Läster, läster...

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Als ich am nächsten Tag in die Schule gehe, bin ich etwas aufgeregt. Heute bekommen wir zwei Arbeiten zurück. Französisch und Englisch. Ich habe bei beiden Arbeiten ein gutes Gefühl, also brauche ich mir keine Gedanken zu machen, aber ich kann es nie abstellen, dass ich aufgeregt bin. Es ist wie im Wettkampf. Man hat es schon unzählige Male erlebt, und trotzdem ist man vor dem Start extrem nervös. Als ich Isi treffen sprechen wir nicht viel, bis auf die übliche Konversation, die man halt am Morgen so führt. Im Bus warte ich, bis wir an die Haltestelle kommen, an der Chilli immer einsteigt, aber sie ist nicht da. Innerlich stöhne ich kurz auf. Klar, sie bekommt ihre Zahnspange heute raus. Wie konnte ich das bitte vergessen. Schon Tage überlegten wir zusammen, wie sie das der Refrendarin zeigen könnte. Erst am Wochenende haben wir kurz darüber gesprochen. Einfach lächeln, das war unsere Lösung gewesen. Als wir an der Schule ankamen, gingen Isi und ich zu den anderen Mädchen. Ich wurde mehr oder weniger begeistert empfangen. Ich mochte nur wenige aus der Klasse, und umgekehrt mochten nur wenige Mädchen mich. Chilli sagte immer, dass alle neidisch waren, aber das glaubte ich nicht so wirklich. Normalerweise war es leicht, das zu ignorieren, aber da war Chilli ja auch immer bei mir. Isi war zwar cool, aber so wirklich unterstützen konnte sie mich auch nicht. Als es gongte, gingen wir ins Gebäude zur ersten Stunde. Wir hatten direkt Französisch und auf dem Weg begegnete ich Herr Bach, der am Lehrerzimmer stand. Er sah mich an und grinste, bevor er sich wieder einer Refrendarin zuwandte, die neben ihm stand. Ich erkannte Frau Menz und stieß beim Vorbeigehen 'ausversehen' in ihren Rücken. Es tat nicht sehr weh, aber sie verlor den Halt und stieß gegen die Wand neben ihr. Durch einen bedauerlichen Zufall war es die Tür zum Lehrerzimmer, die auch gerade in dem Moment aufging. Frau Menz stolperte ins Zimmer und knallte gegen unsere Lehrerin für Französisch, die gerade kommen wollte, um für uns den Raum zu öffnen. Sie hatte eine Tasse Kaffee in der Hand, die sie zu meiner Freude über Frau Menz kippte. Das sah alles so komisch aus, dass ich anfing zu lachen und mit mir auch meine Klasse. Sogar Herr Bach musste lachen, aber er hörte schnell auf, als sich Frau Menz wütend umsah. Ich ging schnell weiter, aber natürlich hatte sie mich gesehen. Das würde sie mir wohl heimzahlen. Diese Frau hatte echt Probleme. Allerdings wurde sie ja auch gerade von Kaffee übergossen... Die Arbeit war sehr gut für mich, und ich ging gut gelaunt zu Englisch. Die Arbeit war ebenfalls genauso gut, und ich hatte das Gefühl, das dieser Tag wirklich nicht mehr schlecht werden konnte. Natürlich bekam ich ein paar Sticheleien von meinen Mitschülern zu hören, aber das war mir egal. Ich hatte mich damit abgefunden. Das war schon lange so. Aber als ich nach der sechsten Stunde aus der Klasse gehen wollte, hörte ich meinen Namen vor der Türe. Ich blieb also im Raum stehen und hörte zu. Es war reativ gut zu verstehen, und ich hörte, was über mich gesagt wurde: ,,... was will sie eigentlich noch hier. Sie merkt doch, dass keiner sie hier haben will. Die Freunde, die sie hier hat, sind reine Mitleidsfreunde. Nur weil sie gut in Sport ist und einigermaßen gut aussieht, denkt sie, die Welt gehört ihr. Außerdem hat sie ihre guten Noten nur durch Schummelei bekommen. Bestimmt würde sie für ein paar Versprechen mit jedem Lehrer ins Bett gehen..." Die Stimmen wurden langsam leiser, bis ich nichts mehr hören konnte. Ich blieb noch einige Minuten im Klassenraum sitzen. So Bemerkungen kannte ich schon, aber das Ende war mir neu. Eigentlich wollte ich sowas nicht auf mir sitzen lassen, aber ehrlich gesagt fand ich die Bemerkung für gute Noten alles zu tun, sogar mit Lehrern ins Bett zu gehen ziemlich mies. Ich ging langsam den Flur entlang und wurde auf einmal ziemlich traurig. Das dachte ja so oder so jeder. Ich konnte machen was ich wollte, ich würde nie gemocht, oder allenfalls respektiert werden. Ich blickte mich um und sah, dass im Flur der Turnhalle stand, die man direkt durch die Mensa in unserer Schule betreten konnte. Anscheinend war ich diesen Weg schon so gewöhnt, dass ich automatisch hierher gekommen war. Na super, wenn Herr Bach mich hier sah, dann wäre, das bestimmt ganz toll. Ich war sowieso schon kurz vor dem rumheulen. Aber dann viel mir ein, dass nur die Oberstufenschüler noch hier waren, und die waren alle in der Mensa. Die achte und neunte Stunde begann schließlich erst in einer knappen halben Stunde. Herr Bach war in der Pause eigentlich auch nie in der Turnhalle, also war ich alleine. Ich betrat die Turnhalle auf Socken und ging in den Geräteraum der Turnhalle. Er stand offen, was mich wunderte, aber es war keiner da. Ich setzte mich auf eine Matte und dachte nach. Der Bus fuhr in ein paar Minuten, aber ich wollte nicht meinen Mitschülern begegnen, die gerade noch so über mich gelästert hatten, um mir anzuhören, wie toll meine guten Noten doch waren. Ich konnte später fahren, weil meine Eltern so oder so nicht zu Hause waren. Sie arbeiteten ziemlich lange und kamen oft erst spät am Abend wieder, wenn überhaupt. Ich beschloss also, kurz vor dem Unterricht der Oberstufenschüler aus der Halle zu gehen und mit dem Bus nach Hause zu fahren. Ich legte mich auf die Matte und fing am zu weinen. Ich war alleine, also sah mich niemand. Ich hasste es, wenn ich weinte, ber diesesmal konnte ich nicht anders. Ich fühlte mich schlecht und außerdem fühlte ich mich ziemlich billig. Natürlich war ich noch nicht mit Herr Bach im Bett gewesen, aber trotzdem hatte ich ihn geküsst... Da bemerkte ich auch, was ich gerade gedacht hatte... NOCH nicht... Ich ging also davon aus... Nein, sagte ich mir. Bist du denn bescheuert?! Natürlich ging das nicht. Er war mein Lehrer. Ich konnte doch nicht mit einem Lehrer Sex haben. Nie im Leben... Ich war gerade mal 15. Ich wurde zwar in ein paar Tagen 16, aber trotzdem. Das ging einfach nicht. Ich fing wieder an zu weinen. Es war so unfair. Wieso waren ihre Mitschüler denn so gemein und blöd zu ihr? ,,Ich habe nix gemacht", murmelte ich leise zwischen ein paar Tränen. ,,Was ist denn passiert?", hörte ich auf einmal eine Stimme. Ich erschrak und setzte mich schnell hin. Hastig versuchte ich noch meine Tränen abzuwischen, aber natürlich war das sinnlos. Herr Bach hatte alles gesehen... ,,Was machen sie hier?", fragte ich. ,,Das sollte ich dich fragen. Es ist verboten in der Pause ohne Aufsicht hier reinzukommen und außerdem hast du geweint." ,,Stimmt doch gar nicht", meinte ich. ,,Ich weine nie." Herr Bach sah mich besorgt an, ohne auf meinen, zugegebenermaßen nicht ganz geistreichen, Kommentar zu antworten. Er hockte sich neben mich und berührt meine Wange. Alleine davon hätte ich heulen können. Ich erzählte ihm schließlich alles und fand mich am Ende meiner Erzählung in seinen Armen wieder. Wie ein kleines Baby, dachte ich. ,,Weist du, wer das gesagt hat?", fragte Herr Bach mich. Ich sah ihn unruhig an. ,,Sie wollen doch nichts sagen, oder?" ,,Nein, nein", beruhigte Herr Bach mich. ,,Dann wissen diese bescheuerten ja, dass du alles gehört hast und das dann noch einem Lehrer erzählt hast. Dann giltst du doch erst recht als angreifbar." Ich war dankbar. ,, Natürlich weiß ich wer das war. Yannik, Emma und Justus haben das alles gesagt." ,,Na dann..." Herr Bach sagte nichts weiter, er blickte mich nur triumphierend an. ,,Was haben Sie vor?" ,,Noch gar nicht, das wird sich zeigen..." Ich wusste, dass das nicht stimmte. Natürlich hatte er etwas vor. Aber ich sagte einfach nichts und blickte auf den Boden. Auf einmal war mir das alles super peinlich. Aber bevor ich etwas sagen konnte meinte Herr Bach mit einem grinsen:,,Ach übrigens, ich wäre dem Gerücht nicht so ganz abgeneigt... Es muss ja kein Bett sein, eine Matte reicht vollkommen aus." Mit einem Grinsen blickte er auf die Matte. Ich musste unwillkürlich lächeln und stand auf. Ich wusste nicht was ich sagen sollte und wurde rot. Ich wusste, das die anderen Schüler schon bald in die Halle kommen würden, aber trotzdem musste ich mich noch bedanken. Auch Herr Bach war aufgestanden. Er stand mir wieder sehr nahe, aber inzwischen war ich das gewohnt. Was nicht hieß, dass es mich nicht unruhig machte. Ganz im Gegenteil. ,,Danke... Für das Gespräch.", murmelte ich leise und wurde noch röter. Herr Bach sagte nichts, also blickte ich ihn an und schluckte. Er war mir wieder sehr nah. Seine Lippen berührten fast meine. Plötzlich überwand er den Abstand und seine Lippen berührten meine. Der Kuss war wild und leidenschaftlich. Keine Unsicherheit war zu spüren, und ich wurde in den Kuss gezogen. Meine Hände fanden alleine den Weg unter sein Shirt, genauso wie seine Hände. Er zog mich auf die Matte, sodass ich auf ihm lag. Es fühlte sich unglaublich an. Er löste sich aus dem Kuss und sagte:,,Wie wäreves mit einer besseren Sportnote?" Ich wusste worauf er anspielte. ,,Tja, ich fürchte wir haben kein Bett..." ,,Ich errinnere mich, dass ich erwähnt habe, ebenfalls eine Matte zu nehmen. Ich grinste einfach nur. Ich wusste, dass nichts passieren würde, weil in wenigen Minuten die ersten Oberstufenschüler die Turnhalle betreten würden. ,,Vielleicht würde ich zusagen, wenn dieser Ort etwas geschützter wäre...", erwiederte ich. In diesem Moment hörten wir, wie die Tür geöffnet wurde, und standen schnell auf. Ich strich mir kurz durch die Haare. Ich wusste, dass ich verheult aussah, aber das war egal. So würde keiner auf die Idee kommen, dass ich gerade noch mit Herr Bach auf einer Matte lag. ,,Das wird noch nicht zu Ende sein", hörte ich Herr Bach neben mir flüstern. ,,Das will ich hoffen", flüsterte ich zurück. Bald würde ich 16 sein und dieser Tag war doch noch gut gewesen. Im Moment fühlte ich mich richtig gut.

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