Kapitel 10

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Ein Schrei läßt mich wach werden.
Mum!
Wie von einer Tarantel gestochen, springe ich aus dem Bett und rase die Treppe hinunter.
"Was ist passiert?!" frage ich, als ich völlig außer Atem in der Küche ankomme. Meine Mutter steht auf dem Küchenstuhl und deutet mit zitternden Fingern unter den Tisch.
"Spinne" quietscht sie nur.
Ich schlage mir die Hand vor die Stirn. "Mama! Ich dachte dich sticht jemand ab. Du kannst doch nicht das ganze Haus zusammen schreien, weil dir eine Spinne über den Weg läuft!"
"Rachel, mach sie einfach weg."
Ich verdrehe die Augen und bücke mich, um unter dem Tisch nach zu sehen. Und tatsächlich, unter dem Tisch befindet sich eine Spinne, in der Größer meines Daumennagels. Kopfschüttelnt hole ich ein Glas und ein Untersetzer, um das Monster zu fangen und um es vor meiner Mutter zu retten.

Nachdem meine Mum wieder von Stuhl gestiegen war, machte sie mir einen Kaffe und wir frühstückten zusammen.

Jetzt liege ich im Garten auf der Hängematte und starre in den tiefblauen Himmel. Keine einzige Wolke ist zu sehen und so genieße ich das Sonnenbad in vollen Zügen. 
Meine Gedanken schweifen zu den gestrigen Ereignissen und zu Ethan. Sollte ich ihn besuchen und auf sein komisches Verhalten ansprechen?  Ihn fragen, was das alles bedeutet?
Aber ich kann doch nicht einfach zu ihm fahren und an seine Tür klopfen.

In Gedanken versunken, registriere ich Nina erst, als bereits neben der Hängematte steht und mit den Händen wild gestikuliert, um mich auf ihre Anwesenheit aufmerksam zu machen.
"Nina an Rachel, ist jemand zu Hause?!"
"Ja, hier ist jemand zu Hause." entgegne ich mit einem Grinsen.
"Und was liegst du hier denn so als wärst du mit deinen Gedanken auf Hawaii?"
Ich verdrehe die Augen und Nina legt sich zu mir in die Hängematte.

So liegen wir eine Weile schweigend nebeneinander und jeder ist auf seine eigenen Gedanken fokussiert.
"Sag mal",unterbricht Nina plötzlich die Stille, "Was ist eigentlich los mit dir? Am Anfang hab ich dein Verhalten verstanden. Es war Schluss mit David. Er hat dich betrogen und du warst verletzt. Ich hätte wahrscheinlich genauso reagiert wie du. Ich hätte mich auch zurück gezogen und versucht damit alleine fertig zu werden, aber Rachel wie lang ist das jetzt her? Drei Monate? Langsam wird es Zeit, dass du aus deiner Höhle zurück in die Realität kommst. Ich war so froh,  als du mit uns zum See gefahren bist, aber die Nummer, die du dann abgezogen hast, war einfach...", Nina schüttelt den Kopf. Sie sucht nach dem richtigen Wort.
"Scheiße", springe ich ein.
Sie nickt.
"Ich wusste nicht, was ich machen sollte. Ich war verletzt, weil du nicht mit mit redest und ich habe mir sorgen gemacht. Und dann die Nachricht, dass du bei irgendeinem fremden Kerl bist... Das ist nicht die Rachel, die ich kenne. Das ist nicht meine beste Freundin. Also was ist los mit dir?"

Ich beiße mir auf die Lippe. Ich würde ihr so gerne alles erzählen. Ich muss es ihr erzählen! Aber wie erklärt man jemanden etwas, das man selbst nicht einmal versteht?

"Ich... ich weis es selber nicht so genau. Ich schätze mein Hirn ist einfach zu verkorkst. Da steigt keiner mehr durch. Es tut mir Leid und das meine ich ernst. Es tut mir wirklich Leid, dass ich in letzter Zeit so ein beschissene Freundin war."

"Ach", stöhnt Nina, "Dass du nicht mehr ganz normal da oben bist, wusste ich doch schon immer."

Wir beide brechen in schallendes Gelächter aus. Es fühlt sich gut an so richtig zu lachen. Das habe ich zu lange nicht mehr gemacht. Und es fühlt sich gut an wieder Zeit mit Nina zu verbringen.


Als wir uns am Abend wieder voneinander verabschieden fragt sie mich, ob ich morgen mit auf Penelopes Party komme. Ihre Eltern sind noch im Urlaub und so veranstaltet sie ihre jährliche Hausparty.
"Ich weiß nicht...."
"Ach komm schon! Wir müssen der Welt doch zeigen, dass Rachel Humphrey wieder auf dem Markt ist!"
"Ist das dein Ernst Nina? Ich bin seit gerade einem Monat wieder Single und soll mich direkt auf den Nächsten stürzen? Darf ich dich daran erinnern, wie es bei dir war, als du letztes Jahr nach deinem Auslandsjahr in Spanien zurück gekehrt bist und fast zwei Monate durch geheult hast, weil dich dein spanischer Lover per SMS abserviert hat. Und dann hat es nochmal weitere vier Monate gedauert, bis du dich endlich wieder auf ein Date eingelassen hast und nicht jedem Kerl, der dich auch nur angeguckt hat am liebsten an die Gurgel gesprungen wärst."
"Liebste Rachel, dass ist etwas GANZ anderes. Im Vergleich zwischen mir und meinem spanischen Lover  war deine Beziehung mit David nur ein kleiner morgendlicher Quikie. Das, was wir hatten, war etwas echtes, etwas zeitloses, jedenfalls für mich. Da darf man schon mal die Nerven verlieren. Außerdem sind wir zwei ganz unterschiedliche Typen von Menschen. Ich bin eher der emotionale Typ und du bist mehr die rational denkende. Also muss einen Monat Liebeskummer schieben ausreichen. Mehr steht dir nicht zu."
"Mehr steht mir also nicht zu?!"
"Genau! Außerdem ist es gar nicht dein Stil irgendeinem Typen nach zutrauern und auf depri zu tun. Es steht dir einfach nicht."
"Und was ist denn bitte mein Stil?"
"Zu tanzen, zu singen, zu lachen und zu feieren und dir so selber zeigen, dass es mehr im Leben gibt wofür es Wert ist, dass Leben zu genießen." Nina schaut auf ihre Uhr. "Da ich jetzt das Wort zum Sonntag gesprochen habe, muss ich auch los. Ich bin dann morgen um sieben bei dir und wir machen uns zusammen fertig. Also, hau rein!" 
"Bis Morgen."

Nina kann sich ein kleines Grinsen nicht unterdrücken, weil sie weiß, dass ich weiß, dass sie Recht hat.

Und ich dachte immer ich hätte die Hosen bei uns an.



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Tadaaaa

VampirekissWo Geschichten leben. Entdecke jetzt