Ja, Glück kann ich gut gebrauchen. Ich setze mich auf den Stuhl neben dem Wachmann vor Tinas Zimmer und warte. Gut, dass ich ein paar iBooks runter geladen habe, so kann ich wenigstens lernen. Nach einer halben Stunde klingelt Tina und die Schwester ruft mich rein. Tina sieht müde und verheult aus. Ich setze mich ans Bett und sie reicht mir ihre Hand.
„Tut mir leid, aber ich war so überwältigt von allem. Und ich schäme mich so vor dir."
Ich drücke ihre Hand und sage:
„Nicht, bitte. Versuch das abzustellen, ja? Willst du den Rest der Geschichte noch hören?"
„Kann ich das ertragen? Okay, mach es kurz."
Ich erzähle ihr wirklich kurz von den Ereignissen der letzten Tage, dann grüße ich sie von ihrem Vater. Während ich rede, spielt Tina mit ihrem Ring und als ich ende, fragt sie:
„Woher habe ich den?"
„Na, dreimal darfst du raten." grinse ich.
„Mein Verlobungsring? Anatol, ich kann mich daran auch nicht erinnern, tut mir leid." sagt sie leise.
„Das liegt wohl daran, dass ich ihn dir erst am Dienstag gekauft habe. Ich dachte, wo du's schon offiziell gemacht hast, darf der nicht fehlen..."
Sie schaut mich erschrocken an.
„Oh, ich...war wohl zu vorschnell, hm?"
Ich küsse sie sanft und sie zieht ihren Kopf weg.
„Ich müsste mal Zähne putzen... Sorry..." sagt sie.
„Hör auf, dich dauernd zu entschuldigen! Nein, du warst ganz bestimmt nicht vorschnell, ich liebe dich, will dich immer noch heiraten und dein Mundgeruch ist mir schnuppe!" sage ich mit sanften Nachdruck.
„Mir aber nicht. Ich will nicht, dass du dich vor mir ekelst, ich bin..." -sie macht eine Geste in Richtung Unterleib- „... ein Krüppel. Vorher konnte ich vielleicht halbwegs verstehen, dass du mich begehrst, aber nun, ist nix mehr da!"
„Na, dann passen wir ja gut zusammen, hm? Der Krüppel und der Freak." knurre ich.
Wir starren uns gegenseitig an und plötzlich zuckt es um ihren Mundwinkel, ich kann mein Grinsen nicht mehr aufhalten. Wir lachen und lachen, bis ich mir vor Schmerzen den Bauch halten muss und Tina kaum noch Luft kriegt.
„Rutsch mal rüber, Frau Krüppel." sage ich grinsend.
„Gerne, Herr Freak."
„Für sie immer noch Blödmann- Freak."
Tina kichert und ich kuschele mich an sie heran.
Doch die Gefahr ist immer noch nicht gebannt. Die Schwester kommt und will den Blasenkatheter wechseln, dann soll Tina auf eine andere Station verlegt werden. Natürlich wirft Tina mich wieder raus. Ich darf erst wieder rein, als man sie in den Rollstuhl verfrachtet hat. Immerhin darf ich sie schieben und unterwegs sage ich beiläufig:
„Süße, du weißt, was man über die Ehe sagt, oder?"
„Soweit sind wir noch lange nicht! Ich bin es gewohnt, meine schlechten Tage alleine zu verbringen..." antwortet sie gequält.
Sie muss starke Schmerzen haben. Ich will gar nicht drüber nachdenken... bevor ich das Testosteron genommen habe, hatte ich ein einziges Mal eine leichte Regelblutung. Das war zwar vom Schmerz her auszuhalten, jedoch ekelte ich mich dermaßen vor mir selbst... Ich verstehe Tina viel besser, als es ein echter Kerl tun würde. Und plötzlich macht es einen Sinn, dass ich so bin, wie ich nun mal bin!
„Und wo war dein Dauerverlobter an deinen schlechten Tagen?" knurre ich.
„Den habe ich nicht sehen wollen. Er sagte sowieso immer, er könne mir nicht helfen."
Ja, genau wie nach ihrer ersten Vergewaltigung. Was für ein blöder Kerl!
„Tina, wenn du meine Dauerverlobte oder Ehefrau bist, musst du dich daran gewöhnen, dass ich dich umsorge. In guten, wie in schlechten Tagen."
Sie seufzt.
„Wir sind da. Zimmer 23. Holst du ne Schwester?" fragt sie leise.
„Hast du mir nicht zugehört? Wir kriegen das schon hin." murmele ich sanft.
„Anatol! Ich will nicht, dass du mich so..."
Doch ich schiebe sie vor das Bett, lege ihre Arme um meinen Hals und drehe sie geschickt auf das Bett, wo sie sofort stöhnend in die Waagerechte geht.
„So, und nun hole ich meinen Kram noch ab. Ruh dich aus, Süße- soll ich der Schwester sagen, dass du ein Schmerzmittel brauchst?"
Tina nickt mit tränengefülltem Blick und ich flitze los.
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Der Held der Krawatten
General FictionAnatol Kupfer, unser Held, hat ein Geheimnis. Etwas, was er auch in unserer ach so modernen, verständnisvollen Welt vor allen Menschen versteckt, denn er hat deswegen viel Ablehnung erfahren. Nun muss er ein Praktikum absolvieren und dummerweise i...