Und schon sind wir im heißesten Telefonsex, der etwas später von lautem Klopfen an meiner Tür unterbrochen wird. Schnell ziehe ich meine Hose hoch und lasse die kichernde Tina in der Leitung, während ich öffne. Es ist Mischa. Er schaut mich freundlich an und legt seine Hand auf meine Schulter... uah!
„Junge, ich stehe hinter dir, was immer du tust. Deine Mutter hat nur Angst, dass sie dich an diese Frau verliert, aber es steht ihr nicht zu, darüber zu urteilen, wen du liebst."
Wow. Ich bin geil, meine Gefühlswelt liegt brach, nachdem ich Tina meine Liebe gestanden habe, und nun das! Ich schlucke den Kloss im Hals runter und bedanke mich leise.
Mischa nickt und sagt tschüss. Ich starre auf mein Telefon, wohl wissend, dass meine Traumfrau alles gehört hat.
„Anatol?" höre ich sie leise sagen.
„Ja?" sage ich mit zittriger Stimme.
Mann, sei ein Kerl, Anatol! Nicht weinen!
„Ich liebe dich auch." erklärt sie bestimmt.
„Hm."
Ich mag nichts sagen, weil mir die Tränen runterlaufen und Tina soll mich nicht flennen hören. Sie spricht einfach weiter:
„Und es gibt noch jemanden, der hinter dir steht. Mich."
Ich lasse mich schluchzend wieder auf's Bett fallen, drücke den Hörer an mich, als wäre er Tina selbst. Und sie bleibt im Monolog:
„Ich weiß, das ist schwer für dich zu glauben, hm? Aber es ist so. Du hast mich von Anfang an umgehauen. Wie du da standest, mich mit deinen wunderschönen, dunklen Augen angeschaut hast, in dem dünnen Anzug auf deinem Fahrrad, und ich dachte: Mann, der wird sich den Tod holen!"
Tina kichert und macht den Alleinunterhalter, sodass ich mich langsam beruhigen kann. Sie ist einfach klasse, diese Frau!
„Doch ich dachte, so ein Typ wie du würde nie etwas mit jemanden wie mir anfangen. Und dann standest du in meinem Büro und ich war hin- und hergerissen. Ich wußte, dass es mir schwer fallen würde, in deiner Nähe cool zu bleiben und andererseits...oh, Mark, schon zurück?"
Jemand brummt etwas, und Tina sagt:
„Hab ich dir doch gesagt. Mach dir nix draus, hm? So ist Lasse eben. Schlaf gut."
Wieder brummt es, und dann höre ich eine Tür klappen. Ich bin wieder einigermaßen bei Sinnen.
„Und andererseits?" raune ich.
„Andererseits fühle ich mich wie verlassen, wenn du nicht in meiner Nähe bist."
„Das kenne ich. Ich habe mich sofort in die süße Fahrradfahrerin verliebt." sage ich leise.
„Und ich war eifersüchtig auf Mark." seufzt Tina.
„Wieso? Dachtest du, ich wäre schwul?" lache ich.
„Hey, wie wir eben feststellen mussten, erliegen nicht nur Schwule seinem Charme. Oh, Mann, Lasse es hat ihm ganz schön angetan, fürchte ich."
„Nicht, dass du auf die Idee kommst, ihn zu trösten..." knurre ich und sie lacht.
„Vergiss es, selbst wenn ich nicht mit so einem heißen Typen wie dir verlobt wäre und auf Männer wie ihn stehen würde... er würde mich nicht mal mit ner Kneifzange anfassen! Ich bin zu kurvig und habe leider keinen Schwanz."
Ich lache.
„Na, Gott sei dank! Und ich liebe deine Kurven, sag noch mal, was hast du genau an?"
Wir telefonieren die halbe Nacht, mit dem Ergebnis, dass ich am Montag morgen im Laden immer wieder einnicke. Nach drei Earl Greys geht es jedoch. Mittags smst mir Kati, dass Frank sie abends zum Essen eingeladen hätte, quasi als Entschuldigung. Ich rate ihr, ihn noch ein wenig schmoren zu lassen. Mir ist nicht wohl dabei und ich traue dem Kerl immer noch nicht.
Plötzlich betritt ein Kurier meinen Laden und hat ein Päckchen für mich. Ich unterzeichne und packe es aus- ein nagelneues iPhone 6s. Bah! Sofort werde ich wütend und komme mir wieder wie Tinas Callboy vor, der nach einer heißen Nacht bezahlt wird. Ich packe das Telefon wieder ein, und als ich den Adressaufkleber sehe, stutze ich. Xavier Sobolew, Moskau.
Ich packe es wieder aus und finde eine beigelegte Karte von Herrn Sobolew, natürlich auf russisch geschrieben. Dies sei ein Dankesgeschenk, und er würde sich freuen, wenn ich vielleicht doch für ihn arbeiten würde. Nun, er hatte schon auf der Messe versucht, mich anzuwerben. Ich bin heilfroh und mache mich sofort daran, meine Sim-Karte umzustecken und das iPhone einzurichten. Ich schicke Tina eine iMessage, schreibe ihr, dass wir nun endlich FaceTimen können.
Tina: Hey, super, wie kommt's? XX
Anatol: Eastern- Connections...das mach mir mal nach! XO
Tina: Sorry, ich passe, das ist dein Gebiet. Hätten wir bloss nicht die ganze Nacht mit Liebesgeplänkel vergeudet, ich komme grad nicht weiter... darf ich dich später mal als Joker benutzen?
Anatol: Kannst mich als alles benutzen, wonach dir gerade ist...
Tina: Oh...Gedankenzug...Persson guckt schon, hör lieber auf... 😮Ich rufe dich in einer halben Stunde an, okay? Ich schicke dir ne Mail, damit du im Bilde bist.
Anatol: Was kriege ich dafür, wenn ich dir helfe?
Tina: Alles, wonach DIR gerade ist...Ild!
Anatol: Hmmm...Lda! ggd!
Tina: Hä?Ach so. Idanvvd.
Anatol: Geht gar nicht!
Tina: Doch!
Anatol: Nein!
Tina: Wir sind albern.
Anatol: Ich darf das noch sein.
Tina: Blödmann.
Anatol: Tussi.
Es kommt nichts mehr zurück und ich befürchte, sie verärgert zu haben, doch sie ruft tatsächlich nach einer halben Stunde an, ich habe gerade ihre Mail durchgearbeitet und eine halbwegs gute Strategie ausgetüftelt. Ich mache ihr einen Vorschlag und sie raunt leise:
„Gut. Ich probiere es. Danke, bis später..."
Als ich endlich Feierabend machen kann, kommt Tina's SMS:
Die Tussi hat es mit Hilfe vom Blödmann tatsächlich geschafft! idd!
Anatol: Super... Tussi war aber nicht so gemeint, meine Traumfrau. Ikdü.
Tina: Weiß ich doch, Traummann. Was heißt Ikdü?
Anatol: Ich küsse dich überall.
Tina: ÜBERALL???
Anatol: Ja.
Tina: Hm. Auch...
Anatol: Ja, überall.
Tina: Woah.
Anatol: Kommst du grad? 😉
Tina: Sowas ähnliches. Sie gucken schon.
Anatol: Apropos gucken, bist du frei für Face Time?
Tina: Gib mir noch eine halbe Stunde, ja? Ich muss erst die Schweden loswerden...
Anatol: Auf dich würde ich ewig warten. Ild!
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Der Held der Krawatten
General FictionAnatol Kupfer, unser Held, hat ein Geheimnis. Etwas, was er auch in unserer ach so modernen, verständnisvollen Welt vor allen Menschen versteckt, denn er hat deswegen viel Ablehnung erfahren. Nun muss er ein Praktikum absolvieren und dummerweise i...