wind
Romance𝐖𝐨𝐫𝐭𝐞 𝐢𝐦 𝐖𝐢𝐧𝐝 --- Mit gerade einmal 22 Jahren hat die Psychologie-Studentin und Autorin 𝐑𝐨𝐣𝐢𝐧 𝐍𝐞𝐡𝐫𝐢 bereits Tausende Leser begeistert. Ihre Worte fesseln nicht nur, sie dringen tief ins Herz - ehrlich, kraftvoll und voller Lebe...