2.

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...Liebe Meggy,
Wenn du das liest, werde ich vielleicht tot sein, an einem anderen Ort, oder .... ich weiß es nicht. Wahrscheinlich ist der Krieg gerade vorbei, und du bist in unserem Haus. Ich wusste, dass die Regierung mein und Daddys Zimmer nicht leerräumen würde, weil die Möbel nicht aus der neusten Kollektion sind. -Ist aber auch egal. Bei diesem Satz musste ich lachen, das war meine Mutter. Ihre freundliche, liebevolle Art beruhigte mich einfach. Kommen wir nun zu dem, was ich dir eigentlich sagen wollte. Falls du lebst oder nicht verletzt bist, geh nach Tiny West (das war ein Waldgebiet am Meer) dort haben sie noch vor dem Krieg ein Hilfslager eingerichtet, wo es Nahrung gibt und du überleben kannst. Allerdings ist die Anlage hochmodernisiert und um hereinzugelangen, brauchst du ein Passwort. Das Passwort haben ich und dein Vater im Badezimmer versteckt. Es ist unter der ersten Badezimmerkachel links, unter dem Waschbecken. Dafür musst du die Badezimmerkachel rausreissen und das Passwort dann rückwärts lesen. Ich bin sicher, dass du das schaffen wirst. Dein Vater und ich müssen jetzt flüchten. Vielleicht können die im Hilfslager dir sagen, wo wir sind. 'Wenn sie noch lebten', fügte ich in Gedanken hinzu...
Pass gut auf dich auf,
Deine Mum!

Das wars. Das waren die letzten Worte, das letzte was ich von meiner Mum, von meinen Eltern hatte. Jetzt war es vorbei. Ich spürte wie mir eine Träme die Wange runter rollte und dann auf den Brief tropfte. Der Stift, den meine Mum benutzt hatte färbte sich in einer anderen Farbe, auch das war eine neue Erfindung, die vor Verbrechen schützen sollte. Aber das hier war kein Verbrechen. Es war einfach nur Trauer. Weitere Tränen rollten meine Wangen runter und ich wusste nicht, ob das überhaupt aufhören würde. Mein Brustkorb hob sich heftig, sodass ich fast keine Luft mehr bekam. Mein Leben war zerstört, alle Menschen waren mir genommen. Ich hatte niemanden mehr. "Doch du hast wen, Schätzchen, die Menschen in der Hilfsunterkunft...", hörte ich meine Mutter sagen. Ich wusste das das nicht real war, aber irgendwie glaubte ich ihr. Sie hatte Recht. Ich packte den Brief wieder in seinen Umschlag und presste ihn an mich. Ich wollte ihn nicht verlieren. Er war mir wichtig.

***
"Pssh. Jetzt nicht laut sein, sonst hören sie uns", sagte ich. Das kleine Mädchen weinte. Ich nahm sie in den Arm. "Nicht weinen. Gleich ist es vorbei. Dann läufst du zu deiner Familie." Ich nahm sie in den Arm und wischte ihr die Tränen unter den Augen weg. Das erste Mal, das ich tapfer war. Und nicht selbst weinte. "Was ist wenn ihnen etwas passiert ist?", fragte sie. "Ihnen ist nichts passiert. Sie werden okay sein, wemn du zu ihnen kommst." Ich drückte sie an mich. Sie atmete so schnell, dass ich fühlen konnte wie sich ihr Brustkorb bewegte. Sie zitterte. Es war Bombenalarm. Wie so oft. Viel schlimmer fand ich das die kleinen Kinder auf der Straße stehen blieben und nicht wussten was zu tun war. Wie auch? Ihre Eltern waren womöglih auf der Flucht oder tot. Ich hatte sie an die Hand genommen und war in ein Maisfeld gerannt. "Hier sehen sie uns nicht.", hatte ich geflüstert. Sie hatte nur genickt und war mit mir gerannt. Jetzt hockte ich hier und wir warteten, bis es vorbei war...

***
...Ich welzte mich auf die andere Seite. War ich wirklich eingeschlafen? Und hatte ich etwas aus der Vergangenheit geträumt? Wahrscheinlich. Es war noch dunkel draußen. Ich hatge keine Uhr, um die Zeit zu bestimmen, deswegen lukte ich hinter den langen weißen Vorhängen des Schlafzimmerfensters hervor. Der Mond schien hell am Himmel und die Nacht war klar. Nirgendswo brannten Lichter, wie ich es gewöhnt war. Alles war wie ausgestorben. In den Straßen waren keine Menschen und man hörte auch keine dröhnende Musik aus Nachtclubs oder Bars. Alles war leer. Die Werbereklamen leuchteten immer noch in hellen, bunten Buchstaben :"Nach dem Krieg wird alles wieder gut!" Nichts war gut. Wahrscheinlich war ich auch die einzige, die in dieser Nacht hinter dem Fenster stand und die Nacht beobachtete. Wahrscheinlich würde ich auch immer die einzige bleiben.
Ich zog den Vorhang zu, aus Amgst es könnte mich doch heimlich jemand beobachten, obwohl ich genau wusste das da niemand war. Ich legte mich wieder ins Bett und starrte die Decke an. Sobald es hell werden würde, würde ich sofort anfangen nach dem Passwort für die Hilfsunterkunft zu suchen. Es konnte ja nicht so schwer sein, eine Badezimmerfliese zu zertrümmern. Ich bräuche nur einen Hammer. Plötzlich sprang ich auf und fing an in der obersten Schublade der Kommode rumzufühlen. Vorhin hatte ich doch hier irgendeinen spitzen Gegenstand gefunden. Wo war er denn bloß?
Nach ein paar Minuten stieß ich auf etwas Spitzes. Eine komische Metallstange. Nicht besonders groß. Eher so groß, dass man sie noch locker in den Hosenbund stecken könnte. Ich schloß die Schublade und begab mich ins Bad. Dan tastete ich nach der ersten Fliese links unter dem Waschbecken und bückte mich.
Man konnte erfühlen, dass der Übergang dieser Fliese zum Vergleich der anderen nicht so gerade war, wie üblich. Ich nahm die Metallstange und rammte sie in die Fliese rein. Nichts passierte. Ich war enttäuscht. 'So einfach ist das nicht, Meggy!' 'Ich weiß.', antwortete ich in Gedanken. 'Doch so einfach werde ich nicht aufgeben.' Ich rammte die Metallstange erneut in die Fliese. Immer noch nichts. Außer ein hallendes Geräusch, von etwas das zerschepperte. Ich wünschte diese Fliese würde zerscheppern. Da kam mir eine Idee. Meine Eltern hatten es auch geschafft, die Fliese zu lösen, ohne das sie zerbrach. Ich taste mich zum Rand der Fliese. Dann setzte ich die Metallstange an. Tatsächlich konnte man die Fliese an heben. Der Kleber, der normaler Weise für Fliesen verwandt wurde, war nicht klebrig genug, um dieser Fliese Halt zu geben, weswegen sie auch direkt auf meinen Schoß fiel. Zum Glück. Sonst wäre sie scheppernd zu Boden gefallen. Ich richtete mich auf und legte die Fliese ins Waschbecken. Wenigstens konnte ich da sicher gehen, dass sie nicht zerbrach. Ich klemmte die Metallstange wieder unter meinen Hosenbund und legte mich dann schlafen. Wer weiß wozu ich sie noch gebrauchen konnte. Wenn es erstmal hell war, würde ich nach dem Passwort schauen, und mich dann auf den Weg zur Hilfsunterkunft machen. Das hörte sich nach einem gutem Plan an....

Fall 2588 [#freshstart #justwriteit]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt