Gewissensbisse Kapitel 6, Teil 2

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Das strahlende Blau schimmerte aus seinen grauen Augen, als wären sie aus lichtdurchfluteter Seide. Augen, in denen ich mich verlor, wenn ich nicht gut aufpasste. Iason hob die Braue und senkte sie dann wieder. In dieser Geste lag etwas, es war schwer zu beschreiben ..., fast herablassend wirkte es. Sofort fixierte ich die Maserung auf der Tischplatte. Scham, Wut, ein schlechtes Gewissen, Ärger über mich selbst, das alles stieg in mir hoch. Aber am schlimmsten war die Demütigung, die mir sein Blick zugefügt hatte. Ich spürte, wie mir das Blut in den Kopf schoss und massierte zur Tarnung die Stirn.

Iason ließ sich mit anmutiger Lässigkeit auf dem freien Platz neben Barbara nieder. Die spielte sichtlich beglückt mit ihrem Pferdeschwanz herum.

»Mein Gott, dieser Kerl ist ja eine wahre Sünde«, piepste Lena aufgelöst.

Eine Sünde und ein Fluch zugleich, seufzte ich still in mich hinein.

Lena stieß mich mit dem Ellenbogen an. »Warum sagst du nichts zu ihm?«

»Bitte!«, zischte ich scharf und deutlich. »Könntest du dieses eine Mal deinen Mund halten.«

Lena schnappte nach Luft und schwieg.

Welches Fach hatten wir noch? Englisch? Mathe? Ich wusste es nicht mehr. Alles, was ich wahrnahm, war ein Stimmengewirr, das blechern an meine Ohren drang, während ich mit meinen Gefühlen kämpfte. Warum musste er ausgerechnet in meiner Klasse sein? Waruuum? Er war doch älter als ich!

Der Schultag wurde die reinste Qual. Frank hatte sich Iasons angenommen und wich ihm nicht von der Seite, während sich die anderen mit ihm bekannt machten. Anfangs reagierten manche von ihnen etwas zurückhaltend. Kein Wunder, ein Schüler mit blau strahlenden Augen hatte noch nie unter uns gesessen. Aber irgendwann siegte bei den meisten die Faszination. Mehr noch, er schien sogar einen sympathischen Eindruck auf sie zu machen. Sie fragten ihn über Loduun aus, lobten seine hervorragenden Sprachkenntnisse, und insbesondere die Mädchen schienen von seiner geheimnisvollen, stillen Art ganz angetan.

Nach der Mittagspause warteten zwei Stunden Biologie und Umweltdynamik auf mich. Lena flitzte noch flugs in den Musikraum zurück, da sie glaubte, dort ihre Sonnenbrille vergessen zu haben. Also machte ich mich schon mal allein auf den Weg.

Mir blieben nur noch zehn Minuten, um ein letztes Mal mein Referat einzusehen, und der Biologieraum befand sich im achten Stock. Um möglichst wenig Zeit zu verlieren, würde ich den Aufzug nehmen müssen. Schnell, nur noch neun Minuten.

Ich wartete ungeduldig, bis sich die Türen öffneten. Nachdem ich eingestiegen war und den Knopf gedrückt hatte, hörte ich Schritte, die sich dem Aufzug näherten. In letzter Sekunde schob Iason sich zu meinem Entsetzen durch die sich gerade schließende Tür, die daraufhin noch einmal aufging. Schnell wandte ich mich ab.

»Bis später dann«, verabschiedete er sich von ...

Ich riss die Augen auf.

»Nicht vergessen, halb vier in der Cafeteria«, sagte Mirjam.

»Ich werde da sein.«

Ignorieren, sagte eine vernünftige Stimme in mir. Also stopfte ich die Hände in die Jackentaschen und fixierte einen Fleck auf meinem Schuh. Die Tür schloss sich und der Aufzug fuhr los.

»Hallo.«

Wenn es eines gab, das wie Zucker und Gift zugleich für mich war, dann diese Stimme – abgesehen von den dazugehörigen Augen versteht sich.

Vermeintlich gelangweilt äugte ich über meine Schulter.

Seine strahlenden Augen erhellten mein Gesicht.

Sternenschimmer von Kim WinterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt