𝐡𝐞𝐟𝐭|𝐬𝐢𝐞𝐛𝐞𝐧

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Menschen brauchen Schlaf.
Er ist wie eine Tasse heißer Kaffee – er weckt uns auf, schenkt uns neue Energie, ein Moment der Ruhe und Erneuerung. Doch wenn man die Nacht mit einem Mann im selben Haus verbringt, wird der „kostenlose Kaffee“ auf einmal nebensächlich. Es ist leicht, auf ihn zu verzichten.

Du kennst das sicherlich: Das Bett ist so unglaublich bequem, die Decke warm, die Kissen weich, und wäre ich zu Hause, hätte ich mich längst in den Schlaf fallen lassen. Doch hier? Kein einziges Mal fallen meine Augen zu. Mein Herz schlägt zu schnell, meine Gedanken wandern, wie Wellen, die sich nicht beruhigen wollen.

Leise, fast wie in einem fremden Traum, schlüpfe ich aus dem Bett, schiebe die Tür geräuschlos auf und schleiche mich die Treppe hinunter. Jede Stufe unter meinen Füßen knarrt leicht, als würde das Haus mit mir flüstern. Unten angekommen, zieht mich die Stille der Küche wie von selbst an. Es gibt etwas Unausgesprochenes, etwas fast Beruhigendes, daran, mitten in der Nacht Zimtschnecken zu backen. Es fühlt sich an wie eine heimliche Zuflucht.

Ich hatte ihm von dieser kleinen, eigenartigen Gewohnheit erzählt – von der Freude, die ich dabei empfinde, wenn der Teig unter meinen Fingern Form annimmt. Seine Reaktion war ruhig, fast beiläufig: „Zögere nicht.“ Mehr brauchte es nicht. Diese zwei Worte gaben mir das Gefühl, diese Küche ganz für mich zu erobern, ohne Scheu, ohne Scham. Sie ist so groß, so hell und weit, dass es mir fast unwirklich erscheint. Meine eigene Küche dagegen ist winzig, ein Ort, an dem man sich gegenseitig im Weg steht. Hier aber könnte eine ganze Mannschaft backen, und doch würde es sich niemals eng anfühlen.

Ich beginne mit dem Teig: Mehl, Zucker, Butter, Milch. Alles greift ineinander wie ein gut geöltes Uhrwerk. Es ist ein Rezept, das ich im Schlaf könnte – simpel, beruhigend. Ein Teil von mir verliert sich in der Routine, und in dieser Stille finde ich eine merkwürdige Art von Frieden. Ich schaffe etwas mit meinen Händen, während die Welt draußen ruht.

Dann merke ich, dass ich das Ei fast vergessen hätte. Schnell füge ich es hinzu, rühre den Teig noch einmal durch, bis er diese perfekte, leicht klebrige Konsistenz erreicht. Ich streue Mehl auf die Arbeitsfläche und beginne, den Teig zu kneten, spüre dabei, wie die Zeit zu verschwimmen scheint. Alles um mich herum ist still, und für einen kurzen Moment ist es nur ich und der Teig, der zwischen meinen Händen zum Leben erwacht.

Plötzlich wird die Stille durchbrochen. Eine vertraute Stimme dringt durch die Dunkelheit. „Soll ich dir helfen?“

Erschrocken halte ich inne, mein Herz setzt einen Schlag aus. Die Wärme seiner Stimme bringt mich aus dem Gleichgewicht, und instinktiv will ich mir die Hand auf die Brust legen – nur sind meine Finger voller Teig. Langsam drehe ich mich um, und da steht er: Arda, an die Tür gelehnt, mit diesem geheimnisvollen Lächeln, das er immer dann aufsetzt, wenn er mehr weiß, als er preisgibt.

„Alles gut, danke“, flüstere ich, obwohl mein Herz noch immer schneller schlägt. Ich wende mich hastig wieder dem Teig zu, in der Hoffnung, die Nervosität, die durch meinen Körper zieht, zu verbergen. Doch ich höre, wie er näherkommt. Seine Schritte hallen in der stillen Küche wider, und ich spüre seine Präsenz hinter mir, fast so, als könnte ich die Wärme seiner Nähe auf meiner Haut spüren.

„Konntest du nicht schlafen?“, fragt er leise, während er den Kühlschrank öffnet und sich eine Wasserflasche herausnimmt. Sein Blick ruht kurz auf mir, und das Licht, das von der kleinen Lampe über der Arbeitsfläche fällt, lässt seine Augen geheimnisvoll funkeln.

„Ich habe dein Buch gelesen“, sagt er plötzlich, als ob es das Natürlichste der Welt wäre. Die Worte treffen mich unvorbereitet, und ich spüre, wie mir die Luft wegbleibt. Ich drehe den Kopf zu ihm und sehe ihn an, unfähig, etwas zu erwidern. Sein Grinsen, dieses schelmische, selbstbewusste Grinsen, das mich jedes Mal herausfordert, lässt meine Gedanken taumeln.

„Ich fand es wirklich gut“, fügt er hinzu, und ich kämpfe darum, meine Überraschung zu verbergen. Ein einfaches „Danke“ verlässt meine Lippen, doch tief in mir breitet sich etwas Warmes aus, eine Art stiller Stolz, gemischt mit Unsicherheit. Jedes Mal, wenn jemand meine Bücher lobt, fühlt es sich an, als würde ein winziger Teil von mir aufleuchten, doch es ist auch immer diese Scheu da, diese leise Angst, bloßgestellt zu sein.

„Ich mache die Füllung“, sagt er dann, und bevor ich protestieren kann, beginnt er bereits, die Zutaten bereitzustellen. Ich könnte Hilfe gebrauchen – der Teig klebt immer noch an meinen Fingern, als wäre er ein Teil von mir geworden. Doch es ist seine ruhige, selbstverständliche Art, die mich überrascht. Und dann, ohne Vorwarnung, dreht er den Wasserhahn auf und greift nach meinen Händen. Seine Berührung ist fest, aber sanft, als er mir dabei hilft, den Teig von meinen Fingern zu lösen. Es ist eine so einfache Geste, und doch fühle ich, wie mein Herz schneller schlägt.

„Das kann ich auch allein“, sage ich leise, fast zu leise, um es selbst zu hören. Doch er schenkt meinen Worten keine Beachtung. Sein Griff bleibt sanft, und er konzentriert sich auf das Wasser, das über unsere Hände fließt, als ob es nichts Wichtigeres gäbe.

Dann hört das Wasser auf, und mit ihm endet auch seine Berührung. Es hinterlässt eine seltsame Leere. Ich schiebe den Gedanken beiseite, will mich wieder auf den Teig konzentrieren, doch seine Stimme reißt mich aus meinen Überlegungen.

„Also, die Füllung besteht aus…“, beginnt er, und ich sehe ihn an, Honig, Zucker und Zimt stehen bereits auf der Arbeitsfläche. „Honig, Zimt und Zucker“, flüstere ich, und mein Blick ruht auf seinen Händen, die die Zutaten mit einer solchen Präzision vermischen, als hätte er es schon unzählige Male getan.

„Woher…?“, beginne ich, aber er unterbricht mich mit einem leichten Lächeln, das mir den Atem raubt. „Ich weiß mehr, als du denkst“, sagt er, und in diesem Moment fühle ich, wie die Welt für einen Augenblick stillsteht.

Worte im WindWo Geschichten leben. Entdecke jetzt