6. Kapitel

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„Was?" Fragte ich völlig überfordert. „Bier." Der Junge vor mir hob abwartend seine Augenbrauen und deute auf den Kühlschrank neben mir. Seine blonden Haare fielen ihm wirr auf die Stirn, mein Atem stockte. Schnell drehte ich mich um, kramte eine Flasche Bier hervor und reichte sie ihm. „Bist du neu bei den Biestern?" Fragte er und eine Welle an Wut überkam mich, wie jetzt, er erkannte mich nicht mal? Ich ließ meine Daumenknöchel knacken und setzte ein falsches Lächeln auf, „Ja, Frischfleisch quasi." Markus grinste und fuhr sich durch seine Haare „Wenn das so ist, ich bin Markus." „Liv." Entgegnete ich, glücklich darüber, dass ich mich vor einigen Jahren dazu entschieden hatte, dass mir der Rufname Via nicht mehr gefiel. „Prost Liv, auf einen gelungenen Abend." Mit diesen Worten und einem Zwinkern, hob er noch einmal sein Bier in meine Richtung, wandte sich ab und lief zu dem Stehtisch zurück, an dem er zuvor anscheinend gestanden hatte. Ich biss mir auf die Unterlippe, wie konnte er es wagen. Taucht einfach hier auf mit seiner beschissenen Rasselbande und dann erkannte er mich nicht mal wieder. Mein Hals verengte sich schlagartig und ich rang nach Luft. So ein Arsch. Ich schnappte nach Luft, Tränen brannten in meinen Augen. Scheiße, ich musste hier raus. Im Vorbeigehen schnappte ich mir die Tequila Flasche und ging mit schnellen Schritten in Richtung Ausgang.

Erst als ich die Hütte hinter mir gelassen hatte und die Musik immer leiser wurde, konnte die Luft wieder in meine Lunge strömen, doch der Klos im Hals blieb. Am See angekommen zog ich mir die Schuhe von den Füßen. Das kalte Wasser an meinen Füßen beruhigte meinen Herzschlag wieder, ich trank einen Schlug aus der Flasche in meiner Hand. Der konnte was erleben, ich werde ihm das Leben zur Hölle machen. „Scheiße" fluchte ich, wieso passierte sowas mir. Die ersten Tränen lösten sich aus meinen Augen und liefen meine Wangen hinab. Ich hatte damit abgeschlossen, das hatte ich wirklich. Ich war mir so sicher, dass ich ihm nie wieder begegnen würde. Mit meiner freien Hand raufte ich mir meine Haare. Er hatte mich damals gebrochen, hatte mein Herz rausgerissen und darauf herumgetrampelt, rücksichtslos und unter dem Gelächter seiner Freunde. Ein Schluchzen entwich meiner Kehle. Seinetwegen war ich diejenige geworden die ich nun war. Seinetwegen waren meine Schulnoten abgerutscht, seinetwegen hatte ich mich nur noch aufs Fußballspielen konzentriert, seinetwegen war mein Leben so scheiß chaotisch. „Verdammt." Entkam es mir und ich sank in die Hocke. Das Wasser, was dabei durch meine Klamotten drang, war mir völlig egal. Meine freie Hand ballte sich zur Faust und erneut durchfuhr mich eine Welle von Wut. Schnell richtete ich mich wieder auf, drehte mich und warf die Tequila Flasche gegen einen der Bäume. „Wow." Lissi stand genau neben diesem Baum und starrte mich mit vor Schock geweiteten Augen an. „Alter." „Fuck, Lissi." Stöhnte ich, „Ich hab dich nicht kommen gehört verdammt." „Hab ich gemerkt." Auch sie zog sich die Schuhe von den Füßen und kam zu mir ins Wasser. „Was ist passiert?" Fragte sie, als sie mich schließlich erreicht hatte. Ich lachte sarkastisch, „Ich kann dir sagen was passiert ist." Ein kaltes Lachen entfuhr mir, „Er hat mich gefragt, ob ich neu bin bei euch." „Wer?" Lissi schüttelte verwirrt ihren Kopf, sie hatte eindeutig schon etwas tiefer ins Glas geschaut. „Na wer wohl." Ich stöhnte, als ich ihren fragenden Blick sah. „Markus." Flüsterte ich schließlich, es war seltsam seinen Namen nach einer so langen Zeit wieder auszusprechen. Lissi lachte los, sie lachte so laut, dass es in meinen Ohren zu klingeln begann, sie lachte aus tiefsten Herzen. Ich hingegen betrachtete sie verständnislos. Es dauerte eine Weile, bis sie sich wieder etwas beruhigt hatte. Schnell wischte sie sich ein paar Lachtränen aus den Augen und schnappte nach Luft. „Er hat dich nicht erkannt?" Fragte sie schließlich und ich schüttelte mit dem Kopf, „Hat er nach deinem Namen gefragt?" Ich nickte, wieder entfloh ihr ein leises Lachen, „Dieser Typ," begann sie, begann jedoch wieder zu lachen, „Ist armselig." Ich grinste, als ich ihren Satz beendete. „Und wie." Mein Grinsen wurde breiter und mir entfuhr ein leises Lachen. Mit dem Handrücken fuhr ich über meine verweinten Augen und spritze Lissi anschließend mit etwas Wasser ab, da sie noch immer nicht mit dem Lachen aufgehört hatte. „Hey!" Beschwerte sie sich und spritzte zurück. „Na warte!" Rief ich und eine wilde Wasserschlacht begann. Wir kreischten und lachten, bis unser Klamotten völlig durchnässt waren.

Schließlich lagen wir mit vor Lachen schmerzenden Bauch im Wasser und schauten hinauf zu den Sternen. „Was soll ich jetzt machen?" Fragte ich in die Stille hinein, die uns mittlerweile umgab. Lissi atmete tief ein, „Er hat dir damals nicht nur dein Herz gebrochen, er hatte dich gebrochen. Du warst am Ende." „Wow, danke, das baut mich jetzt richtig auf, wirklich." Ich verdrehte meine Augen, doch Lissi hatte recht. „Zahl es ihm heim." Flüsterte Lissi plötzlich. Ruckartig stellte ich mich zurück auf die Beine. „Was?" Fragte ich, „Du hast mich schon verstanden, räch dich bei ihm, lass ihn leiden, so wie er dich hat leiden lassen." Ich atmete hörbar aus, „Es ist Jahre her," begann ich, „Na und?" Unterbrach Lissi mich, „Er hat es nicht anders verdient." Ich zögerte, Lissi hatte recht, er hatte es nicht anders verdient, dennoch kam es mir irgendwie falsch vor. „Hey, Liv, das ist deine einzige Chance ihn das fühlen zulassen, was dich in den letzten Jahren so gerissen hat." Lissi hatte sich ebenfalls hingestellt und schaute mich mit ihrem weichen Hundeblick an, ich schmunzelte. Dann erinnerte ich mich zurück an die Zeit, von der wir sprachen und mein Inneres zog sich schmerzhaft zusammen. Entschlossen straffte ich die Schultern, „Du hast recht." „Ich weiß." „Werd nicht übermütig." Wieder bespritzte ich sie mit Wasser. „Bin ich doch nie." Sie grinste und machte sich auf den Weg zum Ufer. „Los komm, ich hab kein Bock mehr, lass uns schlafen gehen." Ich nickte, sie wartete, bis ich an ihr vorbeigelaufen war. „Weiße Hose und schwarzer Tanga, du Biest." Sie schlug mir auf den Hintern und ich lachte, „Danke." Ich biss mir auf die Lippe und posierte für sie. „Weißes T-Shirt, auch nicht schlecht." Lissi zuckte lachend mit den Schultern und griff nach meiner Hand, die ich ihr lachend entgegenhielt.

Gemeinsam liefen wir zurück zum Steinbruch. Die Musik war deutlich leiser geworden und mittlerweile standen auch einige vor der Hütte, um sich etwas abzukühlen vermutlich. „Liv." Lissi stieß mir in die Seite und deutete auf die Gruppe Jungs, Markus erkannte ich sofort. „Lasset die Spiele beginnen." Murmelte ich, glättete mein Haar und lief gemeinsam mit Lissi an ihnen vorbei. Blicke brannten sich in meinen Rücken und mit einem wissenden Grinsen verschwanden wir um die Ecke.

Beast or BelleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt