Kapitel 19

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Am nächsten Morgen wurde Severus als Erster wach. Das schwache Morgenlicht fiel durch die Vorhänge, und er spürte das gleichmäßige Heben und Senken von Harrys Brust, der immer noch tief schlief, seinen Kopf leicht an Severus' Schulter gelehnt. Vorsichtig, um Harry nicht zu wecken, löste er sich aus der Umarmung und stand langsam auf. Er strich ihm noch einmal sanft über die Stirn, bevor er das Schlafzimmer verließ. Als er durch den Flur ging, hörte er in der Küche das leise Klappern von Geschirr und den vertrauten Duft von Kaffee, der sich im Raum ausbreitete. Ron war offensichtlich schon wach. Severus betrat die Küche und sah den jungen Mann am Herd stehen, der gerade eine Tasse einschenkte.

»Morgen«, begrüßte Ron ihn, drehte sich um und reichte ihm eine dampfende Tasse. »Kaffee?« Severus nickte, nahm die Tasse entgegen und setzte sich an den kleinen Tisch. Der heiße Kaffee wärmte seine Hände, und er nahm einen kleinen Schluck.

»Wie geht's ihm? Hat er gut geschlafen?«, fragte Ron.

»Er hat die Nacht ruhig geschlafen«, antwortete Severus leise und stellte die Tasse ab. »Nach allem, was passiert ist, hätte ich nicht gedacht, dass er so schnell in einen tiefen Schlaf fallen würde, aber er hat es geschafft.« Ron nickte, seine Stirn in Falten gelegt, als er sich an die Ereignisse der letzten Nacht erinnerte.

»Das war echt beängstigend...«, murmelte er, während er sich an den Tisch setzte. »Ich wusste nicht, was ich machen sollte. Danke, dass du gekommen bist.« Severus nahm einen weiteren Schluck Kaffee und ließ den Moment kurz in Stille verstreichen, bevor er antwortete.

»Es war in der Tat eine erschreckende Erfahrung. Ich glaube, es wird nicht das letzte Mal gewesen sein, dass er mit diesen Träumen zu kämpfen hat. Es ist mehr als nur ein gewöhnlicher Albtraum...« Er hielt kurz inne und sah Ron ernst an. »Vielleicht braucht er eine Therapie. Jemanden, der ihm professionell helfen kann, das zu verarbeiten.« Ron zog die Augenbrauen hoch, seine Gedanken schienen sich zu überschlagen. »Eine Therapie?«, wiederholte er, als ob er das Konzept erst verarbeiten musste.

»Ja... das wäre vielleicht gar nicht so schlecht. Aber er würde das wahrscheinlich nicht leicht akzeptieren, oder? Harry ist nicht der Typ, der gerne über seine Gefühle spricht, vor allem nicht mit Fremden.«

»Das weiß ich«, antwortete Severus nachdenklich. »Aber er muss es sich irgendwann eingestehen, sonst wird dieser Schmerz ihn auffressen. Ich werde mit ihm darüber sprechen, wenn er mich lässt.« Ron nickte langsam und nahm einen Schluck Kaffee.

»Du willst du jetzt gehen, oder?« Severus setzte die Tasse ab und stand auf. »Ja, ich denke, es ist besser, wenn ich ihn jetzt allein lasse. Du bist hier, und Harry braucht vielleicht noch etwas Zeit, um über alles nachzudenken. Ich... will ihn nicht bedrängen.« Doch bevor der Mann zur Tür gehen konnte, stellte Ron seine Tasse ab und stand auf.

»Warte mal kurz«, sagte er, seine Stimme fester als zuvor. »Du solltest nicht einfach so gehen.« Severus sah ihn fragend an.

»Warum?« Ron verschränkte die Arme vor der Brust und musterte ihn ernst.

»Weil Harry dich braucht. Auch wenn er sich das vielleicht noch nicht eingesteht. Ich kenn ihn lange genug, um zu wissen, dass er nicht gut darin ist, Menschen an sich heranzulassen. Aber bei dir ist es anders. Geh nicht einfach, nur weil du denkst, es wäre das Beste. Vielleicht braucht er heute einfach... dich.« Severus spürte, wie Rons Worte in ihm widerhallten. Er wollte nicht, dass seine Anwesenheit Harry bedrückte oder zusätzlichen Druck auf ihn ausübte, doch Rons Worte brachten ihn zum Nachdenken. Vielleicht hatte dieser recht.

»Und wenn er nicht bereit ist?«, fragte Severus leise, seine Zweifel überdeckten den sonst so selbstsicheren Ton. Ron schüttelte den Kopf.

»Wenn er das nicht wäre, dann hätte er dich nicht letzte Nacht festgehalten und dich gebeten, bei ihm zu bleiben.« Severus nickte nachdenklich, bevor er schließlich seufzte und sich wieder auf den Stuhl setzte.

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