Es ist heiß und ich knöpfe mein Hemd auf. Die Musik dröhnt laut in meinen Ohren und das grelle Flackerlicht nervt. Eine Stripperin beugt sich zu mir runter und ich stecke einen Zehner in ihr Strumpfband. Ich bin schon wieder betrunken! Und von Tinas Geschäftspartnern in einen Nachtclub eingeladen worden. Tina selbst hat sich mit Kopfschmerzen in ihr Hotelzimmer verzogen und aus Frust darüber, dass es „nur ein Kuss" war und sie mich heute Nacht aus ihrem Bett verbannt hat, habe ich die Einladung angenommen. Nun, ich weiß ja, ich habe keinen Anspruch auf Tinas Bett, aber trotzdem, nach letzter Nacht sollte sie dankbarer sein. Oh, Mann, Anatol!
Der bullige, schmierige Walter Persson, ein schwedischer Geschäftspartner, zu dem auch der Wikinger gehört, tippt mir auf die Schulter.
„Anatol, we have a special surprise for you. Follow me." ruft er gegen „Push it" an.
Ich nicke und folge ihm, denn mir ist langweilig. Den Stripperinnen, der Musik und auch der ganzen Atmosphäre hier kann ich nichts abgewinnen und war schon kurz davor, dieses heiße Etablissement zu verlassen. Wir gehen durch einen dunklen Gang und der Wikinger, der Lasse heisst, ist direkt hinter mir. Ich konnte ihn vom ersten Augenblick an nicht ausstehen und nur der Nebel in meinem Kopf, vermischt mit Ärger, lässt mich das hier durchziehen. Natürlich wäre ich lieber bei Tina.
„Do you fuck the iron lady?" fragt Lasse amüsiert.
Ich verdrehe die Augen.
„That's none of your business." brumme ich und Persson lacht.
„Tina is really hot, but hard to get, eh? Come, I'll give you something to cheer you up."
Hot, hm, yes, indeed! Wenn die wüssten, wie sie küsst, und wie sich ihr weicher Körper an mich geschmiegt hat... Stop, Anatol! Iron Lady.. ich werde Tina das mal smsen, vielleicht lässt sie mich nachher noch rein...
Ich erstarre, als ich sehe, was Persson gemeint hat.
Wir sind in einem rot beleuchtetem Raum gelandet und ich bräuchte noch nicht mal die dezent bekleideten Damen gesehen haben, um zu wissen, was hier abgeht. Sex! Heißer, ungezügelter Sex. Überall um mich herum. Der Wikinger kriegt sofort einen geblasen und Persson stürzt sich auf zwei Blondinen. Bevor ich mich versehe, nestelt eine üppige Brünette an meinem Hosenstall herum.
„Have fun!" grinst Persson und verzieht sich in eine Ecke.
Der Alkohol vernebelt mein Hirn und ich bin froh, dass ich die komische Pille, die mir Lasse vorhin angeboten hatte, abgelehnt habe. Bin noch genug Herr meiner selbst, die Hand der Brünetten zu packen und sie energisch weg zu schieben. Ich fasse sie an den Schultern, drehe sie um und sie lacht.
„Oh, das willst du, Kleiner! Aber bitte nicht so fest, ja?"
Was meint sie? Sie legt ihre Arme zusammen und hebt sie über den Kopf. Dann beugt sie sich vorn über, reckt mir ihren nackten Hintern entgegen. Plötzlich flackert eine Idee vor mir auf, trotz meines vernebeltem Hirns. Ich grinse, gebe der Brünetten einen Klaps auf den Po, was sie mit einem übertrieben lautem Stöhnen quittiert und verlasse diesen Sündenpfuhl.
Wenn meine Mutter mich so gesehen hätte, wäre es ihr sicherer Tod gewesen!
Ich falle müde ins Bett und lasse die Idee ruhen. Morgen ist auch noch ein Tag!
Das Frühstück fällt ziemlich frostig aus. Ich bin noch groggy und Tina macht ihrem Namen als „Iron Lady" alle Ehre. Doch nur vom Gesichtsausdruck her, der Rest ist...einfach lecker! Sie trägt ein graues, vorne geknöpftes Kleid und einen süßen Pferdeschwanz. Ich grinse sie an und bereue es eine Sekunde später.
„Na, hast du Spass gehabt?" fragt sie schnippisch und tunkt ihr Brötchen in ihren Chai Latte.
„Hm? Ach, das. Soll dich nochmal von Lasse grüßen. Er nennt dich Iron Lady..." schmunzele ich.
Sie verzieht keine Miene, dabei ist es doch wirklich witzig, oder? Ich löffele meine Cornflakes. Das kann ja heiter werden! Nach einer Weile frage ich:
„Tina, was ist los?"
„Nichts. Was soll sein?" entgegnet sie schnippisch.
„Hast du noch Kopfschmerzen?"
„Nein. Ich habe prima geschlafen."
Oh, sie kann nicht lügen! Jedenfalls nicht, wenn es um Gefühlsangelegenheiten geht...Gut zu wissen!
„Also, was machen wir heute?" frage ich und sie schaut mich durchdringend an.
„Du solltest aufpassen, mit wem du dich einlässt." sagt sie plötzlich leise.
Woah.
„Was meinst du?"
„Perrson und Lasse. Vielleicht ist es gestern Nacht mal gut gegangen, aber irgendwann wird es das nicht mehr. Drogen, Alkohol und leichte Mädchen sind nicht unbedingt ein Karrierepusher. Noch mag es aufregend für dich sein, aber es ist der Anfang vom Absturz. So, jetzt weißt du, was mit mir los ist." schließt sie und mir fällt förmlich die Kinnlade runter.
Ich hätte mit ganztägigem, frostigem Anzicken gerechnet.
„Tina... ich habe nicht...verdammt. Was interessiert dich das überhaupt? Und du hast überhaupt kein Recht, mir eine Szene zu machen!"
„Mache ich das? Ich habe dich nur gewarnt, das ist alles. Du bist noch so unerfahren, und..."
Ich springe auf, sie schaut überrascht zu mir hoch.
„Ich habe keine Drogen genommen und auch niemanden gefickt!" fauche ich und renne los. Direkt ins Fitnessstudio. Em muss her und ich muss laufen, laufen, laufen. Was bildet die sich ein! Sie meinte doch, dass es NUR EIN KUSS war, also! Und ich kann vögeln, wen ich will und wie ich will. Nein, so wird aus unserem Arrangement nix. Das wir noch gar nicht haben...
Meine Idee, die trotz Alkohol im Schädel kam, ist folgendermassen: Ich erkläre Tina den Grund für mein Single- Dasein damit, dass ich spezielle sexuelle Vorlieben hätte. Wozu Bondage und die Abgabe jeglicher Kontrolle meines Partners gehören. Das hätte mir theoretisch schon viel eher einfallen können, wir haben ja dauernd über diesen dämlichen Film gesprochen. Aber wahrscheinlich kam es mir nicht in den Sinn, weil es eigentlich nicht mein Ding ist. Nein, mir geht keiner ab, wenn ich eine Frau schlage, aber bei dem Gedanken, Tinas gefesselten Körper mit sanften Küssen zu bedecken, wird mir echt heiß.
Nun müsste ich sie bloss überzeugen, und ich weiß gerade nicht, ob ich das noch will.
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Der Held der Krawatten
General FictionAnatol Kupfer, unser Held, hat ein Geheimnis. Etwas, was er auch in unserer ach so modernen, verständnisvollen Welt vor allen Menschen versteckt, denn er hat deswegen viel Ablehnung erfahren. Nun muss er ein Praktikum absolvieren und dummerweise i...