Krawattenträger sind out- Kapitel 7

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Mein Wecker klingelt um halb acht, ich stehe auf und dusche. Ziehe mir einen dunkelgrauen Anzug an, dazu eine passende, grüngraue Seidenkrawatte. Mein dunkles Haar bändige ich mit Gel und bin ganz zufrieden mit dem Ergebnis. Ich sehe, dass Tinas Mac noch auf meinem Nachttisch liegt, schnappe ihn mir und gehe rüber. Es ist bereits viertel nach acht. Ich klopfe. Nichts. Lauter. Wieder nichts. Ich rufe Tina an, nur die Mailbox antwortet. Gut, sie wird sich schon melden, vielleicht duscht sie gerade. Ich gehe unsere Aufzeichnungen nochmal durch. Kurz nach halb neun werde ich nervös, zwar ist es nicht weit zum Messegelände, aber ich würde gerne noch was mit Tina besprechen. Ich klopfe mehrmals, dieses mal ziemlich forsch, und nach einer Minute öffnet meine Traumfrau endlich. Wow. Mit verwuscheltem Haar, im Schlafanzug, ich könnte ja! Sie guckt auf meine Armbanduhr und erschrickt.

„Oh, mein Gott! Oh, mein Gott! Ich habe den Wecker nicht gehört! Hier, ruf diese Nummer an, sag ihnen, dass wir uns circa zehn Minuten verspäten, sie sollen warten. Sag, ich hätte eine Magenverstimmung oder so. Danke!"

Dann flitzt sie ins Bad und ich tue, wie mir geheißen. Der Herr am anderen Ende der Leitung ist ziemlich unfreundlich und ich muss mich arg beherrschen, nett zu bleiben. Plötzlich reisst Tina die Tür auf, rennt im Bademantel an mir vorbei, grinst mich süß an, nimmt einen Kleidersack vom Schrank und flitzt wieder zurück.

„Ich war vor ner Viertelstunde schon mal hier." rufe ich.

„Oh. Ich habe einen ziemlich festen Schlaf. Verdammt!"

„Was?"

Sie kommt aus dem Bad, trägt ein violettes, enges Kostüm. Hm. Die ersten drei Knöpfe der Bluse sind auf und lassen einen dunklen Spitzen- BH durchblitzen. Mann!

„Das Oberteil ist oben rum zu eng! Scheiß- Hormone...oh, sorry..." flucht sie.

„Geht doch so..." grinse ich und ernte einen giftigen Blick.

Sie zieht die Bluse aus, schnell drehe ich mich um. Doch nun kann ich sie im Spiegel betrachten. Plötzlich ist all die Hektik weg und die Zeit steht still. Ihr Blick ruht auf meinem im Spiegelbild, ich höre ihren schnellen Atem, ihre Brust hebt und senkt sich, während sie sich eine andere Bluse überzieht. Ich drehe mich wieder um und sie schaut mich mit großen Augen an. Dann fällt ihr Blick auf meine Krawatte und sie lächelt.

„Die ist schön." sagt sie leise.

„Danke. Komm, wir müssen."

Ich muss hier raus, sonst falle ich noch über diese Frau her!

Eine Limo holt uns ab, ich frage mich, wie viel der ganze Spass die Firma wohl kostet. Das Früh- Meeting ist anstrengend, aber interessant. Meine Traumfrau überrascht mich völlig, denn erst ist sie still, sodass sie allen, inklusive mir, das Gefühl gibt, sie sei noch zu müde, um zu folgen. Doch nach einer halben Stunde geht sie nach vorne und legt los, mir fällt förmlich die Kinnlade runter. Sie verteilt Seitenhiebe auf die Vorredner und überzeugt mit unserem schlüssigem Konzept. Selbst der brummige Typ, mit dem ich morgens telefoniert hatte, hat nichts zu kritisieren. Unser Plan geht auf, und im Rausgehen gibt sie mir High- Five. Auf der Messe wird Tina ständig belagert, gibt viele Interviews und wir hören uns einzelne Vorträge an, teilweise auch getrennt voneinander. Ich überrasche Tina, als ich in fließendem russisch mit einem Geschäftsmann aus Moskau einen neuen, interessanten Deal aushandle. Doch sie kommt nicht dazu, mich zu löchern, denn es geht Schlag auf Schlag weiter. Mittags gibt es einen kleinen Snack, und nach dem abschließendem Meeting, das etwas weniger gut für uns verläuft, aber auch nicht so wichtig wie das vom Morgen war, folgt ein großes Bankett mit sechs- Gänge- Menü. Wir sind so busy, dass ich überhaupt nicht mehr über meine Misere nachdenken kann und ich geniesse Tinas Expertise. Am Abend qualmt mir der Schädel, während sie mir noch angeregt von den vielen Eindrücken berichtet. Nun, sie ist es ja auch gewohnt.

Wir lassen den Tag an der Hotelbar ausklingen. Da wir morgen nur noch Messe haben, müssen wir nicht so früh aufstehen, also gönnen wir uns eine Flasche teuren Wein. Wir stoßen an und trinken auf einen erfolgreichen Tag. Tina sagt:

„Und jetzt verrate mir endlich, warum du so gut russisch kannst. Naja, dein Vorname ist ja russisch, aber ich dachte, das wäre eben so."

Ich schmunzele.

„Meine Familie väterlicherseits stammt aus Kaluga. Mein Großvater, Dimitri Kupfer, kam 1958 nach Deutschland und hat das Krawattengeschäft eröffnet. Ich bin zweisprachig aufgewachsen, Vater ist es wichtig, dass die russischen Traditionen gepflegt werden."

„Aber Kupfer ist doch nicht typisch russisch, oder?"

„Wir haben jüdische Vorfahren. Doch diese Kultur wird weniger gepflegt."

Sie wird rot und ich weiß sofort, an was sie denkt. Böses Mädchen! Doch sie fängt sich schnell wieder.

„Auf jeden Fall ist es Glück, dass ich dich dabei hatte, denn sonst hätten wir diesen Auftrag niemals bekommen! Papa wird ausflippen! Danke, Anatol."

Gerne! Und sag ihm, dass ich der perfekte Schwiegersohn wäre. Nicht dieser Schnösel Leon! Als hätte er es gehört, stimmt „Earned it" an, Tinas Handyton für Leon, und ich denke, dass dieser Typ sie nicht verdient hat. Ich auch nicht, denn wenn ich ehrlich bin, kann ich ihr nichts bieten, oder? Tina guckt auf ihr iPhone. Dann drückt sie auf lautlos.

„Ich rufe ihn nachher zurück." sagt sie entschuldigend. 

Na, mir musst du das nicht sagen!

„Stehst du eigentlich auf Fifty Shades?" frage ich und nippe an dem köstlichen Wein.

Tina wird rot. Upps, sorry.

„Auf die Musik, ja. Die ist gut, der Film enttäuschend, die Bücher okay."

„Ja, ich fand den Film sterbenslangweilig! Sie haben die besten Szenen kaputt geschnitten."

Tina nickt. „Absolut. Du hast die Bücher gelesen?" murmelt sie ungläubig.

„Nur quer und auf russisch. Damit ich in der Sprache bleibe, denn zuhause spreche ich sie nicht mehr so häufig."

Plötzlich spielt der Pianist die ersten Töne von "Earned it" und wir lachen. Die Leute um uns schauen irritiert. Ich reiche Tina meine Hand. Sie legt den Kopf schief und ich könnte sie auf der Stelle küssen! Oh, Mann, der Alkohol. Ein halbes Glas Wein und Anatol ist betrunken!

Anscheinend ist tanzen in Ordnung, denn Tina grinst, hüpft vom Barhocker und lässt sich bereitwillig in meine Arme sinken. Hm, sie ist so nahe, ihr Körper an meinem, was hat mich da bloß geritten? Doch langsam senkt sich ein wohliges Prickeln über mein Denken und dann weiß ich nichts mehr.

 Hm, sie ist so nahe, ihr Körper an meinem, was hat mich da bloß geritten? Doch langsam senkt sich ein wohliges Prickeln über mein Denken und dann weiß ich nichts mehr

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Der Held der KrawattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt