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(Rede mit mir)———
Deniz
Der Schultag war so langsam vergangen, dass ich irgendwann einfach aufgehört hatte, auf die Uhr zu schauen. Physik in den ersten zwei Stunden war schon der absolute Tiefpunkt. Es war wieder einer dieser Stunden in der ich mir nur dachte: „Bitte was?".Herr Werner laberte vorne irgendwas über Kräfte und Beschleunigung, aber es rauschte nur an mir vorbei. Mein Blick wanderte immer wieder zu Leon, der direkt neben mir saß. Jedes Mal, wenn er lachte, spürte ich ein komisches Ziehen in der Brust. Es war nicht das erste Mal, dass ich das fühlte.
Was war das nur? Er ist doch mein bester Freund! Warum ließ mich seine Nähe plötzlich so... nervös werden? Ich war die meiste Zeit des Unterrichts mehr mit meinen Gedanken beschäftigt als mit den physikalischen Formeln an der Tafel.
Draußen fiel übrigens der erste Schnee des Jahres. Kalt war es auch, aber irgendwie spürte ich nichts von der Kälte, obwohl ich immer wieder einen Schauer durch meinen Körper zog, wann immer ich Leon ansah. Das Gefühl verfolgte mich sogar in meine Träume.
Da war dieser eine Traum, in dem es wie bei einem Sturm regnete, und wir beide rannten lachend durch die Straßen. Als wir bei mir ankamen, gingen wir direkt in mein Zimmer, noch halb durchnässt, und plötzlich standen wir da, stumm, nur der Regen im Hintergrund. Und dann... dann hatten wir uns geküsst. Einfach so. Als ob es das Normalste der Welt wäre.
Die schrille Klingel, die die Pause ankündigte, riss mich für kurze Zeit aus meinen Gedanken. Draußen schneite es immer heftiger, und die dicken Flocken verwandelten den Schulhof in ein weißes Meer.
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Nach der Schule liefen Defne und ich zusammen nach Hause. Der Schnee knirschte unter unseren Füßen und sie redete wie immer ununterbrochen, aber ich bekam kaum ein Wort mit. Meine Gedanken hingen immer noch bei Leon, bei dem Traum und bei der Frage, was das alles bedeutete. Was, wenn ich wirklich... verliebt war? In ihn?
Beim Mittagessen saßen wir am Tisch, Papa hatte irgendwas von der Arbeit erzählt, aber ich nickte nur abwesend. Ich starrte auf mein Essen, ohne wirklich Hunger zu haben, während die Gespräche um mich herum vorbeizogen.
Selbst als ich später mein Zimmer betrat, um mich fürs Training umzuziehen, war ich in einer völlig anderen Welt. Ich zog mir die Trainingssachen über, schnürte meine Schuhe, aber meine Gedanken blieben bei Leon. Was, wenn es nicht nur der Traum war? Was, wenn das alles real war?
Plötzlich flog die Tür auf, und Defne stürmte rein, als wäre irgendwas schlimmes passiert. „Wir müssen reden! Sofort!", sagte sie ohne Vorwarnung. Sie blieb in der Tür stehen, ihre Arme verschränkt, und sah mich skeptisch an. Ich konnte nur seufzen und ließ das Shirt, das ich gerade wegräumen wollte, fallen.
„Über was?", fragte ich, obwohl ich genau wusste, was sie wollte. „Über dich, du Idiot. Was ist los? Du bist seit Tagen komisch. Du redest nicht mehr viel, starrst Löcher in die Luft und schleichst hier rum wie ein Zombie. Also erzähl! Was ist los?" . Sie ließ sich auf meinem Bett nieder und verschränkte wieder die Arme.
Ich zögerte, setzte mich langsam hin. Wie sollte ich ihr das jetzt erklären? Würde sie mich auslachen? Nein, Defne war nicht so. Aber trotzdem... die Worte blieben mir im Hals stecken. Doch sie sah mich so auffordernd an, dass ich irgendwann aufgab. Sie erinnerte mich ein bisschen an Mama, wenn damals einer von uns etwas kaputt gemacht hat, und sie herausfinden wollte, wer es war. In den meisten Fällen war übrigens Defne die Schuldige.
„Okay, aber versprich, dass du mich nicht verurteilst", sagte ich leise und schaute kurz aus dem Fenster, wo der Schnee jetzt dicke Schichten auf den Fensterbänken bildete. „Deniz, ich bin deine Schwester. Jetzt rede."
Ich konnte nicht mehr ausweichen. Ich atmete tief durch, setzte mich neben sie und begann zu reden. „Es geht um... Leon." Ich starrte auf den Boden, meine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. „Okay, was ist mit dem?", fragte sie, zog die Beine auf das Bett und setzte sich im Schneidersitz hin.
„Ich... ich glaube, ich hab Gefühle für ihn. Ich meine, ich bin mir nicht sicher, aber da ist was. Und es ist komisch, weil er mein bester Freund ist. Und dann hatte ich diesen Traum..." Ich stockte.
„Einen Traum?" Defne lehnte sich neugierig vor. „Erzähl mir alles."
„Also... es hat geregnet, und wir sind zu mir nach Hause gerannt. Und dann... dann haben wir uns geküsst." Ich sah sie an, erwartete irgendeine Reaktion.
Doch sie sah mich einfach nur ruhig an. „Es hat sich so real angefühlt, Defne. Und es macht mir irgendwie Angst, weil ich nicht weiß, was das alles bedeutet."
Defne grinste plötzlich. „Ich wusste es!", rief sie fröhlich und sprang auf. „Ich wusste es die ganze Zeit!"
„Ja, super", murmelte ich und schüttelte den Kopf, aber ich musste auch ein bisschen lächeln.
„Aber wo ist jetzt das Problem? Du stehst halt auf Jungs, na und?", fuhr sie fort.
Ich lachte verlegen, aber bevor ich weitermachen konnte, fiel mir noch ein Traum ein. „Es war aber nicht nur dieser eine Traum", fügte ich hinzu, als wir uns wieder hinsetzten. Ich fing an, weiterzureden, ohne groß nachzudenken. „Es war nicht nur der Kuss. Letztens hab ich auch geträumt, dass wir-"
Defnes Augen weiteten sich. „Stopp!" Sie hielt beide Hände hoch, als wollte sie eine imaginäre Mauer zwischen uns aufbauen. „Alter, Deniz! Ernsthaft, ich will das nicht hören! Das sind... viel zu viele Information." Ich lachte verlegen, aber mir war auch ein bisschen dumm, dass ich das überhaupt angesprochen hatte. „Oke, sorry, ich dachte nur—"
„Nein ähm.. gut, dass du mit mir endlich mal redest", sagte sie schnell, „aber die Details die kannst du gerne für dich behalten." Sie grinste, aber dann wurde sie wieder ernster und legte eine Hand auf meine Schulter. „Aber mal ehrlich, Deniz. Du machst dir zu viele Gedanken. Du bist in Leon verliebt, und das ist okay. Das ist jetzt nichts, was dein ganzes Leben verändert . Es ist einfach nur... was es ist."
Ich nickte langsam, aber innerlich war ich noch nicht ganz überzeugt. „Was ist, wenn Leon es rausfindet? Ich meine, was, wenn er nicht so fühlt und es dann alles zwischen uns kaputtmacht? Und was ist mit Papa?"
„Ach Papa? Der wird doch kein Drama draus machen, du kennst ihn doch. Und Leon, wenn er wirklich dein bester Freund ist, dann wird er es schon verstehen. Und wer weiß, vielleicht fühlt er ja genauso", erklärte sie mir .
Ich lachte bitter und verdrehte die Augen. „Als ob".
„Ja, wirklich", sagte Defne und kam näher, um mich zu umarmen. „Egal was passiert, ich bin für dich da. Und Papa wird's schon verkraften. Wir leben ja nicht im Mittelalter."
Ich spürte, wie ein Teil der Last von meinen Schultern fiel. „Danke, Def wirklich! Du hast keine Ahnung, wie sehr ich das gebraucht habe."
Sie lächelte mich an, zog mich in eine feste Umarmung und dann sagte sie: „Reicht jetzt mit dem ganzen Drama, wir müssen langsam mal los zum Teufelstopf, sonst kommen wir noch zu spät!"
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PS: Ich möchte keine Hate Kommentare oder anderes gegen LGBTQ sehen :)
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UN:MASKED | Markus FF
Fanfic„Kacke Verdammt, Deniz! Diese Pinke Barbie da, ist deine Schwester?!" - 𝑳𝑬𝑶𝑵 „Ich liebe pink, wo ist das Problem? Nur weil du nicht so gut aussiehst wie ich, musst du nicht so sauer sein" - 𝑫𝑬𝑭𝑵𝑬