Kapitel 15

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Ron trat leise ins Zimmer ein und schloss die Tür hinter sich. Der Anblick von Harry, zusammengerollt auf dem Bett, erschütterte ihn. Sein Freund, der sonst so stark und entschlossen war, lag jetzt da wie ein Schatten seiner selbst, zerbrechlich und in sich gekehrt. Ron wollte sofort zu ihm eilen, aber er wusste, dass er behutsam vorgehen musste. Harry spürte die Präsenz im Raum und drehte leicht den Kopf.

»Ich will nicht mit dir reden, Severus«, murmelte er leise, seine Stimme kaum mehr als ein Flüstern, erfüllt von Schmerz und Müdigkeit. Doch dann kam ein vertrauter Geruch in seine Nase – Vanille und Schießpulver. Harrys Stirn runzelte sich leicht, als er versuchte, die Quelle des Geruchs zu identifizieren. Es konnte nicht Severus sein. Und dann, wie durch einen plötzlichen Blitz der Erkenntnis, wusste er, dass es Ron war.

»Ron?«, flüsterte Harry, seine Stimme zitterte leicht. Ron setzte sich auf das Bett, sein Herz schwer vor Sorge.

»Ja, ich bin's, Kumpel«, sagte er sanft. »Ich bin hier.« Ron zögerte einen Moment, seine Hand in der Luft, als wollte er Harry eine beruhigende Hand auf die Schulter legen. Doch er hielt inne, unsicher, ob das das Richtige war. Es fühlte sich an, als wäre Harry in diesem Moment zu zerbrechlich, zu verletzlich. Doch bevor er sich entscheiden konnte, was er tun sollte, spürte er plötzlich, wie sich Harry auf ihn zubewegte. Harry, der die vertraute Wärme seines besten Freundes spürte, konnte die Tränen nicht länger zurückhalten. Er war zu erschöpft, zu aufgewühlt, um sich zurückzuhalten. Ohne zu zögern, warf er sich in Rons Arme, vergrub sein Gesicht in dessen Brust und begann, hemmungslos zu weinen. Ron, überrascht von der Intensität der Reaktion, legte schließlich seine Arme um Harry und hielt ihn fest. Er sagte nichts, drückte ihn einfach nur sanft und ließ ihn alles herauslassen. Die Tränen, die Wut, die Verzweiflung – alles, was Harry so lange zurückgehalten hatte, strömte jetzt heraus, und Ron hielt ihn einfach fest, ohne ein Wort. Er ließ Harry all die Zeit, die er brauchte, um sich zu beruhigen. Als Harrys Atem schließlich wieder gleichmäßiger wurde und die Tränen langsam versiegten, lockerte Ron seinen Griff etwas, aber er hielt Harry immer noch fest genug, um ihm zu zeigen, dass er da war.

»Magst du mir erzählen, was passiert ist? Von Anfang an?«, fragte er leise. »Ich will alles wissen – von dir.« Harry atmete tief durch, schien kurz zu überlegen, wo er beginnen sollte, bevor er schließlich anfing zu sprechen.

»In Hogwarts... es war ein Abend, an dem ich bei ihm nachsitzen musste. Wir hatten einen Streit, aber ich kann mich nicht mehr erinnern, worum es ging. Vielleicht war es etwas Banales, vielleicht nicht. Ich war wütend, er war wütend. Und dann... dann hat er mich wohl einfach rausgeschmissen. Er hat mich angefasst, zu grob, und mich nach draußen gestoßen. Die Tür hat er zugeschlagen, und ich...«, Harrys Stimme brach, und er schluckte schwer, »ich bin offenbar ausgerutscht. Ich fiel hin und so schlug mit dem Kopf auf. Aber ich erinnere mich nicht mehr daran. Ich ... ich bin einfach aufgewacht und konnte nichts mehr sehen.« Ron lauschte aufmerksam, sein Gesicht angespannt, aber er sagte nichts. Er ließ Harry weitersprechen.

»Severus hat mich nach hierher gebracht«, fuhr er schließlich fort. »E-er wollte mir helfen. Anfänglich war ich misstrauisch, wollte nicht wirklich mit ihm reden, aber er war geduldig. Irgendwie haben wir eine Basis gefunden, um miteinander auszukommen. Es war nicht einfach, aber... es funktionierte. Er hat mir das Gefühl gegeben, dass ich nicht allein bin.« Harrys Stimme wurde weicher, als er über die Zeit sprach, die sie miteinander verbracht hatten, und ein leichtes Lächeln schlich sich auf sein Gesicht, als er sich daran erinnerte.

»Tim, sein Ex-Freund, kam dann ins Spiel. Er ist auch blind und hat mir geholfen, mich zurechtzufinden. Er war ... ist ... wirklich nett. Er hat mir gezeigt, wie ich den Blindenstock benutze, wie ich den Praesentia Obstaculi-Zauber anwende. Ohne ihn hätte ich das alles nicht geschafft.« Ron nickte, aber er blieb weiterhin still, um Harry nicht zu unterbrechen.

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