Krawattenträger sind out- Kapitel 5

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Ich bin wahnsinnig aufgeregt, denn ich bin noch nie geflogen und schon gar nicht erster Klasse! Sitze am Gang, weil ich ein wenig Höhenangst habe. Tina sieht umwerfend aus, sie trägt jetzt ein grünes Kleid und einen Pferdeschwanz, der sie gleich nochmal jünger aussehen lässt. Nein, auf Vierzig würde niemand kommen! Doch ich weiß, wie frustrierend es ist, jünger geschätzt zu werden. Ich wollte mir einen Bart wachsen lassen, damit mich niemand mehr nach meinem Ausweis fragt. Doch leider sieht der an mir lächerlich aus!

Auf die Stewardessen (und einen Steward) habe ich die gleiche Wirkung wie überall und ich seufze genervt, als sie mir zum dritten Mal etwas zu trinken anbieten.

„Nein, bitte fragen sie mich nicht wieder. Ich melde mich schon, wenn ich etwas brauche." brumme ich, und Tina kichert. Sanft stupse ich sie an und protestiere:

„Hey!"

„Was ist? Ich freue mich nur darüber, dass du mitkommst." lächelt sie.

„Ja, schon klar. Amüsier du dich nur über den kleinen Jungen."

„Über den äußerst attraktiven jungen Mann, meinst du wohl! Und ich meine es ernst, danke, dass du so spontan warst."

„Keine Ursache, ich will ja von dir lernen. Und..."

„Was?"

Ich bin gerne in deiner Nähe. Ich möchte rund um die Uhr bei dir sein! Aber das sage ihr lieber nicht so...

 Ich möchte rund um die Uhr bei dir sein! Aber das sage ihr lieber nicht so

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„Es ist spannend für mich, auch mal ganz oben mit zu mischen..." grinse ich stattdessen.

Sie grinst zurück. Doch dann seufzt sie.

„Glaub mir, ich würde das sofort eintauschen und dir im Krawattengeschäft Gesellschaft leisten." Sie erschrickt. „Oh, so meine ich das nicht...das sollte jetzt kein versteckter Antrag sein..."

Ich lache.

„Ich verstehe schon. Schließlich bin ich nur halb so alt wie du und komme als Dauerverlobter nicht in Frage, hm?"

Sie nickt erleichtert. Schade, ich wäre gerne ihr Dauerverlobter. Apropos...

„Sag mal, was sagt Leon dazu, dass du mit fremden Kerlen unterwegs bist?"

Sie guckt ein wenig echauffiert und ich bereue meine direkte Frage. Obwohl wir gestern auch schon über ihn gesprochen haben. Doch dann sagt sie leise:

„Weißt du, er vertraut mir. Als wir uns kennengelernt haben, war ich als unnahbare, frigide Schachtel verschrien gewesen. Das lag daran, dass ich nach meiner ersten Beziehung, einem geldgierigem Studienfreund, erst mal die Nase voll von Männern hatte. Ich war lange Single und habe mich ganz und gar dem Job gewidmet. Doch Leon liess nicht locker und Papa bekniete mich, dass es nach außen besser aussehen würde, wenn ich jemanden hätte."

„Ja, kenne ich. Ich werde auch ständig gefragt, warum die Richtige noch nicht dabei war."

Upps. Mist, verdammt aber auch! Tina reisst die Augen auf und staunt Bauklötze. Was mache ich jetzt? Wie soll ich ihr erklären, warum ich single bin? Ich könnte sie anlügen, und ihr was von unglücklicher Liebe erzählen. Oder wieder die Schwulen- Ausrede benutzen, doch nein, nicht bei ihr. Mann, manchmal ist die Frau in mir echt schneller!

„Du bist Single? Hätte ich nicht gedacht..." murmelt sie ungläubig.

„Warum?"

Sie zeigt unmerklich auf die Stewardess, die mich wie ein Luchs beobachtet und nur drauf wartet, dass sie etwas für mich tun kann.

„Darum. Dir liegen die Frauen zu Füßen."

„Ja, mag sein. Aber Leon und du, ihr seht euch nicht oft, oder?"

Hoffentlich klappt das... Sie grinst.

„Nein, ist auch gut so. Er kann sich trotzdem drauf verlassen, dass ich nicht jeden Kerl an grabe, der mir gefällt. Ich bin spontan, aber nicht in dieser Hinsicht."

Ich nicke. Puh, gut abgelenkt.

„Anatol, ich merke, du willst nicht über dein Liebesleben reden. Ist okay, aber du sollst wissen, dass du mir vertrauen kannst. Was auch immer es ist."

Mein Gesicht wird heiß und ich wende mich ab. Tina plappert weiter, als würde sie mich beruhigen wollen.

„Und ich vertraue dir übrigens auch. Hey, ich bin echt müde, war eine kurze Nacht, was?"

Ich nicke lächelnd. Wenn du wüßtest! Sie kramt in ihrer Handtasche und bringt einen iPod zum Vorschein. Hm, Musik, gute Idee! Ich lasse mich von ihrem Gähnen anstecken und frage:

„Was hörst du?"

„Ach, dies und das. Hier..."

Wir teilen uns ihren Kopfhörer und kurze Zeit später bin ich zu dem groovigem Jazzsound des "Fifty- Shades- of Grey"- Soundtrack eingeschlafen.

Yes, she put a spell on me!

Die Stewardess rüttelt mich vorsichtig wach und sagt, dass wir in zehn Minuten landen werden. Sie schaut missbilligend auf Tina, die ihren Kopf auf meiner Schulter gebettet hat und noch schläft. Ihr Kopfhörer ist raus gerutscht, in meinem läuft gerade Depeche Mode. Hm, auch nicht schlecht. Ich schalte den iPod aus und wecke Tina sanft. Sie öffnet ihre hübschen Augen und mein ganzer Körper kribbelt, als sie mich anlächelt.

„Oh, sorry. Da habe ich wohl die Grenze überschritten, hm? Muss ich jetzt meinen Anwalt anrufen?" murmelt sie schläfrig.

Ich schüttele den Kopf und antworte genervt:

„Nein, natürlich nicht. Ich dachte, du vertraust mir?"

„Das war doch nur Spaß, Anatol! Natürlich tue ich das, aber trotzdem muss ich es ja nicht ausnutzen, oder?"

„Das ist schon in Ordnung. Darfst meine Schulter gerne als dein Eigentum ansehen."  murmele ich.

Tina lächelt.

„Eigentum?"

Ihre Augen blitzen, ich lächle zurück und es knistert wieder einmal ziemlich heftig zwischen uns. Zum Glück unterbricht die Durchsage diesen Moment.

Das Hotelzimmer ist riesig und es gehört mir alleine. Ich bin völlig überwältigt. Tinas ist direkt nebenan, und... kleiner! Beim Abendessen frage ich sie, ob sie wohl die Zimmer verwechselt hätte. Sie verzieht das Gesicht.

„Nein, das war Absicht. Ich mag's gerne übersichtlicher. Ist es in Ordnung für dich?"

„Naja, ich mag's auch lieber übersichtlicher. Aber für die zwei Nächte wird es schon gehen. Und ich wollte ja wissen, wie sich Leute in deiner Position so fühlen..."

Sie nickt.

„Also, heute Abend brauche ich dich nicht unbedingt. Ich muss einen Höflichkeitsbesuch abstatten, das wollte ich gleich nach dem Essen machen. Dann muss ich das Meeting vorbereiten. Wenn du willst, guck dir Frankfurt an und geh dich amüsieren."

Ich seufze.

„Ich bin dein Assistent, soll ich dir nicht bei der Vorbereitung helfen?"

„Hm, theoretisch schon. Aber ich bin es nicht gewohnt, im Team zu arbeiten."

„Gestern hat es doch auch geklappt."

„Ja, ich weiß. Na gut, ich kann's ja versuchen. Ich melde mich bei dir, wenn ich zurück bin. Das wird so gegen acht sein, schätze ich."

Sie verabschiedet sich und ich spüre einen Anflug von Traurigkeit. Was ist das nur, ich war jahrelang alleine? Und sie ist meine Chefin, Punkt, aus!

Ich lasse die Flirtversuche der Kellnerin an mir abprallen und gehe auf mein Zimmer. Ziehe mir Sportklamotten an und besuche den irre großen Fitnessbereich des Hotels. Ich gehe nicht gerne in Fitnessclubs, weil ich dort nicht duschen mag. Auch Sauna und Schwimmen ist tabu. Ich muss erst die OP abwarten. Spare schon seit geraumer Zeit, nur jetzt geht mein Geld für das Studium drauf und meine Eltern haben auch jeden Monat zu kämpfen. Sie hatten mal erwägt, den Laden zu verkaufen, um mir zu helfen.

Aber das würde ihnen das Herz brechen, nein, geht gar nicht!

Der Held der KrawattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt