18. Zwischenfall im Regen

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Die große Schwingtür klappte hinter ihr geräuschvoll ins Schloss.
Owen spürte den Luftzug der sich schließenden Türflügel auf seinem Gesicht und kam sich vor wie der sprichwörtlich begossene Pudel.
Ist die jetzt tatsächlich weggelaufen? Also so  hat noch keine Frau auf meine Küsse reagiert.
Es kam ihm vor, als starrte er minutenlang die blöde Tür an, dann drehte er sich um und stapfte zurück in die andere Richtung und stieß die Tür zum Festsaal auf.
Lautes Stimmengewirr, stickig verbrauchte Luft und Musik empfing ihn.
Zielstrebig steuerte er den Tisch an, an den er eigentlich  bereits vor einigen Minuten hatte zurückkehren wollen.
Barry sah ihm verwundert entgegen.
„ Oweeeen...", meinte er gedehnt, „ das DU dich hier blicken lässt..." versuchte er zu spotten und ihm gleichzeitig mit seiner Haltung zu vermitteln, dass er es ganz und gar nicht in Ordnung fand, dass sein Freund erst jetzt auftauchte.
Owen griff nach seinem Jackett das über dem Stuhl hing.
„Haben sie Claire gesehen?" fragte Karen und blickte ihn ebenfalls an.
„Sorry...", meinte er  und ging nicht weiter auf sie ein.
Barry merkte wie unruhig er war.
„Ist alles in Ordnung?", fragte Karen nun.
„Alles bestens...", gab Owen gehetzt zurück, „nur für mich ist der Abend beendet, genießt ihn noch. Machts gut!" damit schnappte er sich sein Jackett und versuchte so schnell wie möglich der Situation zu entfliehen.
Er ignorierte Barry, der ihm irgendetwas nachrief und verschwand wieder aus dem Saal.

Vor dem Center hatte er den Jeep geparkt.
Er schloss die Tür auf, warf das Jackett achtlos auf den Rücksitz, startete das Fahrzeug und düste  mit durchdrehenden Reifen davon.
Owen war froh, dass ihn hier Niemand wegen der paar Drinks belangen konnte und er sich trotzdem hinters Steuer setzte.
Es würde sowieso Keinen interessieren. Ein Vorteil wenn man auf einer privaten Insel zu Hause ist.

"Claire, ich bin's! Mach auf...", drang die Stimme ihrer Schwester  durch die geschlossene Tür.
Sie klang besorgt und ein wenig abgehetzt.
Als Claire die Türe öffnete stand Karen völlig durchnässt vor ihr.
Erst jetzt wurde Claire bewusst, dass es wie aus Eimer regnete.
"Ist  was passiert?", fragte Karen und trat ein.
"Nein..."log Claire erfindunglos.
Eigentlich ist ALLES passiert.
"Ehm... kannst du mir dann bitte erklären, warum du mich hast sitzen lassen? Vor etwa einer Stunde ist dein Raptortrainer schon so komisch abgerauscht. Das konnte sich sein Kumpel auch nicht erklären. Der war ganz schön sauer. Seid ihr euch begegnet? Irgendwie war der ja auch verschollen. Wahrscheinlich mit dem Häschen von der Tanzfläche. Lief wohl nicht..." plapperte sie los und ging unaufgefordert in Claires Bad und nahm sich dort ein Handtuch, um sich damit die Haare zu trocknen.
"Nein sind wir nicht...", meinte Claire lahm.
"Was ist denn los...?", fragte Karen nun besorgt und trat näher an Claire heran,  " Irgendwas stimmt doch nicht ..." stellte sie fest.
Claire wendete sich ab.
"Ich bin mit... Jemandem zusammen gestoßen, der mich mit seinem Drink beschüttet hat." antwortete sie dann wahrheitsgemäß. Es war ja nicht nötig zu erwähnen WER dieser Jemand gewesen war.  "Also bin ich nach Hause, bevor ich mit einem nassen Kleid auf der Party herumlaufen muss. Den offiziellen Teil habe ich ja erledigt."
"Jahhh ein nasses Kleid ist nicht schön." bemerkte Karen sarkastisch und sah an ihrem herunter. " und das hat dich so aus der Bahn geworfen, dass du mir nicht mal Bescheid sagen konntest und mich mit Fremden Leuten hast sitzen lassen? Sehr nett von dir... Ich glaub dir kein Wort."
" Es tut mir Leid...." murmelte Claire Schuldbewusst  -  sie musste zugeben, dass sie erst wieder an ihre Schwester gedacht hatte, als sie sich im Schoß ihrer sichern Wohnung wähnte, um ihre völlig aus den Fugen geratenen Gedanken zu ordnen, und dieses Kribbeln in der Magengegend loszuwerden -  " Willst du heute Nacht hier bleiben?" bot sie ihr dann versöhnlich an.
" Allerdings....", meinte Karen ungehalten, so als wäre es eine völlig überflüssige Frage und pellte sich aus ihrem nassen Dress., "Ich wollte nicht wieder da draußen in den Weltuntergang spazieren."
Claire ging in ihr Schlafzimmer und holte für ihre Schwester einen Sportanzug aus dem Kleiderschrank und reichte ihn ihr.
"Danke..."sagte Karen immernoch misstrauisch und  verschwand im Bad.
Gerade als Claire sich wieder  auf ihrer Couch niederlassen wollte, klingelte ihr Handy  und der Vibrationsalarm rappelte das Gerät über den Wohnzimmertisch.
Sie langte es vom Tisch und wischte über den Bildschirm, um den Anruf entgegen zu nehmen.
"Dear..." fing sie an und wollte sich mit Namen melden, wurde jedoch direkt von einer aufgeregten Stimme aus dem Apparat unterbrochen .
"Mrs. Dearing! Gott sei dank endlich geht mal einer ans Telefon..." drang die abgehetzte, aber  dennoch erleichtert klingende  Stimme eines Mannes an ihr Ohr.
Er war schlecht zu verstehen, denn im Hintergrund war ein ohrenbetäubender Lärm.
Ein undefinierbares Kreischen oder Quieken.
Claire blickte auf das Display.
Es war ein offizieller Anruf aus dem Aviarium
"Ja?", machte Claire ruhig.
"Könnten sie mal bitte jemandem von der Sicherheit herbeiholen? Ich tippe mir hier die Finger wund. Es sind ja alle auf der Party!"
"Was ist denn das Problem?"
"Wir haben hier einen kleinen Ausbrecher dieses Mistvieh hängt in der Schleuse fest, und ich habe keine Ahnung wie ich es da herausbekommen soll!"
"Ist denn niemand bei ihnen?"
" Ich sagte doch schon, es sind alle auf der Party! Ich bin der Arsch den es erwischt hat. Sorry Miss, aber..." er stoppte  und schien sich  offensichtlich mit etwas abzumühen das Kreischen wurde leiser. "Ich brauche hier einen von der Sicherheit." verlangte er abermals.
"Ich hab schon versucht Grady anzurufen, aber der geht nicht ans Telefon, vielleicht können sie ja 'nen Kollegen herbeischaffen...Es tut mir Leid, dass ich sie so spät störe..."
"Grady..." schnaufte Claire, konnte es denn nicht jemand anderes sein?, "na wunderbar... ich kümmere mich darum." antwortete sie schroff und legte Grußlos auf.
Einen kurzen Moment starre sie fassungslos das Telefon in ihrer Hand an und schüttelte ungläubig den Kopf.
Musste sie  ihn jetzt allen ernstes herbeizitieren?
Das war doch alles ein schlechter Witz.
Aber was wäre sie für eine Parkleitung, die sich nicht kümmern würde, wenn einer ihrer Mitarbeiter offensichtlich ein Problem hatte?
Jedoch wenn der Ranger aus dem Aviarium ihn schon nicht erreicht hatte, warum sollte er ausgerechnet jetzt ans Telefon gehen?
Sie ging in dem Smartphone die Liste durch wer noch in Frage käme und stieß zu ihrem Leidwesen auf immer denselben Namen:

O. Grady. 

Kunststück Claire. Das ist nunmal sein Job. Du bist ein wahrer Glückspilz!

Sie ließ das Handy die Nummer trotzdem wählen, einen Versuch könnte sie wenigstes wagen.
Wenn  er dann nicht rangehen würde, dann müsste sie sich wohl selbst um diesen blöden prähistorischen Vogel kümmern.  - Dachte sie trotzig.  Wie schwer konnte das schon sein?
"Wenn man nicht alles selber macht..." murmelte sie mitleidheischend  einem unsichtbaren Gegenüber vor.
In diesem Moment kam Karen aus dem Bad.
Claire wollte gerade wieder auflegen, als  sich  der Anruf aufbaute.
Es raschelte in der Leitung, und rauschte.
So, als stünde die Person die den Anruf entgegennahm unter der Dusche.
"Hallo...?", kam seine Stimme aus dem Hörer und Claires Herz machte einen ungewollten Hüpfer.
"Ja hallo, es gibt ein Problem im Aviarium, dort ist irgend so ein Vogel ausgebrochen..." meinte sie unbeholfen.
"Was ist ausgebrochen...?" es rauschte unaufhörlich und seine Stimme klang irgendwie leiernd.
"Ein... - - -  Sag' mal stehst du unter der Dusche?"
"Nein." kam es knapp und fröhlich aus dem Apparat. " ich sitze im Grünen und genieße die frische Luft... " jetzt lachte er sein unverwechselbares Lachen.
"Bist du betrunken?! "
Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass seine Stimme sich nicht  nur wegen des Rauschens nicht  ganz so klar anhörte.
"Oooch...ein bisschen vielleicht. Wenn mir schon einer die Party verscheißt, dachte ich, ich mache mir  meine Eigene." gab er zurück.
Claire fuhr sich verzweifelt mit der Hand über das Gesicht.
Das konnte ja heiter werden.
Der Einzige der ihren Mitarbeiter aus dem Aviariumschlamassel holen konnte stand, irgendwo im Niemansland des Dschungels und war offensichtlich  nicht ganz so klar, wie es die Situation erforderte.
"...und WO bist DU?" fragte sie, es hörte nicht auf zu rauschen.
"Auf der Veranda und genieße den Abend." murmelte er, "soll ich dir mal was sagen Claire? Man hat mich vorhin einfach stehen lassen, ist das zu fassen...?"
Claire konnte nicht anders, sie musste lachen.
"Freut mich, dass du das lustig findest..." kam es sorglos zurück.
"Es hilft nichts Owen, du musst dich jetzt irgendwie zusammen reißen. Ich werde dich jetzt abholen, und dann musst du diesen prähistorischen Vogel aus seinem Stall holen..."
"Ich weiß nicht, ob ich dich jetzt schon wiedersehen will Claire, das geht mir alles ein wenig zu schnell!" meinte er sarkastisch.
Ohne zu antworten legte Claire auf.
"Es gab einen Zwischenfall im Aviarium," meinte sie zu ihrer Schwester, " ich muss da  nochmal hin. Viellicht  sollte ich einen starken Kaffee mitnehmen..." seufzte sie verzweifelt.
Als sie nach draußen trat, wurde ihr erst bewusst WIE heftig der Regen tatsächlich war.
Sie konnte ihren Wagen nur schemenhaft durch den Regenschleier erkennen, als sie darauf zuguing.

Why we never had a 2nd Date     ©Lina Schön   AUGUST  2015Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt