Als wir durch die Tür traten, änderte sich die Stimmung schlagartig. Die Luft schien stickig, die Wände strahlten eine Kälte aus und es roch leicht nach Moder. Ein Teppich war in der Mitte des langen Ganges ausgelegt, links und rechts reihten sich weitere Vitrinen mit eigenartigen Gegenständen darin auf. Jedes ließ mir die Haare zu Berge stehen.
Ich versuchte meinen sechsten Sinn auszusenden, doch an jeder Ecke schreckte ich vor der Energie zurück, die mir antwortete. Sie war klebrig und dunkel. Die Gegenstände, die sich hier befanden, konnten zweifellos großen Schaden anrichten.
Jaques führte uns unbeirrt weiter, bis der Weg von einer massiven Stahltüre blockiert wurde. Es sah aus, als würden wir gleich einen Tresorraum betreten. Wahrscheinlich war das sogar der Fall.
Jaques bemerkte, wie ich die Stahlapparatur betrachtete.
»Reine Sicherheitsvorkehrung.«
Er tippte einige Zahlen in das Feld neben der Türe und ließ sich seinen Fingerabdruck abscannen. Es surrte und rasselte, bis sich die schwere Tür mit einem leisen Klick einen Spalt öffnete.
»Manche Erfindungen der modernen Welt sind praktisch. Und günstiger als die Dienste mancher Hexe.« Jaques schmunzelte.
Der Tresorraum sah von innen aus wie eine Edel-Boutique. Es glitzerte und glänzte, hier und da waren Knochen und seltsame Gegenstände zu erkennen, aber überwiegend bestand alles aus Edelsteinen, Gold und Silber.
Jaques ging auf eine Schneiderpuppe zu, die eine Kette aus weißen Perlen um den Hals trug. Seine Finger strichen zärtlich darüber.
»Die Tränen einer Meerjungfrau. Äußerst selten und wirksam gegen viele Verwünschungen. Es war beinahe unmöglich, sie zum Weinen zu bringen.«
Jetzt könnte ich von einer anderen Art Übelkeit kotzen.
Ezra wirkte fast gelangweilt, so wie er die Kette betrachtete. »Schön anzusehen, aber ich denke, wir brauchen etwas Wirksameres. Etwas, dass nicht nur Flüche abwehren kann, vielleicht etwas mit mehr... Fähigkeiten?«
»Ah, ich verstehe. Da habt ihr wohl jemanden ganz schön mächtigen verärgert.« Er lachte über seinen eigenen Witz. Schließlich tippte er sich ans Kinn, als würde er überlegen.
»Wenn es nicht euer Budget übersteigt, habe ich vielleicht genau das richtige.« Jaques führte uns weiter hinein in den Tresor, Philipe wartete währenddessen mit verschränkten Armen in der Tür.
Vor einer Ablage mit einer wunderschönen Schatulle darauf blieb er stehen. In den Deckel waren Frauen aus Metall eingearbeitet, die ihre Münder in einem ewigen, lautlosen Schrei aufgerissen hatten. An der Vorderseite war ein Schloss angebracht, weshalb Jaques einen Schlüsselbund aus seiner Hosentasche hervorholte.
Als ich den Bund sah, spürte ich es. Ein Gefühl, eine Ahnung von Freiheit. Nicht penetrant wie die dunklen Gegenstände um uns herum, sondern neutral. Der Schlüssel zu meiner Freiheit befand sich auf diesem Schlüsselbund, da war ich mir sicher.
Ich hörte nicht, was Ezra zu Jaques sagte, oder was sich in der Kiste befand. Erst als Jaques die Kette vor meiner Nase baumeln ließ, wurde ich aus meinen Gedanken gerissen.
»Sie ist wunderschön.«, erklärte ich mit einem ehrlichen Lächeln. Die Kette bestand aus mehreren roten Rubinen, die mit zwei Metallketten zu einem Halsband zusammengefügt waren. Am untersten Ende baumelte der größte Edelstein, den ich je gesehen hatte.
»Was kann diese Kette?«
»Sie bewahrt vor Flüchen, indem diese auf die Person zurückgeworfen werden. Verteidigung und Angriff gleichermaßen sozusagen.« Jaques stellte sich hinter mich und hielt mir das kalte Metall an den Hals, damit ich mich im Spiegel betrachten konnte. Meine Augen allerdings waren auf die Schlüssel in seiner Hand gerichtet.
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Crowns
FantasyNie wieder. Nie wieder würde ich zulassen, dass jemand die Kontrolle über mich hatte. Davor würde ich alles niederbrennen, was mir im Weg stand.