Kapitel 1

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Heii!
Da der Prolog an einem Montag erschienen ist, werde ich versuchen, jeden Montag zu updaten. Es tut mir leid, wenn ich es nicht schaffe, das einzuhalten, aber ich habs leider nicht so mit solchen Terminen. Ich werde mir aber Mühe geben!

Erschöpft fuhr ich mir über die Augen und setzte mich in meinem Bett auf. Ich sah mich in meinem Zimmer um. Durch die Gardinen an meinem Fenster konnte ich Lichtstrahlen erkennen, die meinen unaufgeräumten Schreibtisch beschienen. Mein Kopfkissen lag auf meinem dem Teppich, direkt neben dem Bett. Als ich zur Tür schaute, stand meine Tante Rebecca dort und sah mich mitleidig an.
„Du hast schon wieder geträumt", sagte sie leise. Es war keine Frage, sondern eine Feststellung. Sie muss mich schreien gehört haben.
Ich hatte oft Alpträume. Seit meine Eltern vor mehreren Wochen ums Leben kamen, träumte ich jede Nacht, dass ich dem Tode nahe war. Es war nie gleich, es geschah immer auf andere Art und Weise.
Tante Rebecca kam seufzend auf mich zu, setzte sich auf meine Bettkante und drückte mir ein Glas Wasser in die Hand. Mit einem dankbaren Nicken nahm ich es und stürzte es hinunter. Währenddessen spürte ich eine zierliche Hand, die mir unaufhörlich über den Rücken strich.
„Wie spät ist es?", fragte ich mit heiserer Stimme.
Meine Tante nahm mir das leere Glas ab. „Halb sieben."
Ich seufzte traurig.
„Emely?" Tante Rebeccas Stimme war vorsichtig. „Ehm... Morgen fängt die Schule wieder an. Ich weiß, dass es schwer für dich sein muss, aber du solltest wirklich wieder unter Menschen kommen. Vielleicht tut dir die Ablenkung ja gut."
Die letzten Wochen waren die härtesten meines Lebens. Es waren Sommerferien, aber ich hatte sie nicht genießen können. Am Anfang der Ferien waren meine Eltern bei einem Unfall umgekommen. Ich erinnere mich an jedes kleine Detail. In dem Moment war ich gerade bei Tante Rebecca gewesen, als wir einen Anruf bekommen hatten. Ein Polizist meinte, dass ein betrunkener Mann, der seine rote Ampel nicht beachtet hatte, mit ihnen zusammengestoßen sei. Der Zusammenstoß war so heftig, dass meine Eltern und der andere Fahrer noch am Unfallort starben.
Nach diesem Ereignis ging meine Welt unter. Ich lebte bei meiner Tante, die unter dem Verlust ihres Bruders litt. Meine Freunde, die versucht hatten, mich zu erreichen, hatte ich ignoriert und mich von ihnen abgegrenzt, bis sie es nicht mehr versucht hatten. Ich trauerte alleine und im Stillen. Tante Rebecca hatte versucht, mit mir zu einem Therapeuten zu gehen, aber als ich mich weigerte, bedrängte sie mich nicht mehr. Ich wollte mit niemandem darüber reden, der das nicht verstehen konnte. Der das Gefühl, die Menschen, die einem so wichtig waren, plötzlich zu verlieren, nicht nachempfinden konnte. Jeden Tag schlich ich wie ein Zombie durch das Haus, unfähig, meinen normalen Alltag wieder aufzunehmen.
Aber morgen waren die Ferien vorbei. Morgen würde ich wieder zur Schule müssen.
Da ich wusste, wie viel es meiner Tante bedeutete, nickte ich.
Ich sprach auch nicht mehr viel. Wenn ich etwas sagte, galt dies meistens meiner Tante. Sie konnte meinen Schmerz verstehen. In der Zeit, in der ich eher tot als lebendig war, hatten wir uns gegenseitig Mut gegeben.
Tante Rebecca strich mir eine schwarze Strähne aus meinem schweißnassen Gesicht. „Danke. Du schaffst das, du bist stark. Finde neue Freunde, die dich ablenken." Sie drückte noch einmal meine dünne Hand, bevor sie aufstand und aus meinem kleinen Zimmer ging.
Einen Moment später schlug ich die Bettdecke zurück. Mit noch zittrigen Beinen stand ich auf. Als ich die schweren Vorhänge aufzog, wurde ich von dem grellen Tageslicht geblendet. Es ließ das Zimmer so hell erscheinen, das genaue Gegenteil von meinem zerbrochenen Inneren. Seufzend trat ich vor meinen großen Kleiderschrank und suchte mir Kleidung für den heutigen Tag heraus. Viel Farbe war nicht zu sehen, meine bevorzugten Kleidungsstücke waren schwarz. Auch das gehörte zu meiner persönlichen Trauer.
Nachdem ich etwas Passendes gefunden hatte, machte ich mich auf den Weg ins Badezimmer. Dort schlüpfte ich aus meinem leichten Schlafanzug und stellte mich in unsere kleine Dusche. Langsam drehte ich den Hahn auf und heißes Wasser verscheuchte die Kälte, die von meinem Traum geblieben war.
Eine Viertelstunde später war ich fertig angezogen. Ich warf einen Blick in den Spiegel. Mein Gesicht war sehr blass und meine Wangenknochen stachen ein wenig hervor. Tiefe Augenringe langen unter meinen blauen Augen. Ich hatte abgenommen und kam durch die Alpträume nur zu wenig Schlaf. Versuchsweise setzte ich ein falsches Lächeln auf. Es fiel mir leicht, ich hatte es oft genug geübt. Für Außenstehende sah es echt aus, ich jedoch erkannte, wie falsch es war. Mein Mund lächelte und äußerlich wirkte ich glücklich, während mein Inneres immer weiter zerbrach.
Frisch geduscht ging ich die alte Holztreppe hinunter und betrat die Küche. Ich setzte mich an den Esstisch und nahm mir das Müsli, das direkt vor meiner Nase stand. Tante Rebecca musste es mir dort hingestellt haben. Auch die Milch, die neben dem Müsli stand, kippte ich in meine Schüssel. Mit fahrigen Bewegungen aß ich die Hälfte davon. Den Rest kippte ich lustlos weg, mir war der Appetit vergangen. Ich räumte gerade den Tisch auf, als meine Tante in die Küche kam. Sie sah mir kurz zu, ehe sie anfing zu sprechen: „Emely, ich muss jetzt einkaufen gehen. Brauchst du noch etwas? Vielleicht für die Schule?"
„Ein Block wäre nicht schlecht", antwortete ich nach kurzem Überlegen.
„Okay. Ich bringe dir einen mit."
Nach kurzer Zeit hörte ich, wie die Haustür geschlossen wurde. Ich war allein.
Ich legte den Lappen, mit dem ich den Tisch abgewischt hatte, weg und ging wieder nach oben in meine Zimmer. Dort setzte ich mich an meinen Schreibtisch und durchsuchte das Chaos nach einer bestimmten CD.
Viele Leute würden sich aufregen, wenn sie die Unordnung sehen würden. Mein Zimmer war zwar aufgeräumt, der Schreibtisch allerdings ganz und gar nicht. Trotzdem wusste ich immer, was sich wo befand und musste nur selten etwas länger suchen. Es war mein persönliches Chaos, ich fühlte mich wohl darin.
Endlich fand ich, was ich gesucht hatte und legte die CD ein. Es war eine, die ich mir selbst gebrannt hatte, kurz nach dem Tod meiner Familie. Sie enthielt unter anderem das Lied Save me von Shinedown. Dieses eine Lied war zu meinem Lieblingslied geworden, da es mir Hoffnung machte. Die Hoffnung, dass mich eine einzige Person irgendwann wieder glücklich machen würde. So war das mit der Hoffnung. Sie kam, ohne dass man es wollte und ging erst ganz zum Ende. Mein Ende war noch nicht erreicht, weshalb ich meine Hoffnung auch noch nicht aufgegeben hatte.
Meine Gedanken wurden von dem Klang unserer Klingel unterbrochen. Genervt schlurfte ich wieder nach unten und öffnete die Tür. Eine Frau, die ungefähr zwanzig Zentimeter größer war als ich, stand dort und sah lächelnd auf mich herab.
„Hallo Emely. Ist deine Tante da?", fragte sie mich freundlich.
„Nein."
„Oh." Sie sah enttäuscht aus. „Weißt du, wann sie wieder kommt?"
Ich setzte ein kleines falsches Lächeln auf. „Bald."
Sofort wirkte sie munterer. „Das ist gut. Ich habe eine Bestellung für sie, weißt du, deshalb muss ich dringend mit ihr reden. Ist es in Ordnung, wenn ich nachher noch einmal vorbei schaue?"
Ich nickte. Der Name der Blondine war Ellen Weber. Sie war eine Stammkundin bei Tante Rebecca. Die meisten Gemälde, die sie verkaufte, landeten bei besagter Frau Weber. Manchmal kam es vor, dass Frau Weber uns besuchen kam, um eigene Bilder anfertigen zu lassen, weshalb sie mich schon öfter gesehen hatte und meinen Namen wusste. Ich selbst wusste nur ihren Namen, aber sie hatte sich bei meiner Tante schon manchmal über mich erkundigt, weshalb sie ein bisschen was von mir wusste.
Sie verabschiedete sich und ich schloss die Tür. Dann nahm ich mir einen kleinen Zettel und schrieb eine Nachricht an meine Tante.

Frau Weber war da. Sie kommt nachher wieder. Ein Auftrag für dich.

E.

Diesen Zettel klebte ich an ihre Staffelei. In der Hoffnung, dass sie in früh genug sehen würde, ging ich wieder zurück in mein Zimmer, legte mich auf das große Bett und ließ die pausierte CD weiterlaufen.
Während die Musik spielte, schloss ich meine Augen und dachte an meine Eltern. Jeden Tag nahm ich mir ein wenig Zeit dafür, da ich sie nicht vergessen wollte. Ich wollte ihre Gesichter nicht vergessen, ihre Stimmen, oder wie es sich anfühlte, von ihnen umarmt zu werden. Meine Mutter hatte halbtags gearbeitet, damit sie den Rest des Tages für mich da sein konnte, wenn ich der Schule wiederkam. Abends war dann auch endlich mein Vater gekommen. Wir hatten zusammen zu Abend gegessen, hatten geredet, gescherzt und viel gelacht.
Ja, Lachen konnte man bei uns oft hören. Im Gegensatz zu jetzt, meine Tante lachte nicht mehr viel und auch ich hatte es verlernt. Wenn Tante Rebecca einen sehr schlechten Tag hatte, schenkte ich ihr höchstens ein oft geübtes, leider jedoch falsches Lächeln. Bis jetzt war es ihr glücklicherweise noch nicht aufgefallen, aber es konnte nicht mehr allzu lange dauern.
Leise entkam eine kleine Träne meinem Augenwinkel. Wenn ich so genau über alles nachdachte, konnte ich ein paar Tränen nicht verhindern. Immerhin war es besser als am Anfang. Jedes Mal, wenn meine Eltern auch nur erwähnt wurden, war ich sofort in Tränen ausgebrochen.
Ich verbrachte den restlichen Tag mit den Gedanken an meine Eltern und der leisen Musik im Hintergrund.


Im Anhang findet ihr das Lied, welches ich vorher erwähnt habe:)


Learning to live (ABGEBROCHEN)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt