9. Kapitel

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Ich zischte schmerzerfüllt als ich meine Arme schließlich in den kalten See hielt, um die Wunden zu säubern. Die anderen waren bereits dabei für ein ausgewogenes Abendessen zu sorgen, doch ich wollte mich erstmal um meine Arme kümmern und das so weit abseits von allen wie möglich. Das Spiel war hart gewesen, doch weder Markus noch ich hatten auch nur einen einzigen Ball durchgehen lassen und so hatten wir uns schließlich erstmal auf ein Unentschieden geeinigt und das Spiel vertagt, immerhin würden sie ja noch etwas bei uns bleiben. Wieder durchfuhr mich ein brennender Schmerz und ich kniff meine Augen hart zusammen, auch wenn meine Arme geraden unfassbar schmerzten, war es mir wert gewesen. Diesen Ausdruck in Markus' Gesicht würde ich wohl nie wieder vergessen. Mit diesem Spiel hatte ich ihn beeindruckt, ihn überrascht, ich hatte ihn neugierig gemacht, dass war mir klar.

Noch immer rannen mir die Schweißperlen über die Stirn und ich stank als hätte ich eine Woche nicht geduscht. Kurzerhand entschloss ich mich dazu den Dreck von meinem gesamten Körper zu waschen. Ich entledigte mich meiner Hose und tauchte in das kühle nass. Das Wasser umschloss meinen Körper wie eine schützende Hülle und für einen Moment verschwand das Gedankenchaos aus meinem Kopf. Ich sah mich dagegen an wieder aufzutauchen, doch meine Luft wurde knapp. Sogleich, als ich den Kopf aus dem Wasser hob, drangen entfernte Stimmen an mein Ohr und leise Musik suchte sich ihren Weg durch die Baumwipfel. Mir war bewusst, dass im Steinbruch bereits das Essen serviert war und Lissi vermutlich in Kürze einen Suchtrupp nach mir losschicken würde, doch es war mir egal. Ich verspürte nicht den Drang zurückzugehen, denn momentan war dieser Ort für mich die reinste Hölle. Sein täglicher Anblick machte es mir schwer nach meinem sonstigen Motte „Lebe jetzt und nicht in der Vergangenheit" zu leben. Seit Jahren hatte ich nicht mehr so viel in Erinnerung geschwelt, wie ich es in den letzten zwei Tagen getan hatte. Verdammt, er brachte noch heute mein Leben durcheinander, doch jetzt war ich an der Reihe, mein Spielzug begann und das schon heute Abend. Ich würde das Gespräch mit ihm suchen, ein kleiner Smalltalk hier, ein paar vielsagende Blicke da und er würde zu Wachs in meinen Händen werden. Ich hatte nach unserem kleinen Match zufällig ein Gespräch zweier Jungs mitbekommen, anscheinend waren sie allesamt über ein Jahr lang durch den Wald gedüst, keine Mädels, keine Feiern, kein Geknutsche oder sonst was, kein Wunder, dass sie die restlichen Biestern mit ihren Blicken beinahe auszogen.

„Oh, sorry!" mein Blick glitt zum Ufer und landete auf einer zierlichen Gestalt. „Ich wollte nur kurz den Dreck abwaschen." Das blonde Mädchen der wilden Kerle stand dort, „Aber ich kann auch später wiederkommen." Sie wandte sich ab, doch ich hielt sie auf. „Schon gut, ich wollte eh wieder zurück." Ein kleines Lächeln schlich sich auf ihre Lippen, wow, das war neu. „Du kannst ja Lächeln." Stellte ich stumpf fest, während ich zum Ufer schwamm. „Bitte?" ihr Lächeln verschwand wieder, gelangweilt zuckte ich mit den Schultern, „Ich hab dich noch nie Lächeln gesehen." „Wir wissen beide, dass das nicht stimmt." Vanessa hob eine Augenbraue und betrachtete mich scharf. Unbehagen durchfuhr meinen Körper, ich hatte es geahnt, sie wusste es. „Keine Sorge, ich werde dich nicht verraten." Die Verwirrung stand mir wohl ins Gesicht geschrieben, denn Vanessa lachte leise. „Wusstest du, dass du momentan das Gesprächsthema Nummer eins bist?" Jetzt war ich diejenige, die überrascht eine Augenbraue hob. „Markus, Maxi und Juli können über nichts anderes mehr reden." Sie zog sich ihr T-Shirt über den Kopf, „Ich weiß, dass die Aktion der Jungs damals wirklich niveaulos war, aber sie haben sich geändert." Ich schnaubte und verdrehte meine Augen, natürlich hatten sie das, dieser Standartspruch zog nicht bei mir. „Ich weiß nicht, was du planst, und ich will es ehrlich gesagt auch gar nicht wissen, denn ich werde mich da raushalten, das ist eine Sache zwischen dir und Markus und das geht mich folglich gar nichts an, aber..." Ich unterbrach sie harsch, „Genau, es geht dich nichts an." Mit großen Schritten verließ ich das Wasser, in dem Vanessa nun bereits hüfttief stand. „Lia," der Klang meines alten Rufnamens aus ihrem Mund fuhr durch meinen Körper wie ein Blitz. Noch bevor Vanessa weitersprechen konnte, „Lia gibt es schon lange nicht mehr." Ruckartig drehte ich mich in ihre Richtung, „Sie ist gestorben, als ihr sie damals gebrochen habt." 

Beast or BelleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt