Als sie in das geschäftige London eintauchten, hielt Tim Harry kurz am Arm fest.
»Bevor wir losgehen, will ich, dass du dich auf deine Sinne konzentrierst«, sagte Tim ruhig. »Was hörst du? Was riechst du? Wo glaubst du, stehen wir gerade? Verlass dich ganz auf deine Empfindungen.« Harry nickte und schloss kurz die Augen, auch wenn das keine wirkliche Rolle spielte. Es war mittlerweile eine gewohnte Übung für ihn, sich ausschließlich auf seine übrigen Sinne zu verlassen. Er lauschte und ließ die Geräusche der Stadt auf sich wirken. Das Summen vieler Menschen, das entfernte Hupen von Autos, das Klirren von Gläsern und das gedämpfte Murmeln von Gesprächen. Die Luft roch nach frisch gebrühtem Kaffee, dem Rauch einer nahen Imbissbude und einer leicht muffigen Note, die er mit alten Gebäuden verband.»Wir sind...«, begann Harry langsam, »wahrscheinlich in der Nähe eines Cafés oder eines Marktes. Es riecht nach Essen und ... alten Steinen? Vielleicht irgendwo in der Nähe eines historischen Gebäudes. Ich höre viele Menschen, es ist sehr belebt hier.« Er konzentrierte sich mehr. »Und da drüben ... ich glaube, ich höre die Straßenbahn ganz in der Ferne.« Tim lächelte leicht.
»Sehr gut«, sagte er anerkennend. »Du kommst immer besser darin, deine Sinne zu schärfen.« Plötzlich zuckte er mit den Lippen, als er Schritte hinter ihnen hörte. »Ah, das ist Daniel.« Kurz darauf spürte Harry, wie jemand näher trat.
»Hallo, da bin ich«, sagte eine warme Stimme.
»Hey Darling«, sagte Tim und küsste seinen Verlobten kurz, ehe er sich an Harry wandte. »Harry, das ist Daniel mein Verlobter.«
»Schön, dich zu kennenzulernen. Tim hat mir schon viel von deinen Fortschritten erzählt«, sagte Daniel nun und griff nach Harrys Hand. Dieser spürte den festen Händedruck. Daniels Hand war groß. Harry ahnte, dass auch der Mann sehr groß war. Er nickte und lächelte leicht.
»Es freut mich, dich zu treffen, Daniel. Tim hat auch von dir erzählt«, sagte er.
»Dann lasst uns mal losgehen«, sagte Tim, und sie setzten sich langsam in Bewegung, Tim ging leicht vor Harry, während Daniel dicht an Harrys Seite blieb, um im Ernstfall einzugreifen. Während sie durch die belebten Straßen gingen, zeigte Tim Harry weiterhin, wie er den Blindenstock geschickt einsetzte.
»Halte den Stock immer leicht vor dir, nicht zu fest, und nutze ihn, um die Umgebung abzutasten. Und vergiss nicht den Praesentia Obstaculi Zauber – er hilft dir, größere Hindernisse zu spüren, bevor du direkt darauf stößt.« Harry konzentrierte sich, wie Tim es ihm erklärt hatte, und sprach den Zauber leise. Ein schwaches Flimmern in seiner Wahrnehmung tauchte auf, als der Zauber wirkte, und er konnte größere Hindernisse wie Menschenmassen und Marktstände nun besser erfassen. Es war noch ungewohnt, aber mit jedem Schritt fühlte er sich etwas sicherer. Daniel blieb jedoch stets dicht bei ihm, als wolle er sicherstellen, dass Harry sich nicht unwohl fühlte. Es war ein leises, beruhigendes Wissen, dass jemand in seiner Nähe war, falls er doch die Orientierung verlor, während Tim sich wie selbstverständlich durch die Menschenmenge bewegte, als wäre es für ihn völlig natürlich. Schließlich erreichten sie die Markthalle, und Harry wurde sofort von einer Welle aus Geräuschen und Gerüchen überwältigt. Das Stimmengewirr war lauter als zuvor, die Menschen unterhielten sich lautstark, Kinder lachten, es klapperten Töpfe, und ein intensiver Mix aus Düften – frische Gewürze, gebratene Speisen, süßliches Gebäck – umhüllte ihn plötzlich. Er blieb abrupt stehen, als er das Gefühl hatte, von der Reizüberflutung überwältigt zu werden. Seine Atmung wurde schneller, und er spürte, wie Panik in ihm aufstieg. Die Geräusche schienen ihn zu erdrücken, und die vielen Gerüche verwirrten seine Orientierung völlig.
»Hey, Schatz«, rief Daniel leise, der sofort bemerkte, wie sich Harrys Haltung verändert hatte. »Ich glaube, er hat gerade Schwierigkeiten.« Bevor Harry überhaupt reagieren konnte, legte Daniel einen Arm um seine Schulter. »Bleib ruhig«, sagte er sanft. »Ich bin hier.« Kurz darauf spürte Harry eine zweite Berührung, als Tim näherkam. Der Mann legte eine Hand auf seine Brust, nicht zu fest, aber bestimmt genug, um ihm das Gefühl zu geben, wieder Halt zu finden.
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Blind Shades
FanfictionHarry Potter kehrt nach dem Krieg nach Hogwarts zurück, um sein letztes Schuljahr zu wiederholen, und verliebt sich hoffnungslos in Severus Snape. Nach einer Auseinandersetzung mit diesem verletzt sich Harry so schwer, dass er erblindet. Von Schuldg...