𝐝𝐞𝐡|𝐳𝐞𝐡𝐧

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Arda

„Was hat er gemacht?“ fragen mich die Jungs und lasse den Blick über alle schweifen, die heute alle für ein gemeinsames Ziel hier sind: Mert eine Lektion zu erteilen. Dieser Kerl glaubt, er könne ihr wehtun und einfach so davonkommen.

Wer denkt er, dass er ist? Und was gibt ihm das Recht, sie zu verletzen?

Bis gestern konnte ich meine Wut noch irgendwie unter Kontrolle halten, aber jetzt? Jetzt ist Schluss.

„Und was ist sie für dich?“ höre ich eine Stimme aus der Gruppe. Ich drehe mich um, fixiere denjenigen, der es gewagt hat, das zu fragen, und meine Stimme ist kalt, als ich antworte: „Meine Freundin.“ Ich spüre, wie die Wut mich durchströmt, wie sie meine Worte schärft.

Ohne zu zögern trete ich Mert in die Weichteile. So fest, dass es sich anfühlt, als könnten sie ihm bis zum Hals wieder herauskommen. Sein Gesicht verzieht sich vor Schmerz, und für einen Moment genieße ich das. Doch es reicht noch nicht.

„Wenn das so ist“, murmelt Hunter neben mir, seine Stimme tief und entschlossen. Er knackt mit den Fingern, ein Geräusch, das unheilvoll in der Luft hängt. Hunter ist erst seit ein paar Monaten in Deutschland, ursprünglich kommt er aus Texas. Und obwohl man es ihm nicht ansieht, spricht er perfektes Deutsch. Man merkt ihm nicht an, dass er fast sein ganzes Leben woanders verbracht hat. Er ist ein Mann der Tat, und heute sind wir alle hier, um Taten sprechen zu lassen.

Die Jungs nicken mir zustimmend zu, und in ihren Augen sehe ich denselben Zorn, der auch in mir lodert. Warum laufen Kerle wie Mert überhaupt noch frei herum? Es ist Zeit, das zu ändern.

Wir steigen in den Wagen. Es ist drei Uhr morgens, und wir haben herausgefunden, dass Mert gerade auf einer dieser Sportlerpartys ist, die alle zwei Wochen stattfinden. Ich kenne diese Partys. Ich war selbst mal auf einer. Alkohol, Drogen und ein Hauch von Perversion. Die Leute tanzen halb nackt, treiben es auf Tischen – als würde die Welt um sie herum nicht existieren.

Doch heute geht es nicht um die Party. Heute geht es darum, dass Mert eine Lektion lernt. Er muss verstehen, mit wem er sich angelegt hat. Nicht nur mit einem süßen Mädchen, sondern mit mir – und mit uns. Rojin verdient mehr als so einen Drogenabhängigen.

Die Party findet in einer Studentenwohnung statt, nicht weit von hier. Nach ein paar Minuten sind wir da. Mein Herz schlägt schneller, als ich an das denke, was er ihr angetan hat.

Er hat ihr wehgetan. Immer wieder schießt dieser Gedanke durch meinen Kopf. Und jedes Mal fühle ich, wie die Wut in mir weiter aufsteigt.

Ich steige aus dem Wagen, Emin und Semat folgen mir. Sie sind genauso wütend wie ich, vor allem Emin. Er ist einer, der sich schnell emotional an Menschen bindet. Er hat eine besondere Verbindung zu Rojin, nicht nur, weil sie ihm einmal geholfen hat. Und dann ist da seine Liebe zu seiner kleinen Tochter Elmas. Sie ist erst ein paar Wochen alt, aber er hat schon strikte Regeln für sie aufgestellt.

1. Kein Freund, niemals.

2. Kein Sex vor der Ehe.

3. Kein Freund.

Wir betreten die Party, und der Geruch von Schweiß und Alkohol schlägt mir entgegen. Frauen tanzen überall, werfen sich an uns heran, doch ich schiebe sie ohne einen weiteren Gedanken beiseite. Ich bin nicht hier für sie.

„Da ist er“, knurrt Hunter plötzlich. Meine Augen folgen seinem Blick, und da sehe ich ihn: Mert. Eine Frau sitzt auf seinem Schoß, reibt sich an ihm, als wäre er das Zentrum ihrer Welt.

Rojin verdient mehr als so einen wie ihn – sie hat eine Seele, die wie der Regen rein und stark ist, und niemand hat das Recht, sie zu zerstören.

Ich ballte die Fäuste, und die Jungs um mich herum tun es mir gleich. Wir nähern uns ihm, und er bemerkt uns, versucht es aber mit einer Mischung aus Arroganz und Ignoranz wegzulächeln.

„Was wollt ihr?“ fragt er frech, als wäre er unantastbar.

Ich spanne den Kiefer an und gehe auf ihn zu. „Dir eine Lektion erteilen“, sage ich kalt und packe ihn am Kragen. Mit einem heftigen Ruck ziehe ich ihn nach oben. Das Mädchen auf seinem Schoß verliert das Gleichgewicht, und einer meiner Jungs hilft ihr, bevor sie stürzt. Wir mögen hart wirken, aber Frauen gegenüber sind wir nie grausam. Nicht einmal in einem Moment wie diesem.

Ich ziehe Mert nach draußen, sein Körper schwankt, benebelt von Alkohol und Drogen. Seine Augen flackern panisch, als er realisiert, dass es heute anders für ihn ausgehen wird.

„Was hast du gesagt?“, stammelt er, als ich ihn gegen die Wand drücke. „Ich hab keine Ahnung, wovon du redest.“

„Du weißt genau, was du getan hast“, zische ich und trete ihm zwischen die Beine. Er krümmt sich vor Schmerz, fällt auf den Boden, und der Regen beginnt, auf uns niederzuprasseln. Rojin liebt den Regen. Ich denke daran, wie sie einmal sagte, dass der Klang des Regens sie beruhigt. Ironischerweise beruhigt er heute auch mich, während ich auf Mert herabschaue.

„Wenn du es auch nur wagst, sie noch einmal anzusehen, geschweige denn mit ihr zu sprechen, werde ich dich umbringen“, flüstere ich ihm ins Ohr, während der Regen auf uns niederfällt.

Rojin

Ich sitze auf der Couch und starre auf den Bildschirm, wo einer dieser billigen Horrorfilme läuft, die nichts als ein Gähnen in mir auslösen. Die einzigen wahren Horrorfilme, die mir je das Blut in den Adern gefrieren ließen, sind die Klassiker aus den 70ern. „Halloween“ oder „Texas Chainsaw Massacre“, das waren Filme, die echten Schrecken verbreiteten. Wobei „Texas Chainsaw Massacre“ fast zu viel für mich war. Ich erinnere mich noch daran, wie ich nach dem Film eine ganze Woche bei Ayla im Bett geschlafen habe, als sie noch hier wohnte. Seit sie ausgezogen ist, herrscht in der Wohnung nur noch Stille. Eine Stille, die mich manchmal erdrückt. Eine neue Mitbewohnerin? Das wäre sicher keine Katastrophe, aber auch keine großartige Idee.

Ich habe Angst, dass eine neue Mitbewohnerin mit meinen Eigenheiten nicht klarkommt – zum Beispiel, dass ich manchmal mitten in der Nacht backe oder zu unmöglichen Uhrzeiten dusche. Mit Ayla war es anders. Wir sind seit elf Jahren beste Freundinnen. Sie ist nicht nur eine Freundin, sondern wie eine Schwester für mich. Manchmal liebe ich sie sogar mehr, als ich mich selbst liebe, und würde alles für sie tun.

Ich greife nach meinem Handy und öffne Instagram. Gedankenlos scrolle ich durch die Benachrichtigungen, beantworte ein paar Nachrichten von Freunden, die mir wieder einmal irgendwelche Reels geschickt haben. Schließlich öffne ich unseren Chat, den von Ayla und mir. Er ist überfüllt mit sinnlosen, inzwischen nicht mehr wirklich lustigen Reels und endlosen Gesprächen, die uns vermutlich hinter Gitter bringen könnten.

Ayla: „Ich hab den Account deines Loverboys gefunden. Gern geschehen! Und krieg endlich den Stock aus dem Arsch und heirate!“

Ich lache leise. Typisch Ayla.

Ayla: „Ich sag’s doch, wir landen irgendwann im Knast wegen diesem Chat.“

Rojin: „Der Stock ist wohl eher in deinem Arsch. Und ich will seinen Instagram gar nicht sehen. Mir reicht schon die Nummer.“

Mir reicht schon die Nummer... sage ich mir selbst, als ob ich keine weiteren Gedanken daran verschwenden würde. Doch kaum habe ich die Nachricht abgeschickt, öffne ich den Link zu Ardas Account. Sein Profil ist privat.

Wir sind nur Freunde, sage ich mir. Es ist ganz normal, sich gegenseitig zu folgen, oder? Außerdem bin ich kein Teenager mehr, der Angst davor hat, einem Typen zu folgen.

Oder etwa doch?

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Ich habe eine neue Idee und soll ich euch was verraten. 😉

Sie wird euch nicht gefallen ... 😘

Worte im WindWo Geschichten leben. Entdecke jetzt