In Anbetracht dieser Vorkommnisse war mein Referat erstaunlich gut gelaufen und ich sehr erleichtert, als Frau Müller mir zusagte, dass sich meine Note um zwei Punkte verbessert hatte. Sie meinte sogar, ich könnte es in ihrem Unterricht ohne Probleme auf zehn Punkte schaffen, wenn ich mich etwas mehr anstrengen würde. Ach, wenn die gute Frau Müller doch nur den Hauch einer Ahnung hätte, was alles in meinem Kopf vorging. Ein blasser Schimmer dessen, und sie würde verstehen, dass für Bio, optimistisch gesehen, gerade noch eine einzige Gehirnzelle übrig blieb.
Irgendwann, das versprach ich Frau Müller im Geiste, irgendwann, wenn sich das Tohuwabohu ein bisschen gelegt hätte, würde ich all meine Gehirnzellen einer ihrer Arbeiten widmen. Das hatte sie verdient, so fest, wie sie an mich glaubte.
***
Was allerdings meine Laune erheblich verbesserte, war Franks Bitte, Bert auszurichten, dass er heute etwas später in den Tulpenweg käme. Er wollte Iason begleiten, der sich noch eine Aufenthaltsgenehmigung erteilen lassen musste.
Mein erster After-Katastrophen-Nachmittag im Tulpenweg würde demnach ohne Iason stattfinden. Das vereinfachte die Sache enorm, und ich beschloss hinzugehen.
Die letzte Stunde fiel heute aus. Ich schlenderte mit Lena an der Caféteria vorbei. Da sah ich Mirjam, die mit Iason an einem Tisch hinter der Glasfront saß. Gackernd fuchtelte sie in der Luft herum, während er ihr, die Ellenbogen auf den Tisch gestützt, aufmerksam zuhörte. Ich fühlte einen tiefen Stich und wollte mich gerade abwenden, da fiel mir auf, dass sein Blick unstet wurde und zur Wand abschweifte, die hinter Mirjam war. Ich drehte leicht den Kopf, um zu sehen, was sein Interesse eingefangen hatte. Es war das Hologramm eines Nachrichtensprechers, das per All-View-Screen gezeigt wurde. Bestimmt ging es um Loduun.
»Mirjam und ...« Lena blinzelte ungläubig zur getönten Glasscheibe.
Ich atmete seufzend durch und zog sie am Ärmel. »Komm, wir müssen.«
Gemeinsam gingen wir zur Haltestelle. Aber als Lenas Schiff kam, stieg sie nicht ein.
»So, Mia, raus mit der Sprache. Was läuft da zwischen Iason und dir?«
Gerade wollte ich mich durch eine ausweichende Antwort manövrieren, als sie mich unterbrach.
»Du bist der reinste Sauertopf, sprichst kaum ein Wort und siehst aus wie ein Zombie. Ich bin deine Freundin, Mia. Rede mit mir!«
Ich öffnete den Mund, brachte aber keinen Ton hervor und senkte den Kopf.
Lena beugte die Knie, um mir in die Augen sehen zu können. »Ist es so schlimm?«
Ich fixierte meine Schuhe und nickte.
»Komm, wir haben noch etwas Zeit. Lass uns Eis essen gehen.« Mit diesen Worten hakte sie sich bei mir unter und übernahm die Führung. Sie ließ meinen Arm erst wieder los, als sie mich auf einem der Klappstühle im Café Roma in Sicherheit wusste.
Dort lief ebenfalls ein Sonderbericht über Loduun. Der Ton war ausgeschaltet. Doch fingen allein die Bilder Lenas Interesse ein. Deshalb wandte auch ich mich dem All-View zu. Eine Sprecherin des Außenministeriums stand vor einem Volkspulk, der mit Transparenten und Bannern gegen weitere Flüchtlingseinreisen demonstrierte.
»Die sind ja so was von panne.« Lena schüttelte fassungslos den Kopf.
Ich schwieg in der Erkenntnis, dass meine loduunischen Kinder in weitaus größeren Schwierigkeiten steckten als ich derzeit.
Lena war sich da scheinbar nicht so sicher. »So, und jetzt schieß los«, widmete sie sich nun mir.
Anfangs war es mir fast peinlich, im Anschluss an diese Nachrichten mit meinen Problemen zu kommen, aber dann spürte ich, wie gut es tat, mir einmal alles von der Seele zu reden. Ich erzählte und erzählte, auch über Iasons kalte, vorwurfsvolle Art und seine Haltung mir gegenüber. Nur die Wirkung, die seine Stimme und die Augen auf mich hatten, ließ ich aus. Anschließend schlürfte ich mit dem Strohhalm laut in meinem leeren Schoko-Shake herum.
»Mia, echt, du interpretierst in die Sache viel zu viel rein«, sagte Lena schließlich. »Natürlich war Iason nicht begeistert von dem, was mit Hope geschehen ist. Aber wenn er erst mal sieht, wie gut du deine Sache sonst machst, wird er das bestimmt bald vergessen und ganz normal mit dir umgehen.« Ihren vorhergehenden Worten zum Trotz bekam Lenas Miene etwas Herausforderndes, als sie sich nun zu mir vorbeugte. »Oder steckt da vielleicht mehr dahinter?«
»Was soll denn noch dahinterstecken?«, fragte ich unschuldig wie ein Engel, der um ein Haar bei einem heimlichen Go-go-Girl-Auftritt im Striplokal erwischt worden wäre.
»Magst du ihn?«, fragte sie mit einem Grinsen.
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Sternenschimmer von Kim Winter
Science FictionOb die Sterne wussten, dass diese Nacht Mias Leben verändern würde? Sie erleuchteten den ganzen Himmel, als Iason mit den anderen Flüchtlingen auf der Erde landete. Jetzt steht er vor ihr. Eine dunkle Stille geht von ihm aus, doch seine graublauen A...