41

142 17 27
                                    

enjoyy

Es war nichts gut.
Das war es nie, wenn mein Vater anrief.
So war ich auch nicht überrascht, mit welcher Anspannung ich mein Telefon festhielt, aus der die Stimme meines Vaters drang.

Ich wollte auflegen. Ich konnte es aber nicht. Ich wusste, was bevorstand, wenn ich es tun würde. Es war schon schlimm genug gewesen, als das Handy einmal den Akku aufgegeben hat und ich am nächsten Tag eiskalt an die Tatsache erinnert wurde, dass man mir meine Wohnung entziehen könnte.

Meine Volljährigkeit begann mit der Begrüßung des anstehenden neuen Jahres, doch bis dahin hatte mein Vater das Sorgerecht.
Und leider Gottes, nahm er es ernst. Es war auch zu erwarten. Er hegte einen Missmut gegenüber gebrochenen Regeln und nicht eingehaltenen Strukturen. 

Früher hatte auch nur ein Glas zu viel zu scheppern gebraucht und sein Tag war gelaufen gewesen. Eine nicht gewischte Fläche, eine Notenpunkt schlechtere Arbeit.
Selbst wenn ich zu viel in meinen Zimmer gehockt hatte, wurde mir eine Desozialisierung vorgeworfen. Ich solle lieber Freunde finden, denn ohne Leute, die einen respektieren würden, wäre man nichts.
„Minho, du akzeptiert nur Respekt. Menschen, die dir so etwas nicht entgegenbringen haben keinen Wert. Ebenso hast du keinen Wert, wenn du es nicht darbietest. Inzwischen solltest du es langsam begriffen haben. Einen Idioten als Sohn will ich nicht.“

Insgeheim wollte er vieles nicht. Manchmal dachte ich, er wollt9e meine gesamte Existenz nicht. Doch dieser Gedanke war weder überraschend noch erschütternd. Er war real.

Dennoch konnte ich es nahezu nicht ausstehen, wenn er anrief oder auf die Idee kam „nach den Rechten zu schauen“.  Dann erging es mir wie jetzt. Und so, wie es mir jetzt ging, lag auch nicht in seinem Interesse.

„Tsk, er ist dir also immer noch nicht davon gelaufen, sieh einer an.“
Ich hatte seine Frage nach Jisung nicht einmal beantwortet. Doch selbst aus einer Sekunde meines Zögerns war er einwandfrei in der Lage, die tatsächliche Antwort herauszuhören. Das war mitunter einer der Gründe, weshalb so viele Leute ihn wertschätzten. Er hörte heraus, was eine Person wollte, ohne das sie es konkret sagen musste. In Geschäften wahrscheinlich überaus praktisch, in Alltagssituationen überaus quälend.

Noch immer hallte sein Satz in meinen Kopf und nach einem Herzschlagen setzte er seine Wirkung frei. „Immer noch nicht weggelaufen, sieh einer an.“
Die Angst, die auf diesen Satz reagierte, war unbeschreiblich groß. Immens groß. So groß, dass es sich anfühlte, als ob sie sich nun langsam aber sicher an mir festbeißen würde. Wie ein aggressiver Hund, der keine Erziehung genossen hat. Ein Hund, der nie Grenzen kennengelernt hat.

Hunde, die bellen, beißen nicht.
Lustig, dass es nicht mal ein bellen erforderte. Es war ein Wispern, ein Knurren, welches mich erstarren ließ.

„Wenn ich Selbstgespräche hätte führen wollen, hätte ich dich gar nicht erst angerufen. Eine Leitung ist nicht nur für einseitige Kommunikation da“, kam es verzerrt und überaus gelangweilt von dem Mann.
Ich wollte auflegen. Ich wollte auflegen, dieses Gespräch vergessen. Mich in Arbeit stürzen oder irgendwas machen, was mich nicht an diesen Satz denken ließ.
Immer noch nicht weggelaufen, sieh einer an.“

„Die.. Verbindung scheint schlecht… ruf‘ doch später gern zurück“, würgte ich hervor, ehe der altbekannte Schwindel einsetzte.
„Ich?“
Ein Lachen schallte durch mein Gehör und alle meine Sinne fuhren auf 180.
Hatte ich was falsches gesagt? Hatte ich ihn vergägert? Was war es?
Wieso konnte ich nicht einfach-

„Nein, Minho. Du rufst mich zurück. Überleg doch zweimal, bevor du etwas von dir gibst.“
Das war das Letzte, das ich hörte, ehe eine absolute Stille einsetzte. In der Regel vermied ich es, keine Geräusche in der Wohnung zu haben. Es lief irgendeine Musik, ein Radio oder Podcast. Auch Soonie mauzte eigentlich oft vor sich hin, doch nun war sie nicht in Sichtweite.

Run to Limbo // MinSungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt